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Oliver Bearman: Wie gut ist Ferrari-Junior wirklich?

Von Mathias Brunner
Oliver Bearman

Oliver Bearman

​In Silverstone ist am 4. Juli bestätigt worden: Ferrari-Zögling Oliver Bearman wird ab 2025 bei Haas Stammfahrer. Wie gut ist der 19-jährige Engländer wirklich? Was Statistik und Wegbegleiter sagen.

Ein weiteres Puzzle-Teilchen liegt am richtigen Ort. Wie SPEEDWEEK.com schon am Österreich-GP-Wochenende angekündigt hatte, ist am 4. Juli bestätigt worden – Ferrari-Junior Oliver Bearman sitzt ab 2025 für mehrere Jahre im Rennwagen von Haas.

Der Brite sprang im vergangenen März als 18-Jähriger bei Ferrari ein für Carlos Sainz, der sich einer Blinddarm-Op unterziehen musste. Bearman errang den elften Startplatz und wurde hervorragender Siebter.

Unsere Statistik weiter unten zeigt: Das ist das beste Debüt eines neuen Formel-1-Fahrers seit fast zehn Jahren, als der Brasilianer Felipe Nasr in Australien mit Sauber Fünfter wurde.

Bearman wurde mit seinem Einsatz auf dem tückischen Strassenkurs von Jeddah zum jüngsten Werksfahrer von Ferrari, er löste Ricardo Rodríguez ab, der 1961 als 19-Jähriger für die Italiener gefahren ist.

Bearman ist der jüngste britische Fahrer in der Formel-1-Historie und der drittjüngste Grand-Prix-Pilot nach Max Verstappen und Lance Stroll. Und er wurde zum drittjüngsten Punktesammler hinter dem Niederländer und dem Kanadier.

Punkte gleich im ersten Rennen, das haben in den vergangenen 30 Jahren nur 21 Fahrer geschafft.

1996: Jacques Villeneuve (CDN), Melbourne, 2.
1999: Pedro de la Rosa (E), Melbourne, 6.
2001: Kimi Räikkönen (FIN), Melbourne, 6.
2002: Mark Webber (AUS), Melbourne, 5.
2004: Timo Glock (D), Montreal, 7.
2005: Tonio Liuzzi (I), Imola, 8.
2006: Nico Rosberg (D), Bahrain, 7.
2007: Lewis Hamilton (GB), Melbourne, 3.
2007: Sebastian Vettel (D), Indianapolis, 8.
2008: Sébastien Bourdais (F), Melbourne, 7.
2009: Sébastian Buemi (CH), Melbourne, 7.
2011: Paul Di Resta (GB), Melbourne, 10.
2014: Kevin Magnussen (DK), Melbourne, 2.
2014: Daniil Kvyat (RU), Melbourne, 9.
2015: Felipe Nasr (BR), Melbourne, 5.
2015: Carlos Sainz (E), Melbourne, 9.
2016: Stoffel Vandoorne (B), Bahrain, 10.
2021: Yuki Tsunoda (J), Bahrain, 9.
2022: Guanyu Zhou (RCH), Bahrain, 10.
2022: Nyck de Vries (NL), Monza, 9.
2023: Oliver Bearman (GB), Jeddah, 7.

Nur drei Fahrer schafften es in den letzten 30 Jahren gleich aufs Siegerpodest – Williams-Pilot Villeneuve in Australien 1996 (der Kanadier führte sogar lange) als Zweiter, der damalige McLaren-Neuling Hamilton in Australien 2007 als Dritter sowie McLaren-Fahrer Magnussen, der 2014 von der Disqualifikation Daniel Ricciardos profitierte und als Zweiter klassiert wurde.

Ebenfalls interessant: Einen Grand Prix in der ersten Saison haben in 68 Jahren lediglich neun Fahrer gewonnen.

1950: Giuseppe Farina (3)
1950: Juan Manuel Fangio (3)
1961: Giancarlo Baghetti (1)
1965: Jackie Stewart (1)
1970: Clay Regazzoni (1)
1970: Emerson Fittipaldi (1)
1996: Jacques Villeneuve (4)
2001: Juan Pablo Montoya (1)
2007: Lewis Hamilton (4)

Kurioses Detail: Die drei Ferrari-Debütanten in der Formel 1 vor Bearman haben ebenfalls auf Anhieb gepunktet – Clay Regazzoni 1970, Ignzio Giunti 1970 und Arturo Merzario 1972.

Das sagen die Ingenieure

Die Vollgasbranche ist sich einig: Ferrari-Teenager Oliver Bearman hat in Saudi-Arabien ein grandioses Debüt gezeigt. Aber wie stufen seine Ferrari-Ingenieure diese Leistung ein? Matteo Togninalli, leitender Ingenieur am GP-Schauplatz, sagte über den Einstand des damals 18-Jährigen: «Oliver musste in sehr kurzer Zeit sehr viele Informationen verarbeiten. Er sprang ja erst im dritten Training ins Auto, bevor es schon in die Qualifikation ging.»

«In solch einer Situation muss das Team versuchen, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Das bedeutet: Wie hole ich in der Quali am meisten Speed aus Fahrer und Wagen? Wie teilt der Pilot das Tempo im Rennen am besten ein?»

«Oliver wurde ins kalte Wasser geworfen, er hatte noch nie einen GP-Start absolviert, er hatte noch nie im Rennen einen Reifenwechsel gemacht. Wir haben auf zu umfassende Informationen verzichtet, damit er sich nicht in Details verliert.»

Der Italiener weiter: «Oliver hatte den 2024er Wagen noch keinen Meter bewegt. Zudem ist die Umstellung von der Formel 2 zur Formel 1 erheblich, angefangen bei der höheren körperlichen Belastung. Was wir auch nicht vergessen dürfen – die mentale Seite. Auf einmal findet sich Oliver im Feld mit den weltbesten Einsitzerpiloten wieder, jede seiner Bewegungen wird von den Medien verfolgt.»

«Wir machten ihm klar: Du musst hier niemandem etwas beweisen, gehe das gemächlich an. Der Grand Prix ist länger als ein Formel-2-Rennen. Oliver war nach dem Fallen der Zielflagge müde, aber er hat das körperlich alles in allem gut verdaut.»

«Wir bilden Oliver seit 2022 aus, und in Saudi-Arabien hat sich gezeigt, dass sich diese Ausbildung bezahlt macht. Bearman saß 2023 vierzig Tage in Rennsimulator, das hat enorm geholfen. Im Oktober hat er in Fiorano getestet, da spulte er 500 Kilometer ab.»

«Am GP-Wochenende von Mexiko hat er für uns das Freitagtraining bestritten, in Abu Dhabi saß er im Haas-Rennwagen. Er bestritt auch den Nachsaisontest mit Haas. Darüber hinaus spendierten wir ihm im Winter einen Testtag in Barcelona. All das sollte ihn in einem GP-Renner auf Speed bringen. Und in Jeddah war er sofort auf Tempo.»

«Als Ollie für uns im Oktober 2023 in Fiorano gefahren ist, standen auch seine Mutter und sein Vater in der Box. Neue Strecke, neues Auto, und in der dritten Runde fuhr er konkurrenzfähige Zeiten. Das nenne ich Talent.»

«Oliver ist immer sehr ruhig und extrem konzentriert, selbst unter erheblichem Druck gerät er keinen Moment in Panik. Das sehe ich bei ihm abgesehen von der natürlichen Begabung mit viel Speed als herausragende Eigenschaft. Er hat eine große Zukunft vor sich.»

Der langjährige Renningenieur Jock Clear ist Fahrlehrer aller Ferrari-Piloten, von den Stammfahrern bis zu den Absolventen der Fahrer-Akadamie. Der Engländer sagt: «Wir sind sehr stolz auf Oliver, wie er seine Aufgabe in Jeddah gelöst hat. Wir hätten uns keine bessere Leistung wünschen können.»

«Wir haben sehr früh bei Oliver Bearman erkannt, dass er für sein Alter sehr reif ist, ein sehr überlegt handelnder Rennfahrer. Seine Stärke ist, wie er unter Druck arbeitet. Solch eine Reife mit 18 Jahren ist verblüffend. In der Formel 1 macht nicht Speed den Unterschied, schnell sind die alle, sondern es ist die Intelligenz des Piloten. Ollie hat die geistige Bandbreite, um sehr viele Informationen in aller Ruhe zu verarbeiten.»

«Bei Oliver hat sich bezahlt gemacht, dass wir ihn mehrere Tage lang im Formel-1-Auto hatten. Auf diese Weise hatte er Basis-Arbeit wie etwa den Umgang mit dem Lenkrad, bereits verinnerlicht und konnte sich auf Anderes konzentrieren.»

«Was mich bei ihm überrascht hat in Jeddah – er hat unsere Erwartungen übertroffen. Am meisten von den Socken war ich über die letzten zehn Runden des Grand Prix, als Bearman von Norris und Hamilton gejagt wurde. Er hat sich keinen einzigen Fehler erlaubt und diesen siebten Platz nach Hause gefahren. In der vorletzten Runde hat er seine persönliche Bestzeit gefahren.»

Als Renningenieur hat Riccardo Adami den jungen Bearman betreut: «Wir haben versucht, einen Schritt nach dem anderen zu tun. Start, Reifenwechsel, Umgang im Verkehr, das alles musste Oliver lernen in sehr kurzer Zeit; und wir haben versucht, ihm viele Informationen zu vermitteln, aber ihn nicht zu überhäufen.»

«Im Rennen haben wir die Balance angestrebt zwischen Information und Unterstützung. Ich bin einer, der am Funk sehr ruhig bleibt, das soll sich auf den Piloten auswirken.»

«Sein Feedback war umfassend und fundiert. Aber gemessen an der Arbeit mit Carlos musste ich einen Schritt zurück tun, weil Oliver nicht die Erfahrung von Sainz hat. Es machte Freude, ihm bei der Arbeit zuzusehen, sein Speed und seine Reife waren wirklich verblüffend.»

«Oliver ist ein Schnelllerner. Es gab einen Zeitpunkt im Rennen, da war der Funkknopf blockiert, aber wir haben noch einen zweiten, den wir notfalls nutzen können. Wir hatten das im Briefing kurz erwähnt, und Oliver hat, nachdem er gemerkt hat, dass mit dem ersten Knopf etwas nicht stimmt, diese Information sofort umgesetzt und den anderen benutzt. Noch bevor wir ihn darauf aufmerksam gemacht haben.»

«Das zeigt – er ist wie ein Schwamm, der Informationen aufsaugt. Und dann ist er in der Lage, im entscheidenden Moment aus einer bestimmten Information heraus das Richtige zu tun. Oliver ist auf einem guten Weg.»

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