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Technik-Serie: Wenn Flügel nicht nur beflügeln

Von Mathias Brunner
Spanien-GP 1969: Das konnte auf Dauer nicht gut gehen

Spanien-GP 1969: Das konnte auf Dauer nicht gut gehen

Es schien mir eine gute Idee zu sein: Wieso die ersten Flügel gestutzt werden mussten und Ästheten aufjaulten.

Gut gemeint ist leider oft das Gegenteil von gut: Die Formel 1 gilt als Schmelztigel der hellen Köpfe, aber nicht jede Entwicklung ist bahnbrechend. Viele erwecken eher den Eindruck: Der Begriff Schnapsidee beschreibt sehr schön, wie die Inspiration zustande gekommen ist …
Das Leben ist nicht immer fair: Einige Einfälle waren ihrer Zeit voraus, andere kamen hingegen etwas zu spät, wieder andere scheiterten an Umständen, die von den Technikern nicht vorhergesagt werden konnten.
In einer kleinen Serie ohne Anspruch auf Vollständigkeit möchten wir Ihnen zwölf solcher Genie- oder anderer Streiche präsentieren. Wir sind uns dessen bewusst, dass wir dabei möglicherweise einen Kniff kritisieren, den ein anderer Formel-1-Anhänger wunderbar findet. Wenn wir also etwas provozieren, dann immer auch mit Augenzwinkern und ohne bösen Willen.
Aus der Serie «Es schien mir eine gute Idee zu sein», präsentieren wir Ihnen heute:

Flügel

Schon 1928 hatte Fritz von Opel an seinem RAK2-Raketengefährt links und rechts des Cockpits zwei umgekehrte Flügelprofile montiert.
Rund 30 Jahre später verblüffte Michael May am Nürburgring 1956 mit einem riesigen Flügel an seinem privaten Porsche 550 Spyder. Der Schweizer Ingenieur konnte den Flügel sogar verstellen. Als May im Training schnellere Zeiten hinlegte als Fahrer vom Kaliber eines Juan Manuel Fangjo oder Jean Behra, hatte Porsche-Rennleiter Huschke von Hanstein genug gesehen – er protestierte. Woraufhin das Rennkommissaren-Gremium die Neuheit als «unsicher» einstufte und verbot.
Der nächste helle Kopf, der mit dem Flügel-Konzept spielte, war Jim Hall mit seinen legendären Chaparral-Rennern.
1968 dann spürten endlich auch Formel-1-Techniker Lust auf Geflügel: Brabham und Ferrari pröbelten zur gleichen Zeit damit herum, Jacky Ickx gewann prompt den Frankreich-GP in Rouen mit einem kleinen, mittschiffs angebrachten Flügel (ebenfalls verstellbar).
Nun gab es kein Halten mehr. Die Abtriebs-Erzeuger wurden grösser und grösser, die Stützen länger und länger, das Unvermeidliche geschah: Beim Spanien-GP 1969 in Montjuich (Barcelona) brachen an beiden Lotus die Heckflügel-Streben, Graham Hill und später Jochen Rindt krachten in die Leitschienen. Worauf der Motorsport-Verband die Notbremse zog und die Flügel in dieser Form verbot.
Natürlich liessen sich die Techniker etwas anderes einfallen: die Flügel kehrten zurück, zunächst in kleinerer Form, später wieder grösser, der Trend war nicht mehr zu stoppen und wurde nach und nach ins Reglement eingewoben. Heute sind Front- und Heckflügel in der Formel 1 so normal wie der Reifen.
Allerdings gab es zwischendurch aerodynamische oder ästhetische Irrwege, die uns das folgende Sammelsurium an Hässlichkeiten beschert haben: den Teetisch am March 711 von 1971 und 1972 (einen auf die Knubbel-Nase aufgesetzten Flügel in der Form eines, nun, Sie wissen schon), den Gabelstapler-Heckflügel bei March 1975 (Kaffeetisch-grosse Flügel-Zusätze hinter den Hinterrädern), die X-Flügel links und rechts des Cockpits am Tyrrell 025 von 1997 (eine Idee, die unter anderem auch von Ferrari oder Sauber aufgegriffen wurde), den Zusatzflügel-Boom 2001 (über der Fahrzeugnase wie am Arrows oder auf dem Cockpit wie am Jordan montiert, aber gleichermassen unschön), 2008 von Honda zu sogenannten Dumbo-Ohren verfeinert und in der gleichen Saison von BMW-Sauber zu ebenso hässlichen Hörnern stilisiert.
Offenbar beflügeln Flügel auch die Phantasie.

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