Frank Williams: Vom Bettler zum Weltmeister
Am 28. November 2024 hörte das Kämpferherz von Frank Williams auf zu schlagen – die Formel 1 verlor einen Selfmade-Millionär, dessen Racer-Mentalität ungebrochen war. Seine grössten Erfolge hat der Rennstall gefeiert, da sass der Chef wegen eines Autounfalls im März 1986 längst im Rollstuhl.
Frank Williams wurde als Sohn eines Offiziers der Royal Air Force und einer Lehrerin im englischen South Shields geboren. Als die Ehe seiner Eltern zerbrach, kümmerten sich in erster Linie seine Tante und sein Onkel um ihn, den grössten Teil seiner Kindheit und Jugend verbrachte er jedoch im Internat St. Joseph's College in Dumfries in Schottland.
Seine Liebe zum Motorsport wurde geboren, als er in den 1950er Jahren bei einem Freund in einem Jaguar XK150 mitfuhr.
Nach einem kurzen Ausflug als Rennfahrer, ein Hobby, das er durch Arbeit als fliegender Händler finanzierte, gründete Frank Williams 1966 seinen ersten Rennstall «Frank Williams Racing Cars», für den in den nächsten Jahren unter anderen Piers Courage und Tony Trimmer in der Formel 2 und der Formel 3 antraten. Jahrelang war es kein ungewöhnliches Bild, dass Williams in Europas Fahrerlagern um Geld oder Benzin bettelte, um von Rennen irgendwie wieder nach Hause zu kommen.
Williams finanzielle Lage war bisweilen so angespannt, dass er Telefonate bezüglich seines Rennstalls von einer öffentlichen Zelle aus führen musste, weil sein Telefon wegen unbezahlter Rechnungen wieder einmal gesperrt worden war.
Trotz chronischer Geldprobleme ellbögelte sich Williams bis in die Formel 1 hoch. Eine Zusammenarbeit mit dem italienischen Sportwagenhersteller De Tomaso endete tragisch – der von Dallara gebaute Renner von Frank Williams’ engem Freund Piers Courage ging in Zandvoort 1970 in Flammen auf, der Erbe der Bierdynastie hatte keine Überlebenschance.
1972 baute Williams das erste eigene Formel-1-Auto, den Politoys FX3, Henri Pescarolo zerstörte den bei einem Unfall schon im ersten Rennen.
Der unbeugsame, mehrsprachige Engländer sah sich immer nach Sponsoren um und klopfte auch bei Marlboro und Iso Rivolta, einer italienischen Automarke, an. Beide versprachen Unterstützung, hielten ihre Zusagen auf langfristige Abkommen aber nicht. Williams tat sich 1976 mit dem Öl-Magnaten Walter Wolf zusammen. Aber dort merkte Frank bald, dass er nicht mehr Herr im Hause war.
Der Durchbruch
Ein Jahr später verliess Williams gemeinsam mit seinem Angestellten Patrick Head das Team, die beiden Freunde gründeten gemeinsam «Williams Grand Prix Engineering». Sie setzen mit Patrick Nève einen March-Renner ein, eine Zusammenarbeit mit saudischen Sponsoren begann.
Das veränderte alles.
Mansour Ojjeh, Kopf der Investmentfirma TAG (Techniques d’Avant Garde), stolperte als Gast der saudischen Königsfamilie über den Motorsport – die hatte ihm zum Monaco-GP 1978 eingeladen. Die saudische Familie unterstützte damals den Rennstall von Frank Williams. TAG stieg ein Jahr später bei Williams ein. Mit Clay Regazzoni wurde in Silverstone 1979 der erste Grand Prix gewonnen, es folgten die WM-Titel 1980 mit Alan Jones und 1982 mit Keke Rosberg.
Frank Williams war in der Formel 1 vom Bettler zum König geworden: Heute steht sein Team bei neun Konstrukteurs-Pokalen, sieben Fahrer-WM-Titeln (Alan Jones 1980, Keke Rosberg 1982, Nelson Piquet 1987, Nigel Mansell 1992, Alain Prost 1993, Damon Hill 1996 und Jacques Villeneuve 1997), bei 114 Siegen, 128-Pole-Positions und 133 besten Rennrunden.
Der Unfall
Am 6. März 1986 veränderte sich Frank Williams' Leben von einer Minute auf die andere. Er war auf dem Weg von der Rennstrecke Paul Ricard zum Flughafen in Nizza, als er die Kontrolle über seinen Ford Sierra verlor, sich überschlug und zwischen Sitz und platt gedrücktem Dach eingeklemmt wurde. Dabei brach er sich zwischen dem 4. und 5. Rückenwirbel das Rückgrat und ist seitdem auf den Rollstuhl angewiesen, ausgerechnet Williams, den Fitnessfanatiker, der zum Ausgleich meilenweit joggte.
1987 wurde Frank Williams von der Queen mit dem CBE (Commander of the Most Excellent Order of the British Empire) ausgezeichnet, 1999 wurde er zum Ritter geschlagen. Ausserdem wurde er von Frankreich für seine Arbeit mit Renault-Motoren mit dem Titel des Ritters der Ehrenlegion ausgezeichnet. Die bisher letzte Ehrung bekam Frank Williams in Form seiner eigenen Strasse in Didcot. Am 15. Oktober 2012 enthüllte er das Schild der «Sir Frank Williams Avenue» persönlich.
Die dunkelste Stunde
Am 1. Mai 1994 schlug für Frank Williams und sein Team die schwärzeste Stunde, als Ayrton Senna in Imola in seinem Auto tödlich verunglückte. Im Anschluss wurde Williams von der italienischen Staatsanwaltschaft wegen Totschlags angeklagt, eine völlig unnütze Hexenjagd, Williams wurde nach einem jahrelangen Verfahren aber freigesprochen. Alle Williams-Renner tragen seitdem einen Aufkleber mit dem Senna-S auf den Frontflügeln.
Frank Williams war seit 1974 mit Virginia Berry verheiratet. Sie schenkte ihm zwei Söhne, Jonathan und Jaime, und eine Tochter, Claire. Virginia (Ginny) Williams erlag am 7. März 2013 im Alter von 66 Jahren dem Krebs.
Im September 2016 zog sich Sir Frank eine Lungenentzündung zu, nachdem er sich einem Eingriff am Rücken unterzogen hatte. Aufgrund seines generellen Zustandes erholte er sich langsamer als ein normaler Patient.
Die Zeit ging auch an Frank Williams nicht spurlos vorbei. Viele Details über sein Hollywood-reifes Leben waren nicht mehr abrufbar, sein brillanter Verstand verblasste. Sein Team kämpfte in den vergangenen Jahren mit grossen Schwierigkeiten.
Im August 2020 hat die US-amerikanische Investmentfirma Dorilton Capital die Firma Williams Grand Prix gekauft. Die Familie Williams mit Firmengründer Sir Frank Williams und seiner Tochter Claire zog sich aus dem operativen Geschäft zurück. Es war der einzige Weg, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Unter Teamchef Jost Capito geht es wieder bergauf.
Frank Williams hat sich von seinem Schicksal nie unterkriegen lassen. Wie sein früherer Pilot Clay Regazzoni hat er gezeigt: Man kann auch im Rollstuhl aufrecht durchs Leben ziehen.
Wir vermissen das spitzbübische Lächeln und den feinen Humor dieses grossen Kämpfers.