Das die GT-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr GT3-Autos als technische Basis heranzieht ist die einzig logische Konsequenz.
Guten Entscheidungen muss manchmal etwas nachgeholfen werden. Auch wenn es lange dauert. So auch die Entscheidung, die boomende GT3-Klasse als Basis der nächstjährigen GT-WM heranzuziehen, anstatt in einem sinnlosen Kraftakt andere GT-Klassen zu integrieren. Für Aussenstehende muss SRO-Boss Stéphane Ratel nach dem Regel-Hickhack in den letzten Monaten ziemlich planlos wirken. Dem Franzosen mit Wohnsitz London anzukreiden kein klares Konzept zu verfolgen, ist aber ebenso schlecht informiert wie falsch.
Das Szenario, was sich im kommenden Jahr nun ergibt, wenn alles klappt, kommt der ursprünglichen Vision von Ratel für 2012 recht nah – wenn auch eigentlich die GT1 die Benchmark sein sollte, und nicht die GT3-Klasse.
Doch dann funkte Ferrari im Sommer dazwischen. Den Italiener war aufgegangen, dass sie zwar ein passables Auto für die GTE-Klasse haben, aber mit dem auf dem Challenge-Markenpokal-Fahrzeug basierenden 458 Italia GT3 Sorge haben im WM-Feld nicht bestehen zu können. Auf Druck von Ferrari integrierte Ratel so die GTE-Klasse in das GT World 2012 Konzept.
Bis zum ersten vorläufigen Einschreibetermin am 28.Juli hatte Ratel ein Häufchen von sieben Teams um sich gesammelt. Doch eine Marke, die Ratel unbedingt wollte und die auch starkes Interesse signalisierten, fehlte: Mercedes. Also alles noch mal von vorne. Eine neue Einschreibefrist bis zum 15. September wurde gesetzt. Das Nenngeld wieder vom Treuhandkonto hin, her und hin transferiert.
Doch anstatt von sieben Teams + Mercedes standen letzte Woche Donnerstag plötzlich zwei weniger auf der Liste. WRT (Audi) und Vita4One (Ferrari) hatten sich im zweiten Versuch nicht wieder eingeschrieben. Beide Hersteller im Hintergrund hatten zur Vorgabe für ein Engagement mindestens zehn, respektive neun in der WM vertretene Marken gemacht. Und Mercedes fehlte weiterhin.
AMG hat mit dem SLS AMG GT3 das bis dato kommerziell erfolgreichste GT3-Auto gebaut und war willens auch eine Upgrade für die GT-WM zu unterstützen. Doch das Problem der Schwaben war symptomatisch für das ursprüngliche WM-Konzept. Während Kundenteams Interesse signalisierten, waren die Entwicklungskosten für ein GT3-Upgrade ein Stiefkind. Und das nicht nur bei der Stern-Marke. Das man die Entwicklungskosten für die GT3-Umbauten nicht den Teams aufbürden kann, musste nun auch Ratel einsehen. Abgesehen von der Sinnhaftigkeit der Modifikationen, denn dem Fan auf der Tribüne dürften eine halbe Sekunde schnellere Rundenzeiten durch teure Modifikationen schnuppe sein, solange die Optik und der Sound stimmt.
In Brüssel verständigte sich Ratel nun mit Herstellern, Teams und FIA auf den einzigen logischen Weg: Die boomende GT3-Klasse zur Grundlage einer WM zu machen. Und um den bisherigen GT1-Teams nicht vor dem Kopf zu stossen, bekommen Lambo, Nissan & Co noch ein Jahr Gnadenfrist.
Das nun aus der Not geborene umschwenken auf die GT3-Klasse in letzter Sekunde kann Ratel jetzt sogar noch als prima Konzept über das Jahr 2012 hinaus verkaufen - denn sein bisheriges hatte Ecken und Kanten. Damit ist auch klar: Die Zukunft im GT Sport heisst klar GT3, denn lange werden die sündteuren GTE-Autos keine Berechtigung mehr haben.
Nicht nur Stephane Ratel ist sich sicher, dass die GT-WM noch dem überarbeiteten Konzept nun wieder Fahrt aufnimmt. WRT/Audi will sich nun wieder einschreiben und auch auf Ferrari-Seite gibt es Teams mit Interesse GT3-Autos einzusetzen. Und sogar Porsche, die im Frühjahr zu den ersten zählten, die Ratel einen Korb gaben, sitzen plötzlich wieder am Tisch.
Während vor der Krisensitzung in Brüssel am Donnerstag viele die GT-WM bereits innerlich beerdigt haben, gibt es nun wieder einen ziemlichen grossen Hoffnungsschimmer. Zumindest bis zum Ende der nächsten vorläufigen Einschreibefrist im Oktober.