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Jamie Green: «Gewinnen ist wie Fahrradfahren»

Von Andreas Reiners
Jamie Green im Interview

Jamie Green im Interview

Der Audi-Pilot im exklusiven Interview über das fast vergessene Gefühl zu gewinnen, sein neues Team und das neue Reglement.
Jamie, weißt du noch, wie man Rennen gewinnt?

Ja, ich denke, sowas vergisst man nicht. Das ist wie Fahrradfahren…

Wie hast du die lange Winterpause verbracht?

Ich war seit dem letzten Rennen sehr beschäftigt damit, gemeinsam mit Audi zu analysieren, was das Beste für dieses Jahr ist. Und am Ende haben die Chefs bei Audi entschieden, die Fahrer ein bisschen zwischen den Teams hin und her zu verschieben und so fand ich mich dann in einem anderen Team wieder. Also habe ich einiges dafür getan, das Team kennenzulernen. Früher, als ich noch bei Mercedes gefahren bin, kannte ich die Leute seit sechs Jahren. Also musste ich nicht den Winter damit verbringen, mit dem Team verschiedene Szenarien durchzugehen, weil man sich einfach kannte und alles einfach ging. Letztes Jahr musste ich die Abt-Jungs kennenlernen und dieses Jahr eben die Rosberg-Jungs.

Und wie ist das neue Team?

Audi will offensichtlich aus allen Fahrern das Beste herausholen und hatte das Gefühl, dass es eine gute Idee wäre, einige Änderungen vorzunehmen. Und ich bin mit der Veränderung glücklich. Ich denke, es ist ein Team mit sehr viel Potential. Sie hatten in der Vergangenheit schon viel Erfolg und haben ihr Potential gezeigt. Ich denke, es sind einige gute Leute im Team und sie können mir ein gutes Auto zur Verfügung stellen, mit dem ich auf der Strecke einen guten Job machen kann und wir so zusammen etwas Besonderes erreichen können. Darauf arbeiten wir jedenfalls hin.

Denkst Du, dass der Teamwechsel für dich ein Schritt nach vorne war?

Ja, ich will Abt nicht kritisieren. Wenn ich jetzt sage, dass ich jetzt jedes Rennen gewinne, wäre das ein dummer Kommentar. Aber ich denke, selbst wenn ich beim gleichen Team geblieben wäre, hätte ich mich weiterentwickelt einfach aufgrund der Erfahrung, die ich in einem Jahr mit Audi gewinnen konnte. Du weißt, dass du ein bisschen relaxter bist und das zweite Jahr läuft einfach ein bisschen runder. Und dann ist da noch die Ingenieurs-Seite, und diese Interna haben natürlich Auswirkungen auf deine Resultate.

Daher brauchst du gute Ingenieure um dich. Du brauchst eine gute Beziehung zu allen, man muss sich verstehen, um aus dem Auto das Beste rauszuholen. Daher ist es keine ganz einfache Situation, denn man ist darauf angewiesen, dass Audi ein schnelles Auto baut und dann brauchst du ein Team, dass das Beste aus ihm rausholt und das ihm ein ausbalanciertes Setup verpasst. Damit du deine Fähigkeiten mit dem Auto zeigen kannst. Sie sind sehr glücklich, dass sie einen Fahrer haben, der weiß wie man gewinnt und so gesehen ist es eine gute Kombination.

Letztes Jahr warst Du in einem Team mit Mattias Ekström, Timo Scheider und Adrien Tambay. Dieses Jahr bist du in einem Team mit Nico Müller. Bist du für ihn eine Art Vaterfigur?

Er ist schon sehr erpicht darauf, in vielen Dingen meinen Rat zu bekommen. Er kennt einige Strecken noch nicht und natürlich ist auch das Auto für ihn ganz neu. Also, ja, ich denke es ist ein bisschen so. Aber er ist auch ein talentierter Fahrer, also kann er sich vieles selbst erschließen. Andererseits ist es gut, wenn du eine gute Arbeitsbeziehung und eine gute Atmosphäre hast. Daher bin ich auch sehr offen zu ihm und ich glaube zusammen können wir viel erreichen. Ich glaube wir haben eine gute Mischung aus seiner Jugend und meiner Erfahrung. Also so gesehen sind wir ein gutes Line-up.

Kannst du auch etwas von ihm lernen?

Ja, er ist zum Beispiel in der World Series in Budapest gefahren, er ist ein Rennen auf der langen Strecke in Moskau gefahren und diese beiden Strecken kenne ich noch nicht. Also denke ich, dass es tatsächlich eine Kommunikation in beide Richtungen ist.

Offensichtlich geht es aber mehr in die eine Richtung, weil ich schon so lange in der DTM bin. Aber ja, ich denke, wir sind beide sehr offen miteinander umgegangen und ich denke letztendlich, wenn du Vertrauen in deine eigenen Fähigkeiten hast, musst du keine Informationen zurückhalten und Spiele spielen oder ähnliches. Wenn du gut bist, bist du gut und das sollte genügen.

Wie sehr brauchst du eine gute Zusammenarbeit mit deinem Teamkollegen?

Nun, ich denke, es hilft. Am Ende, wenn du wie das Team Rosberg nur zwei Autos hast, brauchst du beide Autos um dich weiterzuentwickeln. Du weißt dann Bescheid, was funktioniert und was nicht funktioniert beim Setup und bei allem anderen. So gesehen ist es besser, wenn du zusammenarbeiten kannst.

Was hältst Du von den neuen Regeln?

Ich bin mir nicht sicher, ob die Ein-Stopp-Regel so gut für die Show ist. Es könnte ein bisschen vorhersehbar werden. In der Vergangenheit hatten wir Rennen, in denen wir einfach nur den anderen sehr lange hinterhergefahren sind. Allerdings hatten wir damals kein DRS, aber auch damit wird es schwierig werden zu überholen. Ich mochte die Strategie des letzten Jahres, denn da gab es so viele verschiedene Wege, um ein spannendes Rennen zu fahren und jetzt gibt vielleicht zwei Optionen. Ich denke, es könnte ein bisschen langweilig beim Zuschauen werden. Aber du musste es dem normalen Fan auch verständlich machen. Und ich denke, das war letztes Jahr das Problem. Ich verstehe, warum sie es geändert haben, aber irgendwie denke ich, dass es eine Überreaktion war, wenn es darum geht, es etwas einfacher zu machen.

Was denkst Du über das Performancegewicht?

Ich war davon nie ein Fan. Wir hatten das in der Vergangenheit schon mal, aber mir ist es nie richtig vorgekommen, dass du einen Nachteil im nächsten Rennen bekommst, wenn du gewinnst.

Was sind deine Erwartungen für die nächste Saison?

Mein Ziel ist die Meisterschaft. Aber man kann es nicht wirklich wissen. Du hättest letzte Saison auch eher nicht auf Mike getippt. Das ist so in der Meisterschaft. Sie ist schwierig vorherzusagen, da es so viele gute Fahrer gibt und die Autos sich sehr ähnlich sind. Es gibt vielleicht zehn bis zwölf Jungs, die fähig sind, die Meisterschaft zu gewinnen. In den Medien neigen sie dazu, deinen Jahren einen Stempel aufzudrücken. Das letzte Jahr wurde als schlechtes Jahr bezeichnet, obwohl ich nicht so weit davon entfernt war, das Rennen in Oschersleben zu gewinnen. Wenn ich das Rennen gewonnen hätte, hätten sie geschrieben, das letzte Jahr war ein gutes Jahr.

Offensichtlich gab es schlechte Rennen, aber wenn ich zurückschaue, verstehe ich auch warum. Ich habe ja nicht plötzlich vergessen, wie man ein Auto fährt. Also es gab auch einiges Positives, zum Beispiel waren wir der schnellste Audi im Qualifying am Lausitzring und der schnellste Audi in Oschersleben, wo wir auf dem Podium waren. Also war mein erstes Jahr für Audi wohl kaum ein Desaster. Und du weißt, es gab viele Audi-Fahrer, die letztes Jahr nie auf dem Podium standen. Und diese Fahrer sind schon so viel länger dabei und so gesehen hat meine erste Saison doch einiges an Potential gezeigt und ich bin sicher, dass wir darauf aufbauen können.

Was musst du verbessern?

Es gibt natürlich die Rennfahrer, die denken, sie seien perfekt. So gesehen, bin ich ein bisschen anders, da ich weiß, dass ich nicht perfekt bin. Ich arbeite konstant an mir, meiner körperlichen Verfassung und mir ist klar, dass mein Deutsch besser sein könnte, also gibt es immer was zu tun.

Dein Deutsch ist jetzt aber nicht so wichtig für die Rennen…

Nein, aber es ist ja im Rundum-Paket ein Detail. Deutsch ist die führende Sprache in der Serie und die Hauptzuschauer sind Deutsche. Ich möchte das perfekte Paket sein, also denke ich, es gibt noch genügend Raum für Verbesserungen und das motiviert dich jeden Tag weiterzuarbeiten. Denn wenn du denkst, du seist perfekt, dann entwickelst du dich schnell rückwärts, vor allem in dieser Meisterschaft.

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