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Sprint 2025: Kommt die umgekehrte Startaufstellung?

Von Mathias Brunner
Start zum Grand Prix von Australien 2024

Start zum Grand Prix von Australien 2024

​Traditionalisten unter den GP-Fans kommt das pure Grausen: Formel-1-Geschäftsleiter Stefano Domenicali denkt wieder einmal darüber nach, die Startaufstellung umzudrehen – an den Sprint-Wochenenden.

Im Juli 2021 fand in Silverstone erstmals ein Formel-1-Wochenende im so genannten Sprint-Format statt, damals mit einem freien Training und der Quali für den Grand Prix am Freitag, mit einem freien Training und dem Sprint am Samstag, und das Ergebnis des Sprints gab dann die Startaufstellung vor für den Grand Prix vom Sonntag.

Ab 2023 lief das anders: Freies Training am Freitag, dann die Quali für den Sonntag. Der Samstag stand ab sofort für sich alleine, mit der Sprint-Quali und dann dem maximal 100 Kilometer langen Mini-GP am Samstag sowie dem WM-Lauf am Sonntag.

2024 erneut eine Änderung: Freies Training am Freitag, dann Sprint-Quali. Am Samstagmorgen der Sprint, am Nachmittag die Quali für den Grand Prix. Am Sonntag der WM-Lauf.

Hintergrund: Laut Reglement 2023 war es bisher ab Freitagnachmittag nicht mehr erlaubt, an der Abstimmung zu arbeiten. Anders gesagt – wer sein Set-up vergeigt hatte, der sah für den Rest des Wochenendes alt aus oder dem blieb nichts Anderes übrig, als die Parc fermé-Regel zu brechen und dann von weit hinten loszufahren.

Die meisten GP-Fans haben sich damit arrangiert, dass es sechs Mal im Jahr ein Wochenende nach dem Sprintformat gibt. Formel-1-CEO Stefano Domenicali will das auf acht Wochenenden ausbauen, auch das dürften die meisten GP-Anhänger schlucken.

Aber die nächste Stufe wird Ärger geben. Denn wieder einmal denkt Domenicali ernsthaft darüber nach, die Hälfte der Startaufstellung umzudrehen, wie das in den Formeln 2 und 3 getan wird – eine Idee, die vor Jahren Ex-Teamchef Flavio Briatore ins Gespräch gebracht hat.

Die Denke dahinter: Die schnellsten Fahrer müssen sich im Sprint nach vorne kämpfen. Das soll besseren Sport erzeugen. Die Reaktionen unter den Fans in den sozialen Netzwerken sind anhaltend deutlich – das entspricht nicht der Leistungsgesellschaft Formel 1, das ist zu künstlich.

Wiederholt hat Domenicali zu diesen Bedenken gesagt: «Wir müssen für alles offen bleiben. Wenn etwas der Unterhaltung dienlich sein kann, dann haben wir die Verpflichtung, darüber nachzudenken. Am Anfang gab es auch bei den Sprints sehr viel Skepsis, heute sind sie akzeptiert.»

Dennoch müssen sich die Fans derzeit keine grossen Sorgen machen: Eine Änderung des Ablaufs mit teils umgekehrter Reifenfolge müsste die verschiedenen Entscheidungsstufen im Formel-1-Sport durchlaufen – also Weiterreichen dieser Idee an die so genannte Formel-1-Kommission, Abstimmung dort, bei Annahme Vorlegen der Idee zum so genannten FIA-Weltrat, der die Reglementsänderung abnicken muss.

Die Mitglieder der Formel-1-Kommission sind die Weichensteller. In diesem Gremium sitzen Vertreter des Autosport-Weltverbands FIA (vertreten durch den Präsidenten Mohammed Ben Sulayem), der Rechteinhaber von Formula One Management (kurz FOM, vertreten durch Serien-CEO Stefano Domenicali), aller zehn Teams sowie der vier im GP-Sport vertretenen Motorhersteller. Die Kommission tagt vier Mal im Jahr.

Und nicht alles wird einfach durchgewunken. So wurde zum Beispiel 2024 der Plan unterbunden, ab 2025 das Punktesystem zu ändern, damit Hinterbänkler eher zu WM-Zählern kommen.

Viele Fans haben schon wieder vergessen, in welch sehr unterschiedlichen Formaten seit 1950 gefahren worden ist. Hier unsere Übersicht.

1950–1996: Abschlusstraining mal zwei
Vor der Gründung der Formel 1 wurden die Startpositionen schon mal ausgelost. Doch mit Beginn der Formel-1-WM änderte sich das: Ein entscheidendes Training am Freitag, eines am Samstag. Daran änderte sich stattliche 46 Jahre lang nichts, selbst wenn es zahlreiche Nuancen gab. Wir erinnern uns an die Qualifikations-Reifen, die nach einer schnellen Runde in die Tonne kamen; unvergessen auch die Minutenbrenner der stärksten Turbo-Motoren in den 80er Jahren, mit Werten jenseits von 1300 PS.

Viele denken angesichts des heutigen Magerfelds von 20 Autos wehmütig zurück, als Ende der 80er Jahre eine Vorqualifikation eingeführt werden musste. Bis zu 39 Autos wollten an einem GP teilnehmen, daher wurde schon am Freitagmorgen in dreißig brutalen Trainingsminuten gesiebt.

Großer Nachteil des so lange verwendeten Formats: Nach einem Freitag bei gutem Wetter bedeutete ein Samstag im Regen, dass die Zeiten nicht mehr verbessert werden konnten. Es musste sich etwas ändern.

1996–2002: Die Stunde der Wahrheit
In nur noch 60 Minuten und bei maximal zwölf Runden wurde ab nun der Mann für die Pole-Position gesucht. Was als Thriller gedacht war, wurde teilweise zur Formel Gähn – oft warteten die besten Piloten bis zum Schluss der Quali, um auf die Bahn zu gehen, wenn die weniger schnellen Autos die Piste gesäubert hatten und sich die Strecke im besten Zustand präsentierte. Daher erneut eine Änderung.

2003: Es kann nur eine geben
Die scheinbare Lösung des Problems: Jedes Auto geht einzeln auf die Bahn. Vorteil – Hinterbänkler erhalten so viel Aufmerksamkeit wie Top-Piloten. Am Freitag gab es eine Stunde in diesem Format, die Fahrer machten sich in Reihenfolge des WM-Stands auf die Socken. Am Samstag dann die Entscheidung, dieses Mal mit dem Langsamsten des Freitags als erstem Fahrer auf der Bahn, mit dem Schnellsten ganz zum Schluss. Gefahren wurde überdies am Samstag mit der Spritmenge, mit welcher auch ins Rennen gegangen wurde. Nachteil: Wechselnde Wetterverhältnisse machten die Quali zur Lotterie.

2004: Alles am Samstag
Die beiden Einrunden-Einsätze wurden auf den Samstag verschoben. Neu zu Beginn in Reihe des Einlaufs des vorhergegangenen Rennens. Die beiden Segmente lagen nun so dicht beisammen, dass Schlitzohre begannen, bei wechselndem Wetter taktisch zu fahren. Etwa in der Art, im ersten Teil absichtlich zu patzen, um im zweiten Teil zu Beginn fahren zu können – weil Regen im Anmarsch war und es von Nachteil sein würde, gegen Ende des Trainings auf der Bahn zu sein.

2005: Zückt die Taschenrechner!
Daher die Lösung: Die Zeiten der beiden Einzel-Darbietungen wurden neu addiert. Eine Runde am Samstagmorgen mit wenig Sprit, eine Runde am Sonntagmorgen mit jener Spritmenge, mit welcher ins Rennen gegangen wurde. Dieses System mochte keiner, weil der Samstag entwertet wurde. Nach sechs GP-Wochenenden war Schluss. Für die restlichen dreizehn Qualifyings wurde nur noch am Samstag gefahren, mit Rennspritmenge.

2006/2007: Die Ausscheidung
Endlich konnten wieder mehr Runden gefahren werden, aber erstmals gab es ein Ausscheidungsverfahren mit drei Quali-Segmenten. Die Fans fanden das sehr gut, aber perfekt war es nicht – denn noch immer musste zum Schluss mit jener Spritmenge gefahren werden, die ein Pilot ins Rennen mitzunehmen gedachte.

2008/2009: Kleine Änderung
Der Quali-Dreiteiler blieb, doch jetzt konnte nach Q3 kein Kraftstoff mehr nachgefüllt werden.

2010: Das heutige Format
Nachtanken im Rennen war passé, damit konnten die Piloten im Abschlusstraining endlich wieder mit ganz wenig Benzin auf die Bahn gehen und es nach Herzenslust krachen lassen.

2016: Missglücktes Experiment
Für die Saison 2016 wurde ein Ausscheidungsverfahren eingeführt – die Uhr läuft und in regelmäßigen Abständen scheidet der jeweils langsamste Fahrer aus. Das sollte Überraschungsmoment fördern. In der Praxis waren alle vom Blick auf die herunterzählende Uhr fasziniert, weniger vom Geschehen auf der Bahn. Einige Rennställe schickten ihre Piloten zu spät auf die Bahn und gaben sich damit der Lächerlichkeit preis. War es für die angeblich besten Strategen der Branche zu schwierig auszurechnen, wann der eigene Fahrer auf die Bahn muss, um nicht von der Stoppuhr abgefangen zu werden? Jeder Zweitklässler kann das.

Gipfel der Peinlichkeit beim WM-Auftakt in Australien: Wenige Minuten vor Schluss des Qualifyings in Melbourne, theoretisch die heißeste Phase des Formel-1-Abschlusstrainings, nun sollte es für die besten Grand-Prix-Fahrer der Welt um alles gehen. Wer ist der schnellste Mann im Albert-Park? Und dann das: Auf der Bahn – niemand. Die Fans trotteten von den Tribünen davon, die meisten schüttelten ungläubig den Kopf darüber, was sie soeben erlebt hatten. Viele fluchten, völlig zu Recht. Die Formel 1 hatte sich wieder mal bis auf die Knochen blamiert.

Entrüstete Fans forderten ihr Geld zurück, Fahrer und Teamchefs schimpften, und was machte die damalige Formel-1-Führung? Sie schickte das Feld in Bahrain gleich nochmals im Ausscheidungsverfahren auf die Bahn. Das Ergebnis war nicht besser, der Ärger der Fans dafür grösser. Ergebnis: Zum dritten WM-Lauf 2016 in China kehrte die Formel 1 zum bewährten System zurück – bis zur Einführung der Sprints.

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