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Vor 30 Jahren ging Mr. Lotus

Von Guido Quirmbach
Gründer und Herrscher von Lotus: Colin Chapman (Bild von 1981)

Gründer und Herrscher von Lotus: Colin Chapman (Bild von 1981)

Colin Chapman war einer der innovativsten, aber auch umstrittensten Konstrukteure in der Geschichte des Motorsports.

Das Leben des Lotus-Gründers hatte so viele Ereignisse, Höhen und Tiefen, weshalb der Ausdruck «Portrait» an dieser Stelle vollkommen unangemessen wäre. Deshalb hier nur einfach einige Meilensteine, die an das Genie erinnern:

Colin Chapman, Jahrgang 1928 studierte Hoch- und Tiefbau sowie später Luftfahrttechnik. Nach einigen Jahren in der Royal Air Force sowie einem Unternehmen für Aluminium-Technik gründete er 1952 die Firma Lotus Cars.

Neben einigen kleineren Serien-Sportwagen war der Rennsport schnell das Metier, in dem sich Chapman wohl fühlte. Für ihn war schnell klar, dass Power nicht alles ist. Leichtbau war eines seiner Schlagworte, es macht das Auto überall schneller.

Wie so viele Konstrukteure der damaligen Zeit versuchte sich Chapman auch selbst als Rennfahrer und schaffte es 1956 sogar bis zum Grand Prix von Frankreich in Reims, musste aber nach einem Trainingsunfall auf den Start verzichten. Übrigens nicht in einem eigenen Fahrzeug, sondern am Steuer eines Vanwall, mit Frank Costin, einem der Ingenieure von Vanwall, pflegte Chapman eine Freundschaft. Danach konzentrierte sich Chapman auf seine Rolle als Rennwagenbauer, mit dem Lotus 16-Climax stand 1958 erstmals ein Lotus, wenn auch noch mit viel Vanwall unter der Verkleidung, auf dem Grid eines Grand Prix.

Chapman baute nicht einfach Rennwagen, er ging immer einen Schritt weiter und versuchte, der Konkurrenz technisch einen Schritt voraus zu sein. Kleinere und grössere Innovationen gab es viele, seinen ersten richtungsweisenden Geniestreich brachte Chapman 1962 mit dem Lotus 25-Climax. Dieser Wagen wurde erstmals nicht von einem Gitterrohrahmen, sondern von einem Monocoque zusammengehalten. Ein Jahr später wurde Jim Clark auf diesem Wagen überlegen Weltmeister, der erste Titel für Lotus. Zwei Jahre später konnte Clark nicht nur den Titel erneut einfahren, sondern siegte auch bei den 500 Meilen von Indianapolis.

1967 gab es durch Lotus erneut einen Meilenstein in der Formel-1-Technik: Der Lotus 49 wurde vom neu entwickelten Ford-Cosworth V8-Motor angetrieben. Und dabei nicht ins Monococque eingebaut, sondern angeflanscht und als tragendes Teil verwendet.

Beim Grossen Preis von Frankreich 1968 in Rouen tauchte auf einem Lotus erstmals in der Formel-1-Geschichte ein Heckflügel auf. Eines der vielen Dinge, die heute im Motorsport Standard sind und aus der Feder von Chapman stammen. Heute kein Standard, aber damals sensationell war der Einsatz eines Gasturbinen-Lotus bei den 500 Meilen von Indianapolis, der kurz vor dem Ende in Führung liegend ausfiel.

Doch all die Innovationen hatten auch ihre Schattenseiten. Denn oft waren die neuen Teile noch nicht ausgereift und den Belastungen auf der Rennstrecke nicht gewachsen. «Wenn mich mein eigenes Rad überholt, weiss ich, dass ich in einem Lotus sitze» sprach Graham Hill, selbst 1968 auf Lotus Weltmeister. In jenem Jahr, als im April Jim Clark auf dem Hockenheimring bei einem Formel-2-Rennen tödlich verunglückte- in einem Lotus.

Auch 1970 waren Triumph und Tragödie bei Lotus nahe beieinander. Jochen Rindt wurde posthum Weltmeister für Lotus, nachdem er in Monza wegen eines technischen Defektes tödlich verunglückte. Aus Angst vor behördlichen Ermittlungen blieb Chapman für einige Jahre dem Grand Prix von Italien fern.

1972 gab es einen erneuten WM-Titel für Lotus durch den jungen Brasilianer Emerson Fittipaldi. Mit der schwarz-goldenden Lackierung in den Farben von Sponsor «John Player» setzte Chapman auch in der Vermarktung seines Rennstalls neue Massstäbe.

1977 tauchte mit dem Lotus 78 erstmals ein Wagen auf, die unter den Seitenkästen ein umgekehrtes Flügelprofil hatten. Der dadurch gewonnene Anpressdruck führte zu wesentlich höheren Kurvengeschwindigkeiten als bei einem herkömmlichen Formel 1. Mit dem der Weiterentwicklung des «Wing Cars», dem Lotus 79, wurde Mario Andretti 1978 Weltmeister, es war der letzte Titel der englischen Schmiede bis heute. Beinahe ist es bezeichnend, dass Andretti den Titel genau dann sicher hatte, als sein Teamkollege Ronnie Peterson an den Folgen eines Startunfalls zum Grossen Preis von Italien starb.

Danach mache Chapman eher Negativ-Schlagzeilen. Ein Finanzskandal um John DeLorean machte die Runde, in den Chapman angeblich verwickelt sei. Für 1981 entwickelte er den Lotus 88, ein revolutionäres Fahrzeug mit zwei Chassis, um das neue Reglement mit mehr Bodenfreiheit zu umgehen. Der Wagen wurde nie zugelassen, Chapman streitete mehr mit den Kommissaren und erlebte eine Saison zum Vergessen.

Einen letzten Streich, der den Weitblick von Chapman bewies, gab es 1982. Er überredete Renault, seinen Rennstall ab der Saison 1983 mit Turbo-Motoren zu beliefern und war damit der erste Kunde eines Herstellers von Turbomotoren.

Beim Grossen Preis von Österreich 1982 beendete Elio de Angelis eine Serie von drei sieglosen Jahren von Lotus. Keiner konnte ahnen, dass Colin Chapman an diesem Tag zum letzten Mal seine Kappe in die Höhe warf. Am 16.12.1982 verstarb er an den Folgen eines Herzinfarkts.

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