Formel 1: Abschied in der Unterhose

50 Jahre Renault R5 Cup: Pfeifkonzert für Röhrl

Kolumne von Rainer Braun
​R5-Cup-Kurzgeschichten zum Staunen und Schmunzeln, Episode 9: Wieso ausgerechnet Vorbild-Sportsmann Walter Röhrl in Hockenheim mit einem Pfeifkonzert bedacht wurde.

Wann hat es denn das schon mal gegeben – Pfiffe für Walter Röhrl. Eigentlich undenkbar. Und doch gab es in Hockenheim ein wüstes Pfeifkonzert.

Und das kam so: 7. April 1981, Premiere-Rennen des neuen R5 Turbo Europa-Cups. Der amtierende Rallye-Weltmeister Walter Röhrl ist Gaststarter und Zugpferd zugleich, engagiert von Renault Deutschland.

Im Vorfeld muss er im Fahrerlager ein Mammut-Programm an Foto-Sessions und Interviews über sich ergehen lassen. In dem ganzen Trubel verpasst er den Aufruf zum Pre-Grid. Als das Fünfer-Feld von der Vorstart-Aufstellung im Fahrerlager in die Startpositionen gerufen wird, fehlt die Nummer 28 mit Röhrl.

Das schwere eiserne Tor wird nach einer Karenzzeit von drei Minuten geschlossen. Nachzügler haben jetzt keine Chance mehr, noch am Rennen teilzunehmen. Da prescht Walter verspätet heran. Nichts geht mehr, die Ordner bleiben hart, Tor zu heißt nach den Regeln Tor zu.

Eigentlich ist jetzt schon alles vorbei, aber die rund 70.000 Zuschauer im vollbesetzten Motodrom erkennen schnell, was ihnen da vorenthalten werden soll. Auch der Streckensprecher erfasst die Lage und erklärt dem Publikum, warum Röhrl nicht starten darf und dass das doch eigentlich eine höchst zweifelhafte Entscheidung sei. Man möge das doch bitte nochmal überdenken, immerhin würde den Fans doch die Darbietung eines begnadeten Driftkünstlers vorenthalten.

Das wirkt beim Publikum. Mit einem gewaltigen, minutenlangen Pfeifkonzert zwingt das vollbesetzte Motodrom in einer Art Machtdemonstration die Rennleitung schließlich zum Nachgeben.

Applaus brandet auf, als das Tor endlich doch nochmal geöffnet und der Rallye-Weltmeister vorrücken darf – allerdings nicht bis zu seinem eigentlichen Startplatz viel weiter vorn, sondern nur bis zur Einmündung Rennstrecke. Von da aus darf er erst dann nachstarten, wenn alle Autos nach dem Indy-Start passiert haben.

Aber Walter ist dabei, das ist die Hauptsache. Die Leute wollen ihr Rallye-Idol sehen und Walter bietet seinen Fans auch was, in dem er eine irre Aufholjagd inszeniert. Mit sehenswerten Drifteinlagen hastet er dem Feld hinterher und schnappt sich einen Konkurrenten nach dem anderen.

Als nach 10 Runden die Zielflagge fällt, hat er genau 27 Mitbewerber niedergerungen und landet auf Rang 13. Hätte das Rennen nur ein paar Runden länger gedauert, wäre er wohl noch bis in die Nähe eines Podiumsplatzes gekommen. Das konnte man anhand seiner Rundenzeiten hochrechnen.

Für mich war es ein besonderes Vergnügen, Walters Aufholjagd zu kommentieren. Ebenso wie bei seinem zweiten Gast-Start zwei Wochen später auf der Nürburgring-Nordschleife. Hier sollte es zu einem Showdown mit seinem Rallye-Rivalen Jean Ragnotti kommen.

Leider wurde aus dem hochdramatischen Ring-Dreikampf Ragnotti, Röhrl und Schütz schnell ein Solo für den Franzosen, denn seine Verfolger fielen der Reihe nach mit technischen Problemen aus. Damit endeten auch Röhrls Gastspiel in der seinerzeit wohl wildesten Marken-Cup-Serie Europas.

Eingefädelt hatte die Röhrl-Auftritte übrigens der rührige deutsche Renault-PR-Direktor Georg Heinz Hommen, der in diesen Tagen, am 12. November 2024, genau 100 Jahre alt geworden wäre. Er starb im Februar 2020.

Erster R5 Turbo-EM-Titelgewinner der Premiere-Saison 1981 wurde nach einem dramatischen Finale im französischen Albi der Schwabe Wolfgang Schütz vor Jean Ragnotti – ganze vier Punkte trennten die beiden am Ende.


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