Willkommen in Mokpo!
Der Fliegende Holländer auf südkoranisch
Das Bild täuscht – natürlich ist es noch Tag, als wir in Mokpo ankommen – einer Stadt mit knapp 300000 Einwohnern, die von einem Kollegen anlässlich des ersten Südkorea-GP als «am A..... der Welt» bezeichnet worden ist.
Ich persönlich meine ja, er meinte damit «am Anfang der Welt»: denn sollte nicht hier ein glorreiches Kapitel asiatischer Formel-1-Geschichte begonnen werden?
Aber der Reihe nach.
Gemessen am wirbligen Seoul ist das bedächtige Mokpo ungefähr wie ein Eichhörnchen nach vier Espressi neben einer Schnecke auf Valium.
Es muss etwas in der Luft sein: Schon im Strassenverkehr auf der scheinbar endlosen Fahrt Richtung Süden ist die Hälfte der Autofahrer sanft entschlummert.
Machen wir ein kleines Spiel: Welche der folgenden vier Aussagen sind NICHT richtig?
1) Die meisten Autobahn-Benutzer sind ein Bündnis fürs Leben mit der linken Fahrspur eingegangen, wo sie stoisch unterhalb der Tempogrenze von 110 km/h verharren – komme hinter ihnen, was wolle.
2) Alle paar Kilometer stehen Radargeräte, um die Südkoreaner auf ihren automobilen Gehorsam zu überprüfen.
3) Wer an einer der uniformen Autobahn-Raststätten einen Hotdog bestellt, sollte nicht zu lange darüber nachdenken, mit welchem Körperteil des Hundes er es hier zu tun hat.
4) Die Formel-1-Rennstrecke präsentiert sich exakt so wie vor einem Jahr.
(Antwort: ganz unten, aber nicht Schummeln …)
Wir würden ja nie behaupten, dass die Fahrt Richtung Mokpo eintönig werde. Aber hätten wir die Wahl, dann würden wir beim nächsten Mal lieber Farbe beim Trocknen zuschauen.
Gleichwohl ist Mokpo nicht ganz soooo schlimm, wie es viele meiner Kollegen glauben: Was können die Einwohner hier dafür, wenn der damalige Staatschef seiner Heimat-Provinz etwas Gutes tun wollte und ihnen einen Grand Prix zuschanzte? Er selber hätte gewiss auch nicht geahnt, dass er bald nicht mehr im Amt sein würde, die Provinz aber auf den Kosten fürs Rennen sitzen bleibt.
Den Menschen von Mokpo ist das Rennen so gut wie einerlei. Den Menschen hier sind auch die meisten Besucher einerlei, was an einer Sprachbarriere liegt, hoch wie der Mount Everest. Dafür die Südkoreaner verantwortlich zu machen, wäre unangemessen – schliesslich besteht unser einziges koreanisches Wort bislang aus «gamsahamnida», das nur mit einer Eselsbrücke auf Bayrisch zu meistern ist: «Gams hammer nie da», versuchen wir uns zu merken. Das klingt für koreanische Ohren gewiss schauderhaft (selbst wenn wir darauf achten, dass das dritte A betont werden soll), hat aber schon zu beträchlichen Lachsalven geführt. Und da soll noch einer behaupten, modernes Reisen sei humorlos.
Gleichwohl stimmt uns das Rennen hier schon nachdenklich: So hübsch das Layout dieser Strecke ist, so sehr wird dieser Grand Prix zum Fliegenden Holländer der asiatischen Rennen (aus diesem Grund haben wir übrigens das Foto ausgesucht, es handelt sich um ein Restaurant). Die Koreaner werden mit Ach und Krach ihren Vertrag erfüllen (da sind wir aber nicht so sicher), sie werden mit dem Rennen nie Gewinn machen (da schon), und dann wird der F1-Tross abreisen und diese Anlage dem Zerfall überlassen (da ganz sicher).
Langsam geht die Sonne unter. Wir blicken vom Pressesaal (worin sich derzeit sieben Kollegen verlieren) direkt aufs Meer hinaus. Die Sonne zeichnet mit weichem Pinsel Farben vorwiegend in Goldtönen, die Luft ist voller Libellen, das ist wirklich schön. So ruhig wird es am restlichen Wochenende hier nie mehr sein. Sondern erst wieder am Montag.
PS:
3) und 4) sind NICHT richtig – der Hotdog ist tadellos, die koreanische Küche darf sich sehen lassen, da scheitert man gewiss nicht an einer so leichten Übung; und an der Strecke sind grosse Solarenergie-Plattenfelder errichtet worden.