Ein spezieller Teile-Transport zur DTM nach Zolder
Die DTM 1989
Wenn eine neue Saison beginnt, wie Anfang April die DTM 1989 im belgischen Zolder, befinden sich meist auch neue Teile in den frisch aufgebauten Renn-Tourenwagen. Da laut Reglement die Autos damals wenig technischen Spielraum besaßen, wurde an jedem Detail gefeilt, suchten die Ingenieure wie Technik-Detektive nach möglichen, noch so kleinen Verbesserungs-Chancen.
Auch Motorenteile waren über den Winter optimiert worden, wurden zuerst auf dem Prüfstand und danach im fahrenden Auto getestet. Aber oft kommen Schwachstellen erst im Wettkampf vor Ort zum Vorschein, so auch ein neues Motorteil, modifiziert im Rahmen des Erlaubten. Bereits im freien Training, am Freitag vor dem Rennen, hatten die anwesenden Techniker Unregelmäßigkeiten festgestellt, offensichtlich hervorgerufen von besagtem Neuteil.
Guter Rat war teuer, zumal die Zeit drängte. Ein ähnliches Teil gab´s nicht im Ersatzteil-Reservoir an der Rennstrecke, es hätte nur noch von einem anderen M3 ausgebaut werden können. Dieses Auto hätte aber dann nicht mehr antreten können. Daher wurde dem Vorschlag von Rennleiter Karsten Engel, doch in München bei Paul Rosche wegen eines Ersatzes nachzufragen, gefolgt. Dabei zeigte sich, dass der intern «Motorenpapst» genannte technische Geschäftsführer der BMW Motorsport GmbH diesen Beinamen völlig zu Recht trug. Denn er wusste nicht nur von einem baugleichen Motorteil, das in der Firma entwickelt worden war – er konnte auch exakt sagen, wo sich dieses im Teilelager befand.
«Ich informiere den Werksschutz, dass ihr auch am Wochenende rein könnt, ihr müsst halt nur schauen, wie ihr das Teil von München nach Zolder bekommt», gab Rosche als Tipp am Telefon der Renn-Mannschaft in Zolder. Nun galt es, eine Transport-Kette aufzubauen mit zwei Autos und zwei Fahrern: Ein Fahrer startete mit dem neuen Teil in München, ein zweiter Fahrer fuhr von Zolder los in Richtung Deutschland. Etwa auf halbem Weg der insgesamt 700 Kilometer, bei Offenbach, trafen sie sich und tauschten. So konnte das Teil noch vor dem Qualifying geliefert und eingebaut werden.
Tatsächlich gestaltete sich das Zeitfahren für BMW sehr gut, vier M3 standen auf dem Grid vorne. Und so durften sich Roberto Ravaglia, Fabien Giroix und Steve Soper im ersten Lauf auch die Plätze eins bis drei teilen. Dennoch, das zeigte der zweite Lauf, scheint die erste Schikane einer neuen Saison manchmal auch die schwierigste zu sein. Als der private BMW M3-Pilot Örnulf Wirdheim aus Schweden beim Anbremsen in Bedrängnis kam, schlug er quer gegen den Ford Sierra Cosworth von Ex-Formel-1-Fahrer Volker Weidler und trudelte chancenlos ins belgische Sandbett aus. Kurz darauf gesellte sich aber auch noch BMW-Werksfahrer Steve Soper dazu.
Allen drei Fahrer, die damals im «Sandkasten» standen, waren übrigens in ihrem Verhalten gleich: Sie saßen nach dem Aufprall mit gesenkten Häuptern in ihren Cockpits und behaupteten unisono, mit ihren jeweiligen Bremsen sei etwas nicht in Ordnung gewesen. Steve Soper führte das unter anderem auf neue Bremsbeläge zurück, mit denen er experimentiert hatte und war über das gesamte Wochenende nicht wirklich happy: „Die Autos vom Team Schnitzer sind uns mit ihren Yokohama-Reifen haushoch überlegen. Die Pirelli, die wir bei Zakspeed fahren, haben bei weitem nicht den gleichen Grip, und sie verschleißen viel schneller.“
Ein Novum hingegen wurde von allen Fahrern im Feld positiv aufgenommen: Zum ersten Mal in einem DTM-Rennen hatte ein Pace Car das Renngeschehen nach Zwischenfällen auf der Strecke neutralisiert. Einziges Manko: Der schwächliche Motor des eingesetzten Ford Sierra zwang die ihm nachfolgenden Renn-Tourenwagen zu ungewöhnlich langsamer Fahrt. Die Organisatoren der DTM erkannten diesen Mangel und brachten künftig leistungsstärkere Pace Cars an den Start.