Was bleibt von der Tourist Trophy 2023 in Erinnerung?
Selten war das Wetter bei der Tourist Trophy so gut wie in diesem Jahr. Während der Trainings- und Rennwoche blieb der Regen aus, der in der Vergangenheit so oft für Verzögerungen und Absagen gesorgt hatte. Nur an einem Tag musste die Startzeiten der Rennen nach hinten verschoben werden, weil tiefhängende Wolken die Sicht auf der Mountain Mile erheblich beeinträchtigt hatten.
Die Rennfahrer zeigten sich ob dieser hervorragenden Bedingungen von ihrer besten Seite. Bereits im Training wurde der eine oder andere Rekord gebrochen und an den Renntagen ging es munter weiter. Ben und Tom Birchall pulverisierten bei den Gespannen ihren eigenen Rundenrekord, Michael Dunlop stand ihnen bei den Supersportlern um nichts nach und Peter Hickman sorgte dafür, dass jetzt nicht mehr der Dundrod Circuit, sondern der Snaefell Mountain Course der schnellste Straßenkurs der Welt ist. Der Rundenschnitt liegt nun bei unfassbaren 136,358 Meilen pro Stunde (=219,447 km/h)!
Auch unsere einzigen deutschsprachigen Teilnehmer, der Österreicher Julian Trummer und der Deutsche David Datzer, gingen mit ihren Leistungen in die Geschichtsbücher der Tourist Trophy ein. Trummer ist jetzt der schnellste Rennfahrer, dessen Muttersprache nicht Englisch ist, und ein von einer Erkältung geschwächter Datzer löste Rico Penzkofer als schnellsten Deutschen bei der TT ab.
Aber nicht nur das hervorragende Wetter, auch eine an einigen Stellen verbesserte Strecke zeichnete für die Verbesserung der Rekorde verantwortlich. So bekamen einige Abschnitte aus Sicherheitsgründen eine neue Asphaltdecke, auch Kurvenradien wurden verändert, außerdem durften dieses Jahr in den Klassen Supersport und Superstock Slicks verwendet werden. Auf der langen Sulby-Geraden wurde von Hickman und Dunlop zum ersten Mal die 200-mph-Barriere durchbrochen. 202,193 mph oder 325,398 km/h lautet nun die neue Bestmarke von Hickman.
Es hat nicht viel gefehlt und Michael Dunlop hätte bereits dieses Jahr den Rekord an Siegen seines berühmten Onkels Joey Dunlop eingestellt. Nach Siegen in den Klassen Superbike, Supertwin und Supersport (2x) war er im zweiten Supertwin-Rennen auf dem besten Weg, ein weiteres Mal zu triumphieren, wurde allerdings von der Technik im Stich gelassen. Wenn man aber bedenkt, dass Joey Dunlop bei seinen letzten TT-Siegen bereits 48 Jahre alt war und sein Neffe Michael erst 34 Lenze zählt, scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, wann es in der Familie Dunlop zur Wachablöse kommen wird.
Bemerkenswertes Detail am Rande: Wie schon im Vorjahr gab es nur Siege von Dunlop, Hickman und den Birchall-Brüdern. Sie sind derzeit in ihren Klassen das Maß aller Dinge. Ihre Vorherrschaft könnte noch einige Jahre andauern, auch wenn sich mit Davey Todd – er wurde von einem Virus eingebremst –, Mike Browne, Pete Founds/Jevan Walmsley oder Ryan und Callum Crowe einige Fahrer mit ihren Leistungen in den Vordergrund schieben konnten. Sollten sich die arrivierten Stars in Zukunft aber Fehler erlauben oder ihre Technik nicht mitspielen, werden sie da sein, um in die Presche zu springen.
Das 100-Jahr-Jubiläum der Tourist Trophy im Jahr 2007 nutzte der leider schon verstorbene Deutsche Thomas Schönfelder, um seine Sabine auf der Isle of Man zu ehelichen. Unmittelbar nach dem zweiten Seitenwagen-Rennen fiel der Brite Alan Founds auf sein Knie und hielt um die Hand seiner Angebeteten an. Er zauberte dafür aber keinen funkelnden Verlobungsring aus dem Lederdress, sondern einen Lollipop, den er die drei Runden als Glücksbringer mit sich geführt hatte.
Michael «Jack Russell» hatte sich für die diesjährige TT viel vorgenommen. Der Brite wollte in allen Rennen die Zielflagge sehen. Wahrlich keine leichte Aufgabe bei immerhin acht Solo- und zwei-Seitenwagen-Rennen. Ganz ließ sich das ehrgeizige Vorhaben von ihm nicht in die Tat umsetzen. Am Mittwoch musste er beide Rennen wegen technischer Defekte vorzeitig beenden.
Im letzten Jahr legte sich ein bleierner Schatten über die Tourist Trophy. Gleich sechs Fahrer mussten ihre Leidenschaft mit dem Leben bezahlen. Dieses Jahr ereigneten sich nur wenige Unfälle, einer davon endete allerdings tödlich. Der Spanier Raúl Torras Martinez überlebte seine fünfte Teilnahme an der TT nicht. Er stürzte im ersten Supertwin-Rennen und zog sich dabei so schwere Verletzungen zu, dass die Ärzte sein Leben nicht retten konnten.