Roberto Ravaglia: Nicht nur im BMW ein Beisser
Der Autor und Roberto Ravaglia
Eigentlich beginnt für Roberto Ravaglia das Jahr 1989 gar nicht gut. Denn er leidet noch immer an jenen Verletzungen, die er sich bei einem Autounfall kurz vor Weihnachten 1988 zugezogen hatte: Er wollte damals mit dem Fiat Uno seiner Frau Franca – unangeschnallt! – einen Traktor unweit seines Hauses in Mestre bei Venedig überholen, als das landwirtschaftliche Gefährt plötzlich nach links schoss. Die Folge waren eine Kopfverletzung und ein paar gebrochene Rippen.
Aber Roberto, ein Kämpfertyp, erholte sich schnell und wurde mit dem Schnitzer-Team aus Freilassing in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft eingesetzt. «Ich habe zwar schon Titel als Welt- und Europa-Meister geholt, doch die DTM reizt mich trotzdem. Denn dort gibt es kurze Rennen in einem sehr dichten Fahrerfeld, hohe Konzentration ist wichtig.»
Tatsächlich läuft es für ihn gut, er gewinnt prompt beide Läufe beim ersten Rennen in Zolder, den ersten Heat auch auf der Berliner Avus.
Immer punktet der schnelle Italiener, im Team nur «Bob Ravioli» gerufen, unter den ersten Zehn, gewinnt zusammen mit Landsmann Emanuele Pirro sogar das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring.
Pirro nach der Zieldurchfahrt zu Ravaglia: «Du gehst zwar wie ein Gondoliere, mit leichtem Wiegeschritt, aber im Auto bist du ein Sprinter.»
Diese Qualitäten blieben natürlich auch BMW-Motorsportchef Karlheinz Kalbfell nicht verborgen. Und so bot er Ravaglia eine Wette an: Wenn dieser tatsächlich die DTM als Gesamtsieger beenden sollte, würde er sich zu einer gemeinsamen Reise über die Alpen – von Mestre nach Freilassing – überreden lassen, per Rennrad. Denn Kalbfell liebte Zweirad-Fahren genauso wie Roberto, auch wenn er von der Körperstatur her mehr in den Pedalen zu arbeiten hatte als der drahtige Südländer.
Gesagt, getan: Nach der letzten DTM-Zieldurchfahrt in Hockenheim am 15. Oktober, die Ravaglia als Zweiter hinter Ford-Pilot Klaus Niedzwiedz beendet hatte, wurde alles für eine Querung der Berge vorbereitet.
Übernachtungen für die beiden Hauptdarsteller und das Begleitteam waren zu buchen, Ravaglia hatte sich um den optimalen Streckenverlauf zu kümmern, Verpflegung für unterwegs war zu besorgen.
Meine Aufgabe bestand zuerst darin, Chef Kalbfell nach Italien zu chauffieren, wo bereits sein Rennrad auf ihn wartete. Während der Radtour sollte ich per Auto im Respekt-Abstand zu den Pedal-Rittern entweder voraus fahren, um einen Stand mit Getränken und Snacks zu organisieren, bei den harten Berg-Etappen manchmal auch nebenher fahren, um mit gut gemeinten Durchhalte-Parolen die beiden bei Laune zu halten.
Selbst für den durchtrainierten Rennfahrer geriet diese Fahrt immer mehr zur Herausforderung, hatte er doch erst zwei Jahre zuvor das Rad gegen Jogging-Schuhe getauscht. Für BMW-Chef Kalbfell aber wurde es, trotz einiger Trainingszeiten zuvor, zu einer wahren Tour der Leiden.
Dass beide am Schluss dennoch nicht aufgaben und völlig fertig, aber glücklich, das Ortsschild von Freilassing passierten, hätten wohl viele nicht erwartet, auch ich war zu Beginn sehr skeptisch.
Im tiefen Chiemgau aber, der Heimat von Ravaglia-Freund Charly Lamm und dem Schnitzer-Team, brach sich jetzt die Begeisterung Bahn. Ein penibel vorbereiteter Corso aus Rad- und Autofahrern begleitete Kalbfell und Roberto zur Werkstatt der erfolgreichen BMW-Tourenwagentruppe, wo eigens ein Zelt aufgebaut war, weitere enthusiastische Menschen warteten auf die beiden Radler.
Alles ging unter im Jubel der Menge, Fotos für die Heimatzeitung wurden geschossen, die örtliche Blaskapelle spielte, und in bierseliger Stimmung endete irgendwann in der Nacht eine Feier, wie sie beim Gewinn einer Meisterschaft wohl nicht größer hätte sein können.
Diesmal hatten sogar gleich zwei Menschen gesiegt: gegen steile Berge, gegen nicht enden wollende Serpentinen, gegen das Wetter, vor allem aber gegen sich selbst und den berühmten inneren Schweinehund.