Der tiefe Fall von Ferrari: Gründe für die Flaute
Sinnbild für die GP-Saison 2020 von Ferrari: Charles Leclerc rutscht mit kaputtem Auto von der Bahn
Vor Weihnachten 2020 hat Ferrari-Teamchef Mattia Binotto gesagt: «Noch so eine Saison wie 2020 wäre nicht akzeptabel.» Das stolze Ferrari hat in der Konstrukteurs-Meisterschaft den sechsten Platz erreicht, kein Sieg, nur drei Podestplätze in 17 Rennen – die Saison 2020 war eine schallende Ohrfeige, die schlechteste Platzerung in vierzig Jahren.
1980, nur ein Jahr nach dem WM-Titel von Jody Scheckter, stürzte Ferrari auf den zehnten Platz im Konstrukteurs-Pokal ab – der Weltmeisterwagen wurde kaum verbessert, weil sich die Italiener punkto Motorleistung und Standfestigkeit für überlegen hielten. Leider vergassen sie dabei, dass sich mit dem überholten Fahrzeugkonzept samt des viel zu breit bauenden Zwölfzylindermotors kein gescheites Flügelauto bauen liess.
Zurück in die Gegenwart: Teamchef Mattia Binotto hat erklärt, was sich Ferrari für 2021 vorgenommen hat – den dritten WM-Schlussrang. So mancher Tifoso wird sich bei der Frage ertappt haben: Rang 3, geht’s noch? Wir reden hier von der grossen Scuderia, vom berühmtesten Rennstall der Welt, von jenem Grand-Prix-Team, das die meisten Rekorde der Königsklasse hält. Platz 3 in der Konstrukteurs-Meisterschaft als Ziel? Enzo Ferrari würde sich im Grab umdrehen.
Mattia Binotto vertiefte: «2022 ist wichtiger als 2021, denn dann schreiten wir mit anderen Rennwagen in eine neue Ära. Dann müssen wir vorne mitmischen können. Wenn du 2022 die Saison bereits mit einem Rückstand beginnen musst, dann wird es 2023 noch schwieriger, diese Lücke zu schliessen. Also hat die Entwicklung des 2022er Rennwagens für uns Priorität. Ich gehe also davon aus – wir werden den nächstjährigen Wagen nur dann intensiv entwickeln, sollten wir ein richtiges Problem haben; oder sollte sich ein Aspekt von 2021 ergeben, aus dem wir für 2022 etwas lernen können.»
«Den sechsten WM-Schlussrang 2020 akzeptieren wir in Bescheidenheit. Es ist klar – wir werden nicht besser, nur weil wir Ferrari heissen. Sondern wir werden mit der Zeit konkurrenzfähiger, weil sich jede einzelne Person mehr ins Zeug legen wird.»
Ferrari hat für 2021 eine neue Antriebseinheit gebaut. Binotto weiter: «In Sachen Leistungsfähigkeit machen wir gute Fortschritte im Vergleich zu 2020. Wir wissen auch, was wir am Chassis verbessern müssen. Das alles gibt mir Hoffnung, aber letztlich weisst du nie, wo du stehst – bis zum ersten Vergleich mit den Gegnern auf der Rennstrecke.»
Lange Durststrecke
Die Titelflaute wird 2021 weitergehen. Seit 2007 und Kimi Räikkönen ist Ferrari ohne Fahrer-WM-Titel, 2008 wurde der letzte Konstrukteurs-Pokal gewonnen. Die Italiener versagen seit Jahren auf der ganzen Linie. Selbst Weltmeistern und Ausnahme-Rennfahrern wie Fernando Alonso und Sebastian Vettel ist es nicht gelungen, mit Ferrari den Titel zu holen.
Im Rahmen der Ferrari-Feier zu 1000 Formel-1-WM-Einsätzen ergriff Firmen-Präsident John Elkann das Wort, um über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Marke zu sprechen: «Heute legen wir das Fundament, um 2022, wenn sich das Reglement ändert, auf die Siegerstrasse zurückzufinden.» Übersetzung: 2021 ist abgehakt.
Ausgerechnet beim 1000. Grand Prix mussten die treuen Tifosi leiden, als sie beim Toskana-GP in Mugello sahen, wie der hervorragend gestartete Charles Leclerc von Rang 3 einen Platz um den anderen einbüsste, mit nachlassenden Reifen an einem langsamen Auto. Am Ende wurde der zweifache GP-Sieger aus Monaco nur Achter, der vierfache Weltmeister Sebastian Vettel musste sich mit Rang 10 begnügen. Eine Woche zuvor rang Charles Leclerc in Monza so lange mit dem Auto, bis er von der Fahrbahn abkam. Im Wagen von Sebastian Vettel hatten sich die Bremsen abgemeldet. Mangelnde Standfestigkeit, schlechte Aerodynamik, schwacher Motor, zu hoher Reifenverschleiss, jämmerliche Fahrzeugbalance – die Sorgenliste war ziemlich lang.
Fakt ist: Ferrari hatte das grundlegende Design des 2020er Autos von Sebastian Vettel und Charles Leclerc versemmelt. Die ganzen Entwicklungen, die im Laufe der Saison schrittweise an den Wagen kamen, konnten das Grundproblem nicht beheben. Es war, als würde ein offener Beinbruch mit einem Pflaster versorgt.
Der entscheidende Fehler 2020
Ferrari baute das Konzept des Modells SF1000 auf der überragenden Motorleistung von 2018 und 2019 auf. Aber seit der Autosport-Weltverband FIA Schlupflöscher im Reglement geschlossen und Tricksereien unterbunden haben, hat sich der grösste Vorteil von Ferrari in Luft aufgelöst. Ferrari konnte nach dem Urteil der FIA nicht mehr reagieren.
Seit Jahren war davon die Rede gewesen, dass Ferrari beim bärenstarken 1,6-Liter-V6-Turbomotor mindestens im Graubereich des Erlaubten arbeite – in Form eines cleveren Systems, die Benzinfluss-Regelung zu umgehen, um kurzfristig mehr Leistung aus der Antriebseinheit zu schöpfen. Ferrari-Teamchef Mattia Binotto bestand lange darauf, dass der Motor zu jeder Zeit reglementskonform war, ungeachtet zahlreicher Überprüfungen der FIA. Man habe am Betrieb des Motors nie etwas geändert. Ungläubiges Kopfschütteln bei der Konkurrenz.
Erst im Juli 2020 gab Teamchef Binotto erstmals zu: «Seit vergangenem Jahr haben zahlreiche technische Direktiven der FIA einige Bereiche geklärt. Wir mussten uns diesen Direktiven anpassen. So wie Andere auch. Aber aus Sicht von Ferrari bedeuteten diese Anpassungen, dass wir einen Teil Leistung verloren haben.» Aha, also doch.
Die Coronakrise führt dazu, dass sich die Ferrari-Misere fortsetzen wird: Aus Spargründen wird 2021 mit dem gleichen Chassis weitergefahren, die Entwicklungen sind stark eingeschränkt. Einfach gesagt – wer 2020 ein schlechtes Auto hatte, wird 2021 keine Rennen gewinnen.
Ferrari fällt auch auf den Kopf, dass sich Mittelfeldrennställe wie Aston Martin (früher Racing Point), McLaren, Alpine (früher Renault) und AlphaTauri markant gesteigert haben. Wenn Ferrari 2021 auf Rang 3 vorrücken will, müssen sie an all diesen Rennställen vorbei. Ein Spaziergang wird das nicht.
Ferrari-Teamchefs in der Drehtür
Kein Teamchef steht so unter Erfolgsdruck wie der Steuermann von Ferrari: Der berühmteste Rennstall der Welt ist zum Erfolg verdammt, und gemäss des Beispiels aus dem Fussball packt der Trainer seine Sachen, wenn die Mannschaft einen Mist zusammenkickt.
Mattia Binottos Vorgänger Maurizio Arrivabene musste wegen der verlorenen Titel 2017 und 2018 von Sebastian Vettel gegen Lewis Hamilton gehen. Besonders bitter – Ferrari schien zu Saisonbeginn 2018 und bis in den Sommer hinein das bessere Fahrzeug zu besitzen. Fahrfehler von Sebastian Vettel, Strategiepatzer von Ferrari, vor allem jedoch eine effizientere Entwicklung bei Mercedes-Benz führten dazu, dass die Silberpfeile ab Sommer das Blatt wenden konnten.
Aber das verlorene Titelrennen allein war es nicht. Auch der Führungsstil von Arrivabene wurde angeprangert. Es war davon die Rede, dass er zu viel in Eigenregie entscheiden wollte, das habe bei seinen Mitarbeitern zu Murren geführt.
Arrivabene machte sich bei den Medien nicht beliebt: Der einstige Marketing-Experte des Tabakkonzerns Philip Morris war der einzige Teamchef, der über FIA-Medienrunden und einige kurze TV-Interviews hinaus für Berichterstatter nicht zugänglich war. Keine besonders weise Vorgehensweise, wenn man am Ruder des berühmtesten Rennstalls der Welt steht. Ferrari errichtet eine Mauer des Schweigens, an welcher selbst italienische Journalisten zerschellten.
Arrivabenes Vorgänger Marco Mattiacci war der klassische Quereinsteiger, er kam als erfolgreicher Ferrari-Chef Nordamerika in die Formel 1. Doch der Römer trat ein schweres Erbe an. Der Ferrari F14T, den ihm Stefano Domenicali überlassen hatte, war unheilbar krank. Nach nur einem halben Jahr war Mattiacci wieder weg. Niemand weinte dem von Fachwissen weitgehend unbelasteten Sonnenbrillen-Fan eine Träne nach.
Dem heutigen Formel-1-CEO Stefano Domenicali davor wurde als Ferrari-Teamchef zum Verhängnis, dass Fernando Alonso es in fünf Jahren Ferrari nicht schaffte, Weltmeister zu werden. Am Spanier lag es nicht – die Ergebnisse seiner Stallgefährten zeigten, wie gut der Ferrari wirklich war.
Beim WM-Finale 2010 richtete der Ferrari-Kommandostand das Rennen auf den vermeintlich grössten Titelrivalen aus, Mark Webber. Alonso versauerte im Verkehr, Sebastian Vettel wurde Weltmeister. 2012 musste er sich beim Finale von Brasilien erneut Vettel geschlagen geben. Ferrari, Alonso und Domenicali verloren in jenen zwei Jahren wegen insgesamt nur zwölf WM-Punkten zwei Titel. Mit ein wenig Glück und etwas mehr Intelligenz wäre die Geschichte anders geschrieben worden.
Falsche Unternehmens-Strategie
Immer wieder wird in Maranello vollmundig davon gesprochen, das neue Dream-Team aufzubauen, so wie in den 90er Jahren mit Michael Schumacher als Fahrer, Jean Todt als Teamchef, Ross Brawn als Technikdirektor sowie Rory Byrne als Chefdesigner. Aber die Situation heute ist mit damals nicht zu vergleichen. Jeder der genannten Männer war in seinem Job absolut herausragend, und diese Ausnahmekönner konnten über Jahre eine Siegermaschine aufbauen.
Einige der besten Fachleute der Branche jahrelang Seite an Seite in Ruhe arbeiten zu lassen, das ist eine der Erfolgszutaten für die grossen Siegesserien in der Formel 1: Von McLaren, von Williams, von Ferrari, von Red Bull Racing, von Mercedes-Benz.
Bei Ferrari hingegen ist das Element der Konstanz verloren gegangen. In den letzten Jahren ist bei Ferrari kein Stein auf dem anderen geblieben. Die Führungsriege ist mehrfach ausgetauscht worden.
Viele langjährige Mitarbeiter mussten ihren Hut nehmen: Teamchef Stefano Domenicali im Frühling 2014, Motorenchef Luca Marmorini im Sommer danach, Präsident Luca Montezemolo im Spätsommer, um nur die wichtigsten drei zu nennen, dann – nach nur sieben Monaten – Teamchef Marco Mattiacci im Herbst, ersetzt durch Maurizio Arrivabene. Im Dezember 2014 wurde Chefdesigner Nikolas Tombazis in die Wüste geschickt. Ihm wurde vorgeworfen, jahrelang zu konservativ entwickelt zu haben. Auch Chefingenieur Pat Fry musste seinen Schreibtisch räumen.
Fiat/Chrysler-Chef Sergio Marchionne, der den langjährigen Ferrari-Präsidenten Montezemolo entsorgt hatte, war vom Gedanken beseelt, ein neues Dream-Team aus italienischen Fachkräften aufzubauen. Er pfuschte Technikchef James Allison so lange ins Handwerk, bis der begnadete Ingenieur das Land verliess und heute technischer Leiter von Mercedes-Benz ist. Ergebnis: Die WM-Titelserie von Mercedes hält an.
Marchionne setzte ganz auf Mattia Binotto, geboren am 3. November 1969 in Lausanne, Absolvent des Polytechnikums Lausanne für Mechanik, später weitere Ausbildung in Modena zum Fahrzeugingenieur, seit 1995 in Maranello tätig. Zunächst als Motorfachmann im Testteam, ab 1997 in der Rennmannschaft.
2004 und 2005 engagierte sich Binotto als Renningenieur und arbeitete am Wagen von Rubens Barrichello, stieg dann zum leitenden Ingenieur auf, 2009 zum Chef der Motorenentwicklung. Im Oktober 2013 eine weitere Beförderung: zum stellvertretenden Motorenchef, 2014 erhielt Binotto dann den Posten des in Ungnade gefallenen Luca Marmorini.
Ende Juli 2014 verliess Luca Marmorini Ferrari – dem Toskaner wurde zur Last gelegt, dass die der erste Turbohybrid-Motor aus Maranello kein Rennpferd geworden sei, sondern ein müder Ackergaul. Die Antriebseinheit war zu schwer, hatte zu wenig Leistung und galt vom Aufbauprinzip der Zusatzaggregate (Ladergrösse und Verdichter-Anordnung) als misslungen.
Marmorini reagierte verbittert: «Es kursiert die falsche Vorstellung, dass die mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Ferrari F14T nur der Antriebseinheit anzulasten sei. Als hätten wir bei Ferrari vergessen, wie man Motoren baut! Eine gewisse Teilschuld lasse ich mir aufbürden, aber ich lasse mir nicht einreden, dass die Fachkräfte in Maranello ihr Handwerk verlernt hätten, wie man mit Turbos umgeht, mit Hybridtechnik und so weiter.»
«Die Wahrheit ist: Zusammen mit meinen Mitarbeitern habe ich eine Antriebseinheit gebaut nach gewissen Dimensionen, um genau zu sein – einen kleineren Motor als Mercedes und Renault, und dies auf Wunsch des Fahrzeugdesigners, Herrn Tombazis.»
«Mir wurde gesagt: ‚Wir wollen eine sehr kompakte Antriebseinheit, mit möglichst kleinen Kühlern. Wir werden das abzusehende Power-Manko mit aerodynamischen Lösungen mehr als wettmachen.’ Und fast genau so kam es: Wir hatten weniger Leistung, aber leider gab es das Plus an Aerodynamik nie.»
«Das hätte ich gerne Marco Mattiacci erklärt, als er auf den Posten von Rennchef Stefano Domenicali berufen wurde. Aber mit Mattiacci habe ich in drei Monaten vier Worte gewechselt, wir haben uns zwei Mal gesehen – einmal, als er mich begrüsst hat, und einmal, als er mir das Kündigungsschreiben überreichte.»
Schuld haben immer Andere
Viele Formel-1-Jahre von Ferrari sind von gegenseitigen Vorwürfen geprägt, die Schuld am Misserfolg haben immer Andere. Teamchef Toto Wolff hat bei Dauer-Weltmeister Mercedes-Benz eine strikte «no blame culture» umgesetzt. Der Wiener erklärte: «Der menschliche Verstand ist so strukturiert, dass man jemandem die Schuld gibt, wenn etwas passiert. Das nimmt erst mal den Druck von mir.»
«Wenn ein Fehler passiert, dann geht es vielmehr darum, die Ursache des Problems zu klären. Wer letztlich den Fehler begangen hat, ist dabei nicht wichtig. Gegenseitiges Vertrauen im Team ist bei der Aufarbeitung von Fehlern entscheidend. Die Teammitglieder wissen, dass auch ich selber gute und schlechte Momente habe. Aber ich versuche, immer, rational zu bleiben. Nur in diesem Unternehmensklima öffnen sich die Leute und sagen: ‘Ich denke, wir hätten dies oder das besser machen können.’ Das ist sehr wichtig, damit das Team Fortschritte machen kann.»
Ein zweiter Leitsatz von Wolff: Kein Ego darf grösser sein als der Rennstall. «Ego kann ein sehr starker Antrieb sein – aber nur bis zu einem gewissen Niveau. Ich habe schon grosse Egos gesehen, die gescheitert sind. Die meisten sind gescheitert, weil sie nicht in der Lage zur Selbstreflexion waren. Sie glaubten, dass sie die Grössten sind – ob in der Formel 1 oder auch woanders. Das ist in meinen Augen nicht förderlich, es ist vielmehr wichtig, sich immer selbst zu hinterfragen.»
Harte Kritik der Experten
Flavio Briatore ist seit Jahren einer der härtesten Kritiker von Ferrari. Einige unterstellen ihm verletzten Stolz – weil der Ruf aus Maranello nie kam. Andere sind der Ansicht, der Weltmeister-Macher von Michael Schumacher bei Benetton und von Fernando Alonso bei Renault traue sich einfach zu sagen, was andere nur munkeln.
Der 70jährige Erfolgsunternehmer ist überzeugt: «Es geht nicht darum, einen Mann zu holen, der alles ändert. Es geht darum, die Mentalität zu ändern. Ferrari ist wieder konkurrenzfähig geworden, als man von Benetton sieben oder acht Spitzentechniker geholt hat, Leute wie Ross Brawn und Rory Byrne. Das heutige Ferrari kann sich nicht von heute auf morgen ändern. Man muss zunächst einmal die Probleme verstehen, bevor man anfangen kann, sie zu lösen. Man muss ergründen, wie es sein kann, dass immer wieder die Aerodynamik Schwierigkeiten macht. Obschon Ferrari einen modernisierten Windkanal hat.»
«Sie haben einen Motor in einer Art und Weise eingesetzt, welcher die FIA den Riegel geschoben hat. Sie mussten das Triebwerk umbauen. Und dies in einer Formel 1, in welcher es auf vier Kilometer langen Rennstrecken am Ende um Zehntelsekunden geht. Wenn du da vorne liegen willst, dann muss wirklich alles passen – Fahrer, die sich mit freiem Kopf einbringen können, ein Auto, das funktioniert, eine gute Aerodynamik, denn die ist in der modernen Königsklasse am wichtigsten.»
«Es ist schwierig, in der Formel 1 zu gewinnen. Ferrari braucht keine neuen Chefs, das hatten sie schon zur Genüge. Sie müssen internationaler werden. Sie müssen endlich wieder ein Technikzentrum in England aufmachen. Wenn du Champagner herstellen willst, ist es gescheit, in Frankreich zu sein. Wenn du Schinken machen willst, brauchst du einen Sitz in Parma. Aber wenn die Formel 1 machst, dann musst du eben in England sein.»
«Es ist schwierig, die Leute nach Italien zu holen. Maranello ist kein Wohnort, von dem alle Engländer träumen. In der Formel 1 passieren keine Wunder. Es braucht Kreativität, Einfallsreichtum, begabte Menschen. In England liegen im Umkreis von 60 Kilometern die Werke von acht Rennställen – Maranello ist davon weit entfernt, und dafür bezahlen sie einen Preis.»
Der langjährige Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone hat das so formuliert: «Ferrari ist zu italienisch, um zu gewinnen.»
Eine Ferrari-Aussenstelle in Grossbritannien böte den Vorteil, auf viele Techniker rückgreifen zu können, die gerne für Ferrari arbeiten möchten, die jedoch nicht nach Italien ziehen wollen. Aber Sergio Marchionne war strikte gegen solche Pläne, und Mattia Binotto will davon auch nichts wissen.
Dabei klappte das früher durchaus: McLaren-Designer John Barnard erhielt zwei Millionen Dollar Jahresgage (damals wurde kein Techniker besser bezahlt) und führte ab 1987 ein Design-Büro in England, das «Ferrari Guildford Technical Office», kurz Ferrari GTO. Dort baute er unter anderem das erste halbautomatische Getriebe für Ferrari, wenn der Fahrer mit einer Wippe hinterm Lenkrad schaltet und nicht mehr mit dem klassischen Schaltknauf.
Ralf Schumacher, sechsfacher GP-Sieger und heutiger Formel-1-Experte von Sky, ist auf der Linie von Flavio Briatore, wenn er sagt: «Es war der Wunsch des verstorbenen Ferrari-Präsidenten Sergio Marchionne, dass Italiener bei Ferrari das Sagen haben müssen. Diese Ansicht halte ich für romantisch, aber so funktioniert das in der Realität nicht. Die Formel 1 ist international. Die entscheidende Frage für mich lautet: Ist Mattia Binotto bereit, von aussen Leute anzuwerben, um Herr der Lage zu werden. Wenn nicht, dann ist er der Falsche auf dieser Position.»
Der frühere Formel-1-Pilot Christian Danner sagte: «Ferrari ist im Mittelfeld verschwunden. Irgendwann ist Schluss mit lustig. Es muss etwas passieren, auch wenn das technisch keine Hilfe ist, wenn Köpfe rollen. Ferrari sucht immer die Schuld bei den Fahrern oder den Umständen. Man sollte sich lieber mal an die eigene Nase fassen. Die Piloten können aus dem Auto auch nur das rausholen, was es hergibt. Manchmal habe ich den Eindruck – sie wissen bei Ferrari eigentlich nicht, was sie genau machen.»
Die Ferrari-Teamchefs
Seit 2019: Mattia Binotto
2014: Maurizio Arrivabene
2014: Marco Mattiacci
2007–2014: Stefano Domenicali
1993–2007: Jean Todt
1992/1993: Sante Ghedini
1991: Claudio Lombardi
1989–1991: Cesare Fiorio
1978–1988: Marco Piccinini
1977: Robert Nosetto
1976: Daniele Audetto
1976: Guido Rosani
1974/1975: Luca Montezemolo
1973: Sandro Colombo
1971/1972: Peter Schetty
1968–1970: Franco Gozzi
1967: Franco Lini
1962–1966: Eugenio Dragoni
1958–1961: Romolo Tavoni
1957: Mino Amorotti
1956: Eraldo Sculati
1952–1955: Nello Ugolini
1947–1951: Federico Giberti
1935–1940: Nello Ugolini
1934: Federico Giberti
1932/1933: Mario Lolli
1930/1931: Saracco Ferrari