Formel-1-ABC, Teil 3: Von Kerbs bis Qualifying
Ein Streckenposten zeigt die gelbe Flagge
Der bisherige Formel-1-CEO Chase Carey und sein Nachfolger Stefano Domenicali wollen die Königsklasse einem breiteren Publikum zugänglich machen. Um das zu erreichen, müssen die Zuschauer den Sport verstehen, und da werden wir bei manchen Fernsehübertragungen ein wenig alleine gelassen. Denn viel zu selten werden die Fachbegriffe der grössten Show der Welt erklärt.
Zwischen den WM-Läufen von Sotschi und vom Nürburgring nutzen wir die Atempause, um unsere Kenntnisse auf den jüngsten Stand zu bringen. Im ersten Teil ging es von A bis D, von Abbau bis DRS (drag reduction system), im zweiten Teil haben wir uns um E bis I gekümmert, von der ECU (electronic control unit) bis zu Intermediate-Reifen. Nun geht es um die Begriffe von K bis Q.
Kerb
Englisch für Bordkante: Die unterschiedlich bemalten Randsteine zwischen asphaltiertem Teil der Rennstrecke und einer Auslaufzone, einem Kiesbett oder einer Rasenfläche.
KERS
Steht für kinetisches Energierückgewinnungs-System. 2009 führte die Formel 1 diese erste Version einer Hybridlösung ein, damals wurde nur an der Kurbelwelle beim Bremsen Energie gesammelt. Die Zusatzleistung war bescheiden: 80 PS für 6,6 Sekunden. 2010 war KERS wieder verschwunden, zu schwer, zu kompliziert. Mit der Einführung neuer Antriebseinheiten 2014 kam die heutige Mehrfach-Energierückgewinnung, sie ist doppelt so leistungsstark. ERS (energy recovery system), besteht aus zwei Systemen: Ein ERS-K genanntes System zur Rückgewinnung kinetischer Energie beim Bremsen, mit Hilfe des elektrischen Generators (s.) MGU-K (motor generator unit kinetic), und ein ERS-H genanntes System für die Rückgewinnung von Energie aus dem Abgasstrom mit dem Generator (s.) MGU-H (motor generator unit heat). Die elektrische Spannung ist auf 1000 Volt beschränkt. Die Energierückgewinnung erzeugt für einen Zeitraum von 33 Sekunden eine Leistung von bis zu 160 PS.
Kiesbett
Eine mit Steinchen gefüllte Auslaufzone, in welcher ein vom Weg abgekommener Rennwagen verzögert werden soll. Viele Kiesbetten sind im Laufe der Jahre durch Asphaltflächen ersetzt worden.
Kohlefaser
Extrem leichter, sehr belastbarer Verbundstoff. Kohlefaser stammt aus der Raumfahrt und ist heute aus dem Rennwagenbau nicht mehr wegzudenken, angefangen bei der Fahrerzelle, dem (s.) Monocoque.
Liberty Media
Der langjährige Serien-Promoter Bernie Ecclestone verkaufte jahrelang Anteile an den kommerziellen Rechten der Formel 1 an verschiedene Investoren, darunter Investmentfirmen und Banken. Im September 2016 erwarb das US-amerikanische Medienunternehmen «Liberty Media Corporation» des US-amerikanischen Unternehmers John Malone für 1,1 Milliarden Dollar jene 18,7 Prozent Anteile an der «Formula One Group», die von den Investoren von CVC Capital gehalten wurden. Liberty Media, 1991 vom Unternehmer John Malone gegründet, beschäftigt 4500 Menschen und setzt im Jahr rund 8 Milliarden Dollar um. Im Januar 2017 schluckte Liberty Media die F1-Gruppe vollständig, für 4,4 Milliarden Dollar, dazu übernahm Liberty Verbindlichkeiten in Höhe von 4,1 Milliarden Dollar. Bernie Ecclestone als Geschäftsleiter musste gehen, sein Nachfolger als Formel-1-CEO wurde Chase Carey. Ab 1. Januar 2021 tritt Carey ab, seinen Posten übernimmt der frühere Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali.
Linksbremsen
In den 90er Jahren wurde in der Formel 1 begonnen, auf das Kupplungspedal zu verzichten und durch eine Klappe hinter dem Lenkrad zu ersetzen. Die Fahrer hatten nun eine bessere Möglichkeit, mit dem rechten Fuss Gas zu geben und den linken Fuss ausschliesslich für die Bremse zu benutzen, zum Verzögern des Autos oder Stabilisieren des Fahrzeugs.
Lock-up
Englischer Begriff für das Blockieren eines Rads in der Bremszone. Rauchende Reifen und eine so genannte Bremsplatte sind meist die Folge, der Reifen schmirgelt sich auf dem Asphalt ab.
Lollipop
Eigentlich ein Lutscher, in der Formel 1 jedoch jene Stange, mit welcher ein Fahrer beim Boxenstopp Anweisungen erhält. Auf der einen Seite des Lollipops steht in der Regel «Brakes on» (bremsen), so lange der Wagen steht, und «1st gear» (erster Gang) fürs Losfahren. In den letzten Jahren sind die Stangen mehr und mehr durch Ampelsysteme ersetzt worden.
Marbles
Englisch für Murmeln: Abseits der Ideallinie sammeln sich kleine Gummistückchen an, die von den Rennreifen abgeschmirgelt wurden. Dieser Teil der Piste bietet sehr schlechte Haftung.
Marshal
Englischer Begriff für Streckenposten. Sie zeigen nicht nur Flaggensignale, sondern räumen auch Autos und Trümmerteile von der Bahn. Sie arbeiten oft ehrenamtlich.
MGU-H
Steht für: motor generator unit heat, das ist jener elektrische Generator, der Energie am Turbolader sammelt und auch dazu verwendet werden kann, den Lader auf Drehzahl zu halten. Dies ist wichtig, um das Ansprechverhalten des Turbomotors bei niedriger Drehzahl zu verbessern. Das so genannte Turboloch wird so geschlossen.
MGU-K
Steht für: motor generator unit kinetic. Dieser Generator verwandelt kinetische Energie, die beim Bremsen gesammelt wird in elektrische Energie, die in Form von rund 160 zusätzlichen PS wieder abgerufen werden kann.
Monocoque
Französisch, wörtlich: Einkörperschiff. In der Formel 1 beschreibt der Begriff die Fahrerzelle, die aus (s.) Kohlefaser herstellt ist.
Monoposto
Italienisch für Einsitzer. Als Monoposto wird ein offener Rennwagen mit freistehenden Rädern bezeichnet.
Motorhome
Rollende Paläste, die in der Formel 1 als Gästebereiche dienen, für Team-Mitglieder Ruheräume sowie Büros bieten und ich welchen sich die Mechaniker in der Regel verpflegen. Hier werden oft auch Pressekonferenzen veranstaltet.
Muletto
Italienisch, eigentlich Gabelstapler. In der Formel 1 verwendet für den Ersatzwagen.
Nomex
Auch wenn Feuer nicht mehr die grösste Gefahr im Motorsport ist, so schützt sich der Fahrer doch mit einer kompletten Garnitur – Unterwäsche (mit langen Beinen und langen Ärmeln), Haube (Balaclava), Strümpfe, Overall, Handschuhe, alles aus Nomex. Diese Faser wurde in den 60er Jahren vom US-amerikanischen Hersteller DuPont entwickelt, ursprünglich für Feuerwehrmänner. Eine F1-Komplettausrüstung soll den Fahrer mehr als zehn Sekunden lang vor Feuer schützen.
Option tire
In jedem Rennen müssen zwei Reifenmischungen mindestens je einmal verwendet werden. Als «option» wird die jeweils weniger geeignete Mischung bezeichnet, als (s.) «prime» die besser geeignete (in Bezug auf Mischung und Haltbarkeit).
Overcut
Wörtlich überschneiden. Ein Rennfahrer bleibt in der Phase der Boxenstopps länger auf der Bahn als ein direkter Gegner und hofft, in dieser Zeit so schnelle Rundenzeiten zu fahren, dass er später – nach eigenem Reifenwechsel – vor seinem Rivalen liegt. Das Gegenteil ist der «undercut» (Unterschneiden).
Oversteering
Englisch für Übersteuern – das Heck des Wagens neigt in der Kurve zum Ausbrechen, er rutscht also zu stark über die Hinterachse.
On-Board-Kamera
Eine Bordkamera, die am Rennwagen angebracht ist, um möglichst spektakuläre Bilder von der Strecke zu liefern.
Paddock
Ein weiterer Begriff, der aus der Pferdesprache den Weg in den Motorsport gefunden hat (wie Box oder Pole-Position). Denn «paddock» bedeutet eigentlich Pferdekoppel. Bei den Motorsportlern ist der Paddock das Fahrerlager, der Bereich hinter der Boxengasse, in welcher sich die Lastwagen und (s.) Motorhomes der Rennställe befinden.
Parc fermé
Französisch für «geschlossener Park»: Hier stellen die Piloten nach einem Qualifying oder nach einem Rennen ihre Rennwagen hin, Team-Mitglieder dürfen sie nur noch unter strenger Aufsicht der Rennoffiziellen berühren.
Pit-Lane
Englisches Wort für Boxengasse: Der Bereich entlang der Start/Ziel-Geraden, an welcher die Boxen der Rennställe liegen. In der Regel gilt hier ein Tempolimit von 80 km/h. Auf bestimmten Pisten (Monaco, Sotschi) kann es aus Sicherheitsgründen auf 60 km/h gesenkt werden.
Pit-Stop
Englisches Wort für Boxenstopp: Der Fahrer hält im Rennen an, um Reifen wechseln zu lassen oder ein Problem zu beheben (etwa Auswechseln eines Frontflügels).
Pole-Position
Die Position am Pfosten bezeichnet den Platz des Trainingsschnellsten, der aufgrund des Ergebnisses im (s.) Qualifying ganz vorne ins Rennen gehen darf. Hier wartete einst das bestplatzierte Pferd.
Power-Unit
Englisch für Antriebseinheit. So wird seit Anfang 2014 ein moderner Formel-1-Motor bezeichnet, bestehend aus aus Verbrennungsmotor, Turbolader, Mehrfach-Energierückgewinnung, Batterie und Motorelektronik.
Prime tire
In jedem Rennen müssen zwei Reifenmischungen mindestens je einmal verwendet werden. Als (s.) «option» wird die jeweils weniger geeignete Mischung bezeichnet, als «prime» die besser geeignete (in Bezug auf Mischung und Haltbarkeit).
Prüfstand
Entweder für den Motor oder das komplette Auto: Hier werden Antriebseinheiten (mit oder ohne Getriebe) oder Fahrwerke komplexen Simulationen unterzogen. Das Auto steht dabei auf einem so genannten «seven post rig». Die Siebenstempel-Anlage ist ein (s.) Prüfstand fürs Fahrwerk, der mit Daten von der Rennstrecke gefüttert wird. Die Daten werden auf Stossdämpfer übertragen und schütteln den Wagen durch, als würde er tatsächlich auf einer Strecke fahren. Ähnliches gilt für den Motorprüfstand: Auch hier können komplette Trainings und Rennen simuliert werden.
Qualifying
Die Qualifikation ist das Abschlusstraining: Das letzte Training, das definiert, wie die Startaufstellung aussieht. Wird derzeit in der Formel 1 bei 20 Autos in drei Segmenten gefahren, nach den ersten 18 Minuten scheiden die fünf langsamsten Fahrer aus (Q1), nach weiteren 15 Minuten erneut fünf (Q2). Die besten Zehn fahren dann in Q3 um die Pole-Position.
Lesen Sie am 3. Oktober im vierten und letzten Teil unseres Formel-1-ABC: Rennbegriffe von R bis Z.