MotoGP: VR46-Team ist nicht einverstanden

Ferrari unter Erfolgszwang: Einige Probleme unlösbar

Von Mathias Brunner
​Kein Fahrer-WM-Titel seit 2007, kein Sieg im Konstrukteurs-Pokal seit 2008: Der neue Ferrari-Teamchef Fred Vasseur hat sehr viel Arbeit. Wir sagen, welches die grössten Probleme bei Ferrari sind.

Das Leiden der Tifosi ging 2022 weiter – nach gutem Saisonstart war irgendwann die Luft raus. Charles Leclerc siegte in Bahrain und in Australien, in Saudi-Arabien wurde er Zweiter, die Ferrari-Fans schöpften Hoffnung, dass der Monegasse zum ersten Fahrer-Weltmeister mit Ferrari seit Kimi Räikkönen 2007 werden könnte. Aber dann ging Ferrari im WM-Rennen gegen Max Verstappen und Red Bull Racing die Puste aus.

Der Italiener Mattia Binotto kündigte, bevor er gefeuert werden musste. Der neue Heilsbringer in Maranello heisst Fred Vasseur, und der 54-jährige Franzose wird die Ärmel sehr weit hoch krempeln müssen, um die zahlreichen Probleme der Italiener aus der Welt zu schaffen. Und einige Schwierigkeiten sind so vielschichtig, dass sich die Frage aufdrängt, ob sie überhaupt aus der Welt geschaffen werden können.

Problem 1: Entwicklung
Egal ob mit Fernando Alonso, mit Sebastian Vettel oder mit Charles Leclerc – letztlich zerschellten die Titelhoffnungen von Ferrari daran, dass die Konkurrenz effizienter entwickelte. Ferrari begann 2022 mit dem unumstritten schnellsten Auto, aber dann fielen die Italiener hinter Red Bull Racing zurück, gegen Ende der Saison mussten sich die Roten auch von Mercedes auf der Nase herumtanzen lassen.

Problem 2: Standfestigkeit
Motorschaden bei Charles Leclerc in Spanien (in Führung liegend), Motorschaden für den Monegassen auch in Baku, damit war auch das Rennen in Kanada kompromittiert, weil Charles nach dem Einbau neuer Motorteile nach hinten rücken musste. Spektakuläres Motorfeuer bei Carlos Sainz auf dem Red Bull Ring.

Beim Grossen Preis von Mexiko wirkte Ferrari zahnlos, und endlich gab Teamchef Mattia Binotto erstmals zu, was wir in der Höhenluft von Mexiko-Stadt geahnt hatten. «Wir mussten Leistung zurückfahren, um in Sachen Standfestigkeit auf der sicheren Seite zu bleiben.»

Problem 3: Rennstrategie
In Monaco verlor Lokalheld Charles Leclerc wegen einer ungeschickten Boxenstopp-Strategie die Führung. In England holte Ferrari Leclerc unter Safety-Car nicht an die Box, erneut fiel der Monegasse zurück. Ausgerechnet Ferrari-Stallgefährte Carlos Sainz gewann.

In Ungarn erhielt Leclerc den harten Reifen mit auf den Weg, obschon längst klar war, dass diese Mischung an jenem Tag eine schlechte Wahl ist. In Brasilien wurde Leclerc in der Quali auf Intermediates auf die Bahn geschickt, alle anderen Fahrer waren auf Slicks.

Das sind nur einige Beispiele für Patzer am Kommandostand, dazu kamen endlose Diskussionen am Funk zwischen Fahrer und Technikern. Fred Vasseur wird mit all dem aufräumen müssen.

Problem 4: Boxenstopps
Gewiss, auch bei anderen Rennställen sitzt beim Reifenwechsel nicht jeder Handgriff. Aber Ferrari taucht in der Jahresliste von F1-Logistiker DHL in Sachen Reifenwechsel-Speed nur auf Rang 4 auf, Klassenbester ist Red Bull Racing. Das übelste Beispiel: Als Carlos Sainz in Zandvoort an die Box kam, lagen für den Spanier die falschen Reifen bereit. Mehrfach wurden in der Saison Fahrer zu spät an die Box gerufen, so wie in Brasilien Leclerc.

Problem 5: Hackordnung
Wir haben den grössten Respekt vor Carlos Sainz, immerhin hat der 28-jährige Madrilene in seiner ersten Saison 2021 mit Ferrari gleich mal Leclerc hinter sich gelassen. Aber mit dem 2022er Auto kam Charles besser zurecht, Leclerc war der Einzige, der Verstappen in Sachen Speed regelmässig die Stirn bieten konnte. Ferrari muss sich den Vorwurf gefallen lassen: Hätten die Italiener von Anfang an auf Leclerc gesetzt, hätte man länger vom Titel träumen dürfen.

Problem 6: Psychologie
Wenn wir schon bei Charles Leclerc sind: Das Verhältnis zwischen Mattia Binotto und seinem Star-Fahrer erkaltete im Sommer; der Monegasse ist einer jener Fahrer, die das Gefühl vermittelt bekommen müssen, wirklich geliebt zu werden, dann kann er sich ideal entfalten. Vasseur ist seit Jahren eng mit Charles befreundet und gilt als Piloten-Versteher.

Problem 7: Mentalität
Es ist Mattia Binotto an der Spitze des Ferrari-Rennstalls nicht gelungen, einen Hunger zu erzeugen, wie er die Teams von Mercedes-Benz und Red Bull Racing beseelt. Die Teamchefs Toto Wolff und Christian Horner haben in Sachen Einstellung fast identische Worte gesagt: «Wir gehen jedes Rennen an, als hätten wir noch keinen einzigen Grand Prix gewonnen.»

Es reicht nicht, das grosse Ferrari zu sein, die Mitarbeiter müssen den Erfolg mit jeder Faser ihres Körpers wollen. Sieger-Mentalität beginnt im Kopf. Fred Vasseur muss das bei seinen Mitarbeitern verinnerlichen.

Problem 8: Politik
Die vielleicht kniffligste aller Baustellen für Fred Vasseur. Der langjährige Ferrari-Designer Aldo Costa, der sich 2012 zu Mercedes abseilte, hat gesagt: «Bei Ferrari bist du unter ständiger Beobachtung. Die Medien machen Druck, die Tifosi machen Druck, die Aktionäre machen Druck, der Barista macht Druck, bei dem du am Morgen einen Espresso trinkst.»

Der Druck von aussen, durch die hohen Erwartungen der Tifosi und durch eine gnadenlose Presse, das ist das Eine. Das Andere ist der interne Druck. Es braucht eine klare Linie des Ferrari-Präsidenten John Elkann, es braucht einen Benedetto Vigna als Ferrari-CEO, der sich nicht in die Belange des GP-Rennstalls einmischt. Aussagen aus der Führungsetage dürfen auf dem dünnen Eis der italienischen Medienlandschaft nicht den leisesten Knackser erzeugen.

Formel 1 2023

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15. Februar: Mercedes in Silverstone
16. Februar: Alpine in London

Wintertests
23. bis 25. Februar: Bahrain International Circuit

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19.03. Saudi-Arabien-GP, Jeddah Corniche Circuit, Dschidda
02.04. Australien-GP, Albert Park Circuit, Melbourne
30.04. Aserbaidschan-GP, Baku City Circuit, Baku *
07.05. Miami-GP, Miami International Autodrome, Miami
21.05. Emilia Romagna-GP, Autodromo Enzo e Dino Ferrari, Imola
28.05. Monaco-GP, Circuit de Monaco, Monte Carlo
04.06. Spanien-GP, Circuit de Barcelona-Catalunya, Montmeló
18.06. Kanada-GP, Circuit Gilles Villeneuve, Montreal
02.07. Österreich-GP, Red Bull Ring, Spielberg *
09.07. Grossbritannien-GP, Silverstone Circuit, Silverstone
23.07. Ungarn-GP, Hungaroring, Budapest
30.07. Belgien-GP, Circuit de Spa-Francorchamps, Spa *
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03.09. Italien-GP, Autodromo Nazionale di Monza, Monza
17.09. Singapur-GP, Marina Bay Street Circuit, Singapur
24.09. Japan-GP, Suzuka International Racing Course, Suzuka
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22.10. Austin-GP, Circuit of the Americas, Austin *
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05.11. Brasilien-GP, Autódromo José Carlos Pace, Interlagos *
18.11. Las Vegas-GP, Las Vegas Street Circuit, Las Vegas
26.11. Abu Dhabi-GP, Yas Marina Circuit, Yas Island

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