Das KTM-Duell Roczen gegen Dungey: Hart, aber fair!
«Großes Kino» in Glen Helen: Die Attribute für das Eröffnungsrennen der Lucas Oil Pro Motocross Championship 2014 in Glen Helen könnten aus einem Hollywood-Drehbuch stammen:
Legendär, spektakulär, packend, dramatisch, tragisch, spannend und mitreissend bis zur letzten Sekunde!
So ist Rennsport! Das ist Motocross-Sport in seiner Essenz!
40 Fahrer am Start bei einem unvorhersehbaren Rennergebnis! Einen Überraschungssieger bei den 250ern: Jeremy Martin. Der Sieg des Lokalmatadors Joshua Grant im ersten Lauf, der im zweiten Rennen tragisch scheiterte. Hoffnungen von Christophe Pourcel nach überlegenen Trainingszeiten, die wie Seifenblasen im heissen Wind der Hügel von San Bernardino zerplatzten! Die lang erwartete Rückkehr des früheren Roczen-Rivalen Marvin Musquin, die mit einer ausgekugelten Schulter begann und durch viel Kampfgeist mit einem respektablen Ergebnis auf Rang 8 endete.
Kaum vorstellbar, diese Dramatik überhaupt noch zu überbieten.
Doch es kam anders!
Erst durch Ken Roczen wurde das Rennen zur Sternstunde des Sports! Bei seinem Debüt in der 450er Klasse war er der Mann der Stunde: Unerbittlicher Angriff auf Sieger Grant im ersten Lauf! Bis auf den letzten Meter kämpfte er zäh mit immer wieder wechselnden Linien. Führung im zweiten Lauf, bis zum Ende Rad an Rad mit Dungey! Beide KTM-Piloten überholten sich zuvor mehrfach gegenseitig und schenkten sich keinen Zentimenter! Keine Stallorder, kein Taktieren im Rennen! Sie attackierten, als gäbe es kein morgen! Dass Dungey und Roczen «Teamplayer» sind, bewiesen sie erst nach dem Rennen!
Den Zuschauern stockte der Atem, als Roczens Teamkollege Ryan Dungey wenige Meter vor dem Ziel am Deutschen vorbeiging. Bis zum Schluss hatte Dungey in beiden Läufen keine einzige Führungsrunde für sich verbuchen können! Aber am Ende holte er die alles entscheidende Runde, die ihm den Tagessieg und das «Red Plate» des Meisterschaftsführenden einbrachte!
Das Manöver von Dungey gegen Roczen war hart, aber fair! Und so geht das Ergebnis am Ende des Tages völlig in Ordnung, denn auch Dungeys Leistung war fulminant: Er ist strategisch intelligent gefahren mit der nötigen Härte im entscheidenden Moment. Das ist die Größe eines Champions!
Die Enttäuschung von Ken Roczen ist mehr als verständlich. Aber wen hat er hinter sich gelassen? Legenden wie James Stewart (6.) oder Chad Reed (10.) beim Debüt zu bezwingen, ist alles andere, als eine «normale» Leistung!
Was macht den Glen Helen Raceway in San Bernardino so besonders, so legendär?
Die südkalifornische Motocross-Strecke hat zwar Tradition, ist aber jünger, als man vermutet. Der Glen Helen Raceway besteht in seiner heutigen Form erst seit 1986.
Der Kurs ist berühmt für seine langgezogenen Steilhänge, die sandigen Passagen und die großen Namen der Sieger. Heute würde man sagen: «Old-School»-Strecke: In die Natur eingebettet mit einer langen, bergauf führenden Startgeraden, unter der die Erde bebt, wenn 40 Piloten mit Vollgas auf die erste Steilkurve zusteuern.
Ich mag diese Strecke ohne übermäßig gekünstelte Sprung- und Rhythmuspassagen. Der Schwierigkeitsgrad wird hauptsächlich durch die örtlichen Gegebenheiten vorgegeben und ist ohne Zweifel hoch! Die Strecke von Glen Helen ist «natürlich» spektakulär, weil sie einen ganz eigenen, unverwechselbaren Charme hat. Ich habe den Eindruck, dass «Unverwechselbarkeit» ein wichtiger Faktor ist, der die Strecke von Glen Helen zu Ruhm und Ehre führte.
Nach dem 24. Mai 2014 geht die Geschichte von Glen Helen weiter. Das Rennen war wieder ein Stück Legendenbildung. Zu Recht!