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La donna bestiale aus Italien: Tamara Vidali

Kolumne von Friedbert Holz
​Wie 1995 eine junge Architektur-Doktorantin aus Italien ihren männlichen Rennfahrer-Kollegen buchstäblich ganz schnell Respekt abrang.

Obwohl körperlich nicht groß gewachsen, von der Figur her eher mit einem drahtigen Jockey vergleichbar, zeigte eine junge Italienerin den etablierten Herren im Supertourenwagen-Cup 1995, wie eine Frau am Steuer eines Rennautos über sich hinauswachsen kann.

Gerade 29 Jahre alt, trat Tamara Vidali schon beim ersten Lauf zum ADAC-Zweiliter-Championat im belgischen Zolder resolut auf: Bei strömendem Regen war sie mit ihrem Audi A4 von Trainingsplatz 10 vehement auf Position 4 im Sprint gestürmt, wurde im anschließenden Rennen Elfte.

Sie sollte tatsächlich ein Glücksfall werden im Team der Ingolstädter Marke. Zwar griffen hier drei bekannte und erfolgreiche Racer ins Lenkrad – Hans-Joachim Stuck, Frank Biela und der von BMW gewechselte Altfrid Heger. Doch weiblicher Charme, das hatte auch Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ulrich erkannt, konnte dieser Männer-Truppe als Ergänzung nicht schaden. Zudem war die hübsche Lady bereits zwei Jahre zuvor in der italienischen Meisterschaft mit schnellen Zeiten und sehr bestimmter Fahrweise aufgefallen.

Also wurde sie kurzerhand von ihrem bisherigen Arbeitgeber Alfa Romeo abgeworben, und gegen Ende der Saison sollte sich Audis Werbespruch über die südländische Amazone tatsächlich bewahrheiten: «Manche Frauen», so klang der vollmundige Spot damals, «kriegt man mit Charme. Andere mit Geschenken. Tamara Vidali höchstens mit Vollgas.»

Spätestens beim dritten Lauf der Saison auf dem kleinen Kurs in Hockenheim sollten die rennenden Herren diese Losung verstanden haben: Sie presste sich nicht nur respektlos an Armin Hahne auf seinem Honda Accord des Linder-Teams vorbei, sondern zwang sogar «Strietzel» Stuck, ihren Teamkollegen, zu ungewohnt harter Attacke – um sie zu überholen, musste er auf Tuchfühlung gehen, mit der hinteren Tür ihres Audi.

Dieses harte Fahren sollte sich für die flotte Italienerin gelohnt haben: Nach 38 Runden im Rennen stand sie als Dritte neben Stuck und Biela auf dem Treppchen. Das war das erste Podest einer Frau in dieser Meisterschaft überhaupt!

Nun war jedem im Startfeld klar, dass besonderes Augenmerk angesagt ist, wenn ein silbergrauer Audi mit der Startnummer 4 im Rückspiegel Format füllend auftauchte, dann war Signora Vidali im Angriffsmodus – molto arrabiata!

Dabei war schon relativ früh in ihrem Leben klar, dass aus ihr einmal eine ganz Schnelle werden würde.

Unterstützt von ihrem Vater und angetrieben von zwei Brüdern fuhr sie bereits mit 14 Jahren Kart-Rennen, wechselte später auf einen Lancia, mit dem sie bei kleineren Rallyes antrat. Bald kam sie auch zur Rundstrecke, fuhr dort ein knallgelbes Auto mit der Werbung für ein Branchen-Telefonbuch, hatte allerdings 1993 in Imola einen schweren Unfall.

In ihrer Heimat fuhr sie zwar noch eine weitere Saison im Alfa 155 TS, doch dann kam 1995 besagter Wechsel zu Audi, wo sie bis 1997 blieb.

Immerhin konnte sie die Saison 1995 als Siebte beenden, bekam zusätzlich den begehrten Titel eines «Rookie of the Year», 1996 belegte sie sogar Rang 7 und war gelegentlich auch im spanischen Tourenwagen-Championat anzutreffen.

Längst hatte sie, verliehen von Hans-Joachim Stuck, den Titel «donna bestiale» weg. Und sie drängte zu neuen Ufern.

Deshalb schrieb sie sich 2005 in der so genannten Ferrari-Challenge ein, behauptete sich auch dort in der Männerdomäne mit einem respektablen neunten Platz. Ein Jahr später startete sie nochmals in Tourenwagen, sogar im fernen Russland und bei den Superstars in Italien, wo sie auf einem Audi RS 4 gleich drei Rennen gewinnen konnte.

Danach hängte sie ihren Rennoverall aber an den berühmten Haken, tourte für Audi noch etwas als sympathische Marken-Botschafterin durch die Lande und arbeitete als Instruktorin bei Fahrerkursen.

Eigentlich hatte Tamara Vidali Architektin werden wollen und besaß bereits den Doktortitel in dieser Fachrichtung. Vermutlich hätte sie auch hier gute Leistungen erbracht, auch wenn sie vielleicht nie so berühmt geworden wäre wie im internationalen Motorsport.


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