24h Le Mans: Menschen, Fakten und Gerüchte
Lokalheld Ben Treluyer
Benoit Treluyer, Audi – Pilot mit drei Gesamtsiegen aus den Jahren 2011, 2012 und 2014, möchte in diesem Jahr mit Henri Pescarolo und Yannik Dalmas gleich ziehen: Ziel ist ein vierter Sieg, wie seine zwei Vorbilder. Das wird nicht einfach sein bei der Porsche- Tempoübermacht. Pescarolo: «Ich habe ihm gesagt, er soll sich nicht unter Druck setzen. Aber ich gönne ihm, dass er mit mir gleichzieht». Dalmas: «Er sollte nur nicht an einen Sieg denken, müsste sich darauf beschränken, konzentriert zu bleiben und seinen Job zu tun».
Patrick Dempsey, Filmheld, hat sich in diesem Jahr eine Auszeit von Hollywood & Co. genommen: statt Schauspielerei gibt er sich die acht Rennen der Langstrecken – Weltmeisterschaft in einem Porsche GT. Bei seinem vierten Start in Le Mans – sechs Jahre nach seinem ersten, höchst spektakulären Rennen 2009, als er auf einem Ferrari F430 GT als 30. im Gesamt einkam und 180 000 Euro Spendengeld für herzkranke Kinder generierte – wird er den Porsche 911 RSR mit der Nr. 77 zusammen mit Patrick Long und Marco Seefried pilotieren. Nebenbei erwarb der Amerikaner auch die Filmrechte des Buches «Life and Death in Formula One’s Most Dangerous Area» von Michael Cannell, dessen Aktionen sich anno 1961 abspielen, als Phil Hill Ferrari- Weltmeister wurde.
Training wird bei den Le Mans-Piloten auch ausserhalb der Rennautos ganz gross geschrieben, wenn auch nicht vergleichbar mit den Intensiv-Kuren bei den Formel 1- Stars. So treten Stéphane Sarrazin und Alexander Wurz (Toyota) kräftig in Fahrrad-Pedale, während Porsche-Mann Romain Dumas Laufschuhe präferiert und unlängst den Paris-Marathon in 3 h 14 min absolvierte. Loic Duval und Filipe Albuquerque (Audi) hören nie auf, Sport zu treiben- alle Arten: Laufen, Rad und Schwimmen, wobei Filipe täglich entweder 10 – 15 Kilometer läuft, zwei Kilometer schwimmt oder 30 km radelt. Neel Jani (Porsche) rennt nicht gerne, bevorzugt Radtouren über 100 km in Mittagshitze, um sich an die Glut im 919 zu gewöhnen. André Lotterer (Audi) fährt Cross-Ski im Winter und rudert im Sommer, sein Co Marcel Fässler liebt Schneeschuhe im Winter, Kajak und Mountain-Bike im Sommer. Und er hat eine Weisheit parat: «es ist nicht ideal, sich vor Le Mans von Hamburgern zu ernähren».
BMW und McLaren scheinen mit dem Gedanken zu spielen, möglicherweise wieder nach Le Mans zurückzukommen. McLaren-Werksfahrer Kevin Estre, der hier im OAK- Team einen Ligier JSP2 mit Honda-HPD-Motor in der LMP2 fährt, spricht von einem möglichen GTE-Projekt, das zwischenzeitlich wohl ein wenig auf Eis liegt. Nach dem seit zwei Jahren herrschenden BMW-Desaster in der DTM, der einzigen, mageren Sport-Manifestation der Weißblauen, scheint der Vorstand durchaus geneigt, zumindest einen GT- Einsatz ins Auge zu fassen. Auch ein Sport-Prototyp ist, in Erinnerung an schwierige BMW-Sportwagen-Zeiten in der 2-Liter-Klasse (Hubert Hahne & Co), vorstellbar.
Kazuki Nakajima hätte man in Le Mans eigentlich gar nicht erwarten dürfen: noch am 30. April war er bei der Qualifikation in Spa in seinem TS040 mit dem Audi von Oliver Jarvis kollidiert. Ärzte und Physiotherapeuten brachten den 30 jährigen Japaner, der 36 Grand Prix für Williams bestritten hatte, für Le Mans in Form. «Ich wollte unbedingt antreten, nachdem ich 2012 und 2014 ausgefallen war und 2013 gerade mal Vierter wurde». 2014 hatte er zwar als erster Japaner die Pole auf dem Sarthe-Kurs gefahren, aber jetzt will er mehr: «Ich will für Toyota siegen». Die Sterne dafür scheinen ihm günstig zu stehen: Vor 30 Jahren dröhnte ein erster Toyota hier über die Piste. Am Steuer saß 1985 ein gewisser Satoru Nakajima, der Vater des Kazuki, heute eine Legende in Japan.
Lauda heißt der Mann, nicht Niki, nur Mathias. Und 34 Jahre ist er alt, keine 66 wie sein Daddy. Aber der ist ja nie in Le Mans angetreten, hasst Langstrecken-Rennen. «Ich bin der erste Lauda bei den 24 Stunden. Dem Vater gefällt es, dass ich hier fahre. Aber kommen wird er kaum». Mathias treibt einen Aston Martin Vantage V8, zusammen mit dem erfahrenen Pedro Lamy (15 Le Mans Teilnahmen seit 1997) und dem Kanadier Paul Dalla Lana ( Zweimal Le Mans). Sie haben gemeinsam schon bei den zwei letzten WEC-Rennen in Silverstone und in Spa zwei LM GTE- Klassensiege eingefahren. Mathias, zuversichtlich: «Ich lerne und lerne, denn an den Test-Tagen Ende Mai bin ich nur 12 Runden gefahren».
1935 besiegte der Outsider Lagonda die favorisierten Alfa Romeo und Aston Martin, 1955 wurden die ersten aerodynamischen Bremsen benutzt und es ereignete sich der schlimme Unfall, der zum Mercedes Ausstieg aus dem Rennsport führte,1965 besiegte ein privater Ferrari die gesamte Ford- Werksmannschaft, 1975 gab es das erste Rennen mit Verbrauchsindex , 2005 stellte Kristensen einen neuen Rekord in der Anzahl von Le Mans-Siegen auf- zugleich war es der letzte Sieg eines Benzinmotors
120 gute Geister wirbeln rings um die drei LMP 1 von Porsche: Ingenieure, Mechaniker, Manager, Pressebetreuer, Marketing- Menschen und...nicht weniger als 19 Köche. Die Brutzler haben ordentlich eingekauft: 4700 Eier, 420 kg Nudeln, 300 Melonen, 6000 Liter Trinkwasser und 2000 Brote. Nach den Mengenangaben der Küchen-Feinheiten - Wein, Bier, Käse, Tomaten und weitere Delikatessen – fragt ein höflicher Gast natürlich nicht
Spirit of Le Mans heißt ein Preis, den der A.C.O. seit 2001 an internationale Persönlichkeiten verleiht, die sich um den «Geist» des 24h-Rennens besonders verdient gemacht haben. Industrie- Größen wie Ferdinand Piech oder Franz-Josef Paefgen von Audi erhielten ihn, Rennfahrer wie Paul Frère, Derek Bell, Jacky Ickx, Tom Kristensen, Gérard Larrousse und Henri Pescarolo, Manager wie Reinhold Joest und Techniker wie Norbert Singer und Wolfgang Ullrich wurden ausgezeichnet. Sie bekamen jeweils eine Rolex-Uhr. Als in diesem Jahr als erster Japaner Yoshiaki Kinoshita, Generaldirektor von Toyota Technocraft und bis Mai Teampräsident von Toyota Racing, gefeiert wurde, als 29 . der Illustren, flossen bei dem schier Tränen vor Rührung: «Das ist für mich die größte Ehrung in meinem ganzen Leben».