Audis Ex-Sportchef Ullrich: Wehmut und Engagement
Wolfgang Ullrich beim WEC-Rennen in Bahrain
Er ist kein sturer «Petrol Head», auch wenn er auf der TU Wien einst über den Verbrennungsprozess in Kraftfahrzeugen dissertierte und seit seiner Pensionierung 2017 eine Vorlesung über Rennmotoren an seiner Alma Mater hält. Wolfgang Ullrich, mittlerweile 73, war 24 Jahre Chef von Audis Sportabteilung. In seine Zeit als Lenker fallen die 13 Le-Mans-Siege mit Premierenerfolgen verschiedener Antriebskonzepte (TFSI, TDI, Diesel-Hybrid), je zwei Fahrer- und Konstrukteurs-Weltmeisterschaften auf der Langstrecke (WEC) sowie je acht Fahrer- und Konstrukteurstitel in der DTM. Seit 2018 ist der Wiener, der nun in Hainburg an der Donau lebt («ich schaue in die Weingärten»), Berater des ACO-Präsidenten Pierre Fillon.
Dass der Langstreckensport einen fast unheimlichen Zulauf von Herstellern verzeichnet, ist auch dem Mitwirken des Wiener Technikers an der Reglement-Angleichung zwischen WM und der amerikanischen IMSA-Meisterschaft zuzuschreiben. Im WEC mit derzeit fünf Herstellern (Toyota, Ferrari, Porsche, Peugeot, Cadillac, wenn man Colin Kolles‘ Vanwall nicht als Autobauer sieht) kommen 2024 Alpine, Lamborghini und BMW noch hinzu, 2025 will auch Aston Martin ein Comeback in der großen Klasse der Hypercars feiern.
«Es war nicht nur die Angleichung des Reglements wichtig, sondern auch die damit verbundene Kostensenkung. Die Jahre mit freier Antriebswahl in der LMP1 waren toll, wurden aber zu teuer. Die Lösung waren die neuen Hypercars als Hybrid-Prototypen, die mit den bisherigen Daytona-Prototypen der IMSA zusammengeführt wurden und so eine echte WM ermöglichen - und jenen Herstellern, für die der US-Markt wichtig ist, eine Plattform bieten. Dem ACO, der FIA und der IMSA ist so ein wichtiger Fortschritt gelungen», erklärt Ullrich.
Dass zu viele Hersteller in einer Serie auch Verlierer mit sich bringen und damit wieder Ausstiege kommen werden, gibt auch Ullrich zu, doch er meint: «Eine Wellenbewegung wird es immer geben. Man muss nun aufpassen, dass man das aktuelle Hoch erhält, in dem jeder die Chance hat, siegen zu können. Wir versuchen, die Kosten durch das Regelwerk im Rahmen zu halten.»
Die Kosten einer Saison mit zwei Hypercars im Vergleich zu den früheren LMP1-Boliden beziffert Ullrich mit «15 bis 20 Prozent. Wir waren mit den LMP1 nicht weit weg von einem Formel-1-Budget» - sprich damals 150 bis 200 Mill. Euro.
Dass die GT-Autos in der WM ab 2024 nach GT3-Reglement laufen werden, sieht Ullrich als richtigen Schritt: «Der war schon vor einigen Jahren angedacht, fand damals aber keine Mehrheit. Jetzt ist es soweit. Nur schade, dass es für den Audi R8 zu spät kommt.»
Seitenblick zur Formel E: «Wir (Audi, Anm.) waren damals unter den Ersten, die sich werkseitig engagiert haben, das war noch vor Ende meiner Zeit. Ich gebe zu, ich mag ein wenig Geräusch und Geruch, aber man muss sich mit verschiedenen Antriebsformen auseinandersetzen. Deshalb treibt der ACO auch das Projekt Wasserstoffantrieb für die Langstrecke vehement voran.»
Und was sagt der Langzeit-Sportchef von Audi zu den Gerüchten, das Formel-1-Projekt für 2026 und danach könnte auf der Kippe stehen? Ullrich bleibt da diplomatisch: «Ich bin da informationsmäßig so weit weg, dass ich nichts beurteilen kann. Aber es ist für mich keine Frage, dass es bei Audi Leute gibt, die die Formel 1 stemmen können.» Dass es bei Audi Sport seit dem Weggang von Ullrichs früherem Stellvertreter und Nachfolger Dieter Gass arge Turbulenzen gab und als letzter Schritt die Unterstützung des Kundensports (GT etc.) gestrichen wurde, schmerzt den Wiener merklich: «Ich muss zugeben, dass ich in den ersten Jahren nach meiner Zeit bei Audi am meisten damit gekämpft habe, mich vom Gesehenen so zu trennen, dass es mir nicht wehtut. Damit war ich sehr beschäftigt, denn es passierte vieles, was für mich undenkbar war. Was in 25 Jahren aufgebaut worden war, wurde ignoriert und nicht mehr genützt. Es gab viele Wechsel im Haus, personell und strategisch, das muss man akzeptieren. Aber meine Zeit bei Audi ließ so viele positive Erinnerungen zurück, und das ist gut so.»
Ullrich hatte in seiner Audi-Zeit rund 30 Werkfahrer in seinem Team, von denen er den «Mr. Le Mans» Tom Kristensen (neun Siege) und Mattias Ekström als jungen DTM-Meister herausstreicht. «Aber wir hatten noch viele mehr, die Meisterschaften gewannen und tolle Partner in der Zusammenarbeit waren. Ich musste mich über die 24 Jahre nur von zwei Fahrern trennen, weil es nicht mehr passte.» Das waren Heinz-Harald Frentzen und Alexandre Prémat.