Kraihamer auf der Überholspur: «Kein Marketingtool»
Laura Kraihamer
Die Zahl der Österreicher im Motorsport mit einem Werkfahrervertrag ist ziemlich überschaubar. Richard Lietz und Thomas Preining bei Porsche (da werden auch Klaus Bachler und Martin Ragginger oft werkseitig zugeteilt), Philipp Eng bei BMW, Reinhard Kofler bei KTM. Von den Ex-Piloten ist Karl Wendlinger weiter AMG-Markenbotschafter, Alex Wurz Toyota-Berater.
Österreichs schnellste Dame wird da oft vergessen. Denn Laura Kraihamer hat einen Werkvertrag mit KTM. Reiter Engineering setzt die Autos von True Racing, dem KTM-Werkteam, ein. Die Vorbereitung erfolgt im X-Bow Racing Center in Thalheim bei Wels.
In der DTM Trophy ist die Salzburgerin Einzelkämpferin, in anderen Serien ist sie seit Jahren mit dem Oberösterreicher Reinhard Kofler (der war einmal als Teenager Red-Bull-Junior gemeinsam mit Vettel, Klien…) ein eingespieltes KTM-Werkteam wie z. B. in GT4-Rennen.
«Der Reini bringt so viel Erfahrung mit, ich kann davon enorm profitieren. Denn ich begann ja erst mit 22 Jahren mit dem Autorennsport, sechs Jahre nach dem Ende des Kartfahrens», erzählt die 30-Jährige.
Karting, das war die Zeit im Team des Tennengauers Ernst Penninger (heute Salzburgring-Geschäftsführer), die Laura als «meine Kinderstube» bezeichnet. Und in der es einen 16. WM-Rang, eine österreichische Junioren-Vizemeisterschaft und EM-Erfolge gab.
Und warum die lange Rennpause? «Aus finanziellen Gründen. Ich hatte kein Geld und keine Sponsoren.» Das erste Jahr im «richtigen» Rennsport im Markenpokal X-Bow Battle war «charakterbildend, denn ich bekam ordentlich eine auf die Schnauze. Ich hatte zu viel Selbstbewusstsein.»
Im zweiten Jahr gewann sie die Langstreckenwertung und wurde im Sprint Vize: «Da wurde ich richtig schnell. Dann kam die Chance bei KTM, in der GT4 zu fahren, ich hatte aber noch kein Budget. Ich bekam aber eine Unterstützung von KTM, 2018 wurde ich Werkfahrerin mit 28 Rennwochenenden auf der ganzen Welt.» Mit Einjahresverträgen, die seither immer verlängert wurden – was sie auch für 2022 erhofft.
Ihr nächstes sportliches Ziel ist die Langstrecke, da macht sich der Einfluss des Bruders Dominik (Ex- Pilot in den Prototypenklassen des World Endurance Championship) bemerkbar. «Es ist schade, dass sich unsere Karrieren nur so kurz überschnitten, ich wäre gern mit Dominik gemeinsam Rennen gefahren», bekennt die Mattseerin. Die 24 Stunden auf dem Nürburgring, in denen sie 2018 den zweiten und 2020 den dritten Klassenrang holte, sollten auch nächstes Jahr wieder am Programm stehen, wie auch Rennen zur Nürburgring-Langstreckenserie.
Über die aktuelle Saison urteilt sie so: «Der Start in die DTM-Trophy in Monza war schwierig. Wir fanden am Lausitzring eine gute Balance. Leider verließ uns dort das Rennglück. Die Konkurrenz ist stark, es wird extrem viel Risiko eingegangen – diese Serie ist Vollkontaktsport! In der Lausitz wäre ein Top-Sechs-Platz möglich gewesen, weil der Speed recht gut war.»
Auf dem Nürburgring belegte Laura zuletzt die Plätze 17 und 14 im 22er-Feld, jeweils deutlich vor der einzigen anderen Pilotin (Sophie Hofmann) und in Lauf zwei sogar drei Plätze vor Teamkollegen Kofler.
Und nun steht das Heimspiel bevor: «Der Red Bull Ring ist unsere Heimstrecke, die ich sehr mag. Nicht nur die Strecke selbst, sondern auch, weil ich dort immer spezielle und gute Erlebnisse hatte. Dort schaffte ich mein zweites Podium im Rennsport überhaupt, war immer schnell. Wenn alles passt, haben wir da gute Chancen auf ein starkes Ergebnis.»
Als Vollprofi will sich die Salzburgerin nicht bezeichnen, «denn als solche wäre ich noch schneller.» Aber Laura, die in Salzburg ein Rechts- und Wirtschaftsstudium angeschlossen hat, ist auch bei KTM in der Marketingabteilung für den X-Bow angestellt, nachdem sie Erfahrungen bei Audi in Ingolstadt im Produktmanagement gesammelt hatte. Für das Marketing des X-Bow trägt sie als Prokuristin volle Verantwortung und berichtet direkt an den Geschäftsführer der KTM Sportcar GmbH., Michael Wölfling. «Ich bin meinen Arbeitskollegen dankbar, dass sie mir die Chance geben, in der Rennsaison mehr an den Strecken zu sein als im Büro. Ich kann das dann im Winter wieder gutmachen.»
«Freizeit» wurde für sie zum Fremdwort. Aufstehen um 5.30 Uhr, von sechs bis 7.15 Uhr Training, sehr viel Ausdauer und Kraft, dann ins Büro, am Wochenende an den Strecken – «da gibt es nicht viel Privatleben. Obwohl ich seit Kurzem einen Partner habe.» Der Rennsport ist ihre Leidenschaft, «und mein Partner muss das auch akzeptieren. Auf der anderen Seite ist er mein wertvoller Ausgleich, holt mich wieder runter. Er hat mit Autorennsport nichts am Hut.»
Mit Vorurteilen wie «Frau am Steuer» war sie bisher kaum konfrontiert. «Nur beim heurigen 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring hieß es, ah, die Kraihamer, als unser Auto in der ersten halben Stunde fast verschrottet wurde. Dabei war ich mit drei ‚Gentlemen‘-Fahrern im Team, und einer der Herren saß am Steuer.»
Früher, sagt sie, habe sie manchmal Vorurteilen begegnen müssen, das sei aber passé. «Ich habe mich immer als Fahrerin positioniert und nicht die Frau in den Vordergrund gerückt. Auch KTM hat mich nie als Dame vermarktet. Ich möchte kein Marketingtool sein.»
Die berufliche Zukunft sieht Laura Kraihamer auch nach dem Rennsport bei KTM.