Formel 1: Ein selten kurioser Unfall

Immer der «Bad Guy»: Die perfekte Rolle für Alonso

Von Andreas Reiners
Fernando Alonso

Fernando Alonso

Fernando Alonso ist in der Formel 1 in der Regel der Bösewicht. Der Spanier bedient diese Rolle allerdings auch gerne und fühlt sich darin wohl. Für die Fans der Königsklasse ist das ein echter Gewinn.

Fernando Alonso hat immer gerne zugegriffen, wenn ihm die Rolle des Bösewichts angeboten wurde. Das kam in all den Jahren, in denen er die Motorsport-Königsklasse mitgeprägt hat, oft genug vor. Der Spanier weiß, wie er die Klaviatur der Dramaturgie zu spielen hat, wie er die Vorurteile bedienen, mit ihnen spielen muss.

Trotzdem überraschte er in der vergangenen Staffel der Netflix-Erfolgsserie «Drive to Survive» mit einer sehr deutlichen Aussage zu seiner eigenen Position in der Formel 1: «Ich bin auf der dunklen Seite.»

So schlimm, wie es sich anhört, ist es nicht. Alonso ist vielmehr das, was nicht nur der Formel 1, sondern dem Sport allgemein heutzutage in einem von Marketing und PR getriebenen Weichspül-Geschäft oft fehlt – ein echter Charakter, ein Sportler, der seine Meinung offen sagt und sich den Mund nicht verbieten lässt. Er ist jemand, der weiß, wie das Spiel funktioniert. Parallel dazu ist der Spanier ein bisschen geheimnisvoll, verwegen. Der perfekte «Bad Guy» eben. Für ihn ist das wie maßgeschneidert.

«Man muss einen Charakter spielen»

Die Formel 1 sei eine großartige Show – auf der Strecke und auch außerhalb, betonte Alonso bei der BBC. «Und man muss einen Charakter spielen. Was auch immer einem zugewiesen wird. Du musst die Geschichte verkaufen, du musst sagen, wer die Guten und wer die Bösen sind. In jedem Rennen, in jeder Diskussion, in jeder Polemik gibt es immer eine gute und eine böse Macht, gute und böse Jungs.»

Und er gehört eben zur dunklen Seite. Im Grunde ungewollt natürlich. «Die Leute generell, die Medien oder was auch immer, sie stellen mich immer auf die schlechte Seite. Als ob ich etwas falsch gemacht hätte oder so», sagte er.

Klar: Zu seiner Rolle gehört natürlich auch die Saga, man habe ihn da ein Stück weit reingedrängt. Beispiele, dass Alonso selbst keinerlei Kind von Traurigkeit ist, gibt es aber auch genug. Er trägt also mindestens genauso viel «Schuld» daran wie die Medien, die die Geschichte vom spanischen Schurken immer wieder gerne erzählen.

Die Rolle perfektioniert

Doch mit seinen 42 Jahren hat er nicht nur seinen Frieden damit gemacht, er hat die Rolle perfektioniert. Wie er im vergangenen Sommer den Rücktritt von Sebastian Vettel ausnutzte, am selben Rennwochenende noch quasi in einer Nacht-und-Nebel-Aktion den Rennstall wechselte und Ex-Arbeitgeber Alpine wie Deppen aussehen ließ – das war großes Kino und eine beeindruckende Kunst, nach einer eigentlich miesen Aktion unterhalb der Gürtellinie als Gewinner dazustehen. Er hat bei sämtlichen Rennställen, für die er arbeitete, verbrannte Erde hinterlassen. Trotzdem: Alle wissen in der Formel 1, was sie bekommen. Einen der wohl komplettesten Fahrer, der immer noch zum Besten gehört, was die Königsklasse zu bieten hat. Wenn man weiß, wie man ihn bei Laune hält.

«Ich fühle mich gut», sagte er: «Es macht mir nichts aus.» Warum sollte es auch? Seiner Beliebtheit tut es keinen Abbruch, die Fans lieben ihn, die Medien auch, die Konkurrenten fürchten und achten ihn. «Das Wichtigste ist, dass die Leute dich immer noch wollen und sich dafür interessieren, wie lange dein Vertrag noch läuft, weil sie Interesse daran haben, dich in Zukunft fahren zu sehen», sagte er.

Und weil er es eben versteht, seine Rolle zu spielen. Als Außenseiter inszeniert er sich auch gerne, oft betont er, dass es nicht einfach sei gegen die stark britisch geprägte Formel 1. "Ich bin Spanier und ich hatte nicht viel Unterstützung, wir haben nicht diesen Medienzug, der alles ausschalten kann. Wir sind nur ein kleines Land aus dem Süden Europas, und wir nehmen alles, was nicht in Ordnung ist, einfach hin und sind damit einverstanden", so Alonso.

Endlich wieder konkurrenzfähig

Der einsame Kämpfer: In dieser Saison kann er das endlich wieder auf der Strecke ausleben, denn im Aston Martin ist er nach langer Zeit wieder reif für das Podium, auch wenn es zuletzt Rückschläge gab. Doch die Reaktionen auf Alonsos überraschende Erfolge in Grün haben bewiesen, wie populär er ist und wie sehr das Publikum Charaktere wie ihn braucht. «Alle haben es sehr begrüßt, dass ich in eine wettbewerbsfähigere Position zurückkehre», sagte Alonso. «Auch für Aston Martin - jeder ist froh, dass ein neues Team in den Kampf einsteigt. Wir sehen auf den Tribünen eine Menge grüner Farbe.»

Und die Fans sehen einen Alonso, der sogar ein echter Teamplayer sein kann, der seinem Teamkollegen Lance Stroll unter die Arme greift, der die Mannschaft antreibt, anstatt sie zu spalten. «Ich weiß, was meine Rolle ist», sagte Alonso. Er versuche, dem Team zu helfen, in allen Bereichen zu wachsen, und er versuche, auch Stroll in allem zu helfen, sagte er: «Ich bin froh, wenn ich helfen kann.»

Und kündigte an: «Es gibt noch Raum für Verbesserungen. Es sind erst die ersten sechs Monate im Team und es wird noch viel kommen.» Und das nicht nur sportlich, sondern auch in seiner Rolle als Bösewicht.

WM-Stand (nach 12 von 22 Grand Prix, inkl. 3 von 6 Sprints)  

Fahrer 
01. Verstappen 314 Punkte
02. Pérez 189
03. Alonso 149
04. Hamilton 148
05. Leclerc 99
06. Russell 99
07. Sainz 92
08. Norris 69
09. Stroll 47
10. Ocon 35
11. Piastri 34
12. Gasly 22
13. Albon 11 
14. Hülkenberg 9
15. Bottas 5 
16. Zhou 4
17. Tsunoda 3
18. Magnussen 2 
19. Sargeant 0
20. De Vries 0 
21. Ricciardo 0

Konstrukteurspokal
01. Red Bull Racing 503 Punkte
02. Mercedes 247
03. Aston Martin 196
04. Ferrari 191
05. McLaren 103
06. Alpine 57
07. Williams 11
08. Haas 11
09. Alfa Romeo 9
10. AlphaTauri 3

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