Josef Schnitzer, Heinz Hennerici: Ein Auge, ein Arm
Zu dieser Geschichte gibt es gerade einen aktuellen Anlass. Die deutsche Motorsport-Behörde DMSB hat hinsichtlich der Lizenzvergabe für die Saison 2025 erstmals verfügt, dass neben einem Standard-Sehtest nun auch eine
«Perimetrie Gesichtsfeld-Messung» beim Augenarzt durchgeführt und bescheinigt werden muss.
Damit wird auch in Deutschland eine neue FIA-Vorgabe zur Lizenz-Erteilung umgesetzt. Abgesehen davon, dass so eine Gesichtsfeld-Messung zusätzliche Kosten bis zu 150 Euro mit sich bringt, gibt es heute für Seh-Defizite keine Chance auf eine Lizenzerteilung.
Da waren Seh-Geschädigte in den Sechziger-Jahren noch in einer besseren Position – wie beispielsweise BMW-Motorengenie Josef Schnitzer (Freilassing), der in seinem BMW 1800 TI mit einem sehenden und einem Glasauge 1966 zum Titelgewinn auf der Rundstrecke driftete.
Zehn Siege aus zehn Rennen und die Maximal-Punktzahl – eine wahrlich stolze Bilanz. Weil auch dem Berliner Herbert Schultze (Alfa GTA) eine Hubraumklasse tiefer das gleiche Kunststück geglückt war, wurde beiden von der ONS (so hieß der DMSB damals) der Titel eines Deutschen Rundstrecken-Meisters zuerkannt.
Das Auge hatte Josef Schnitzer schon als Zwölfjähriger verloren, nachdem ein Infekt zu spät erkannt und dann auch noch falsch behandelt wurde. Nach Beendigung seiner kurzen, aber höchst erfolgreichen Rennfahrer-Karriere baute er mit seinem Bruder Herbert und Halbbruder Charly Lamm das berühmte Schnitzer BMW-Team auf.
Josef galt als der technische Kopf und begnadete Motorenbauer in der Schnitzer-Truppe sowie auch als einer der Väter des BMW Turbo-Motors. Bis in die Formel 2 reichten die Fähigkeiten des Motoren-Genies, der sich hier sogar die BMW-Werksmotoren besiegte und sich am Ende der F2-Saison 1975 über den EM-Titelgewinn mit Jacques Laffite freuen konnte.
Danach begann die Ära der bärenstarken Turbo-Triebwerke von Schnitzer im Tourenwagensport. Höhepunkt war 1978 der Gewinn der Rennsport-Meisterschaft (DRM) durch Harald Ertl im Schnitzer BMW 320 Turbo. Diesen persönlichen Triumph seines Motors erlebte Josef leider nicht mehr. Als Folge eines schweren Verkehrsunfalls Ende August 1978 in Belgien erlag er seinen schweren Verletzungen im Alter von nur 37 Jahren.
Und dann gab es da noch jenen einarmigen Rennfahrer aus der Eifel, den besonders die Nürburgring-Besucher ins Herz geschlossen hatten. Heinz Hennerici, Jahrgang 1924, Bruder von Unternehmer Günther Hennerici (Eifelland Wohnwagen), donnerte ebenfalls in den Sechziger-Jahren mit Mercedes, BMW und Porsche mutig um die Nordschleife. Sogar die Rallye Monte Carlo und die Tour d‘Europe nahm er unter die Räder.
Als Besonderheit galt, dass er während der Fahrt mit seinem rechten Arm neben Lenken und Schalten auch noch das Herausfischen von Zigaretten und Feuerzeug erledigte. Denn Heinz Hennerici wollte als strammer Raucher auch während des Rennbetriebs nicht auf seine geliebte Zigarette verzichten. Seinen linken Arm hatte der Soldat Hennerici übrigens im Kriegsherbst 1944 verloren.
Immerhin gelangen ihm mit nur einem Arm diverse Erfolge wie beispielsweise Klassensiege beim Marathon de la Route 1968 und 1969 über 84 Stunden rund um den Ring oder auch bei den 24 Stunden an gleicher Stelle. Und wenn mich nicht alles täuscht, meine ich zu erinnern, dass er zumindest am Lenkrad des Mercedes einen Drehknauf angebracht hatte. Damit konnte man auch mit einer Hand flugs mehrere Lenkrad-Umdrehungen erledigen.
Nach seiner aktiven Zeit stellte sich Hennerici in den Dienst seines Heimatclubs AC Mayen, der am Ring als Veranstalter vieler Events auftrat. So sah man den treuen Funktionär über Jahre als Chef der Startaufstellungen durch die Reihen in Richtung Ende des Feldes hasten und dabei im Vorbeihuschen auch Korrekturen in der Aufstellung zu veranlassen.
Am Ende des oft riesigen Feldes atemlos angekommen, hob er den rechten Arm und signalisierte dem Rennleiter so die Startfreigabe. Seine Sprints durchs Feld mit der Startaufstellung in der Hand wurden im Laufe der Zeit zur Kult-Handlung. 1987 sah man ihn am Ring zum letzten Mal – in der Silvesternacht zu 1988 ist der «Startaufstellungs-General» verstorben. Er wurde 63 Jahre alt.
Sein Enkel Marc (42) und Ur-Enkel Robin lassen den Namen Hennerici im Motorsport weiterleben. Marc kann auf eine ansehnliche Erfolgsbilanz als Tourenwagen- und GT-Pilot in EM- und WM-Serien zurückblicken. Nach seiner aktiven Zeit übernahm als Abteilungsleiter die motorsportlichen Geschicke des ADAC Mittelrhein.
Aktuell ist er wieder zu seinem Heimatclub «AC Mayen 1927» zurückgekehrt und verstärkt dort den Vorstand des fast 100 Jahre alten Traditionsclubs. Und der kleine Robin Hennerici ist als Kart-Nachwuchsfahrer schon im Förderkader des ADAC Nordrhein gelandet.