Alain Prost: «Faule Fahrer sind chancenlos»
Alain Prost, neuerdings mit Bart
Vieles ist geblieben: das lockige Haar, der leicht verträumte Blick. Einiges ist neu: Alain Prost trägt seit neuestem Bart.
Der Franzose – vor zwei Tagen 58 Jahre alt geworden – lacht: «Ach, das. Nun, ich hatte da was über der Oberlippe, also habe ich mir einen Schnauz wachsen lassen. Der hat mir so gut gefallen, dass ich den Bart auch ums Kinn herum wachsen liess. Findest du nicht, dass mir das ganz gut steht?»
Der Formel-1-Champion von 1985, 1986, 1989 (jeweils mit McLaren) und 1993 (mit Williams) ist heute Markenbotschafter jener Firma, mit der er die ersten Siege im GP-Sport feiern konnte, Renault. Wir setzen uns zum Gespräch.
Alain, wir schauen uns hier im Renault-Werk den neuen Turbomotor an. Was geht dir dabei durch den Kopf?
(Lacht.) Die neuen Turbos sind genau nach meinem Geschmack. Ich würde einiges dafür geben, als Fahrer in dieser neuen Ära anzutreten.
Was muss ein Fahrer für die neue Motoren-Generation mitbringen?
Der Umgang mit der neuen Technik bringt mich zum Schluss: Faule Fahrer werden chancenlos sein. Man muss sich in die Technik vertiefen. Vor dem Hintergrund beschränkter Testfahrten wird nur ein Fahrer Erfolg haben, der sein Auto versteht. Es ist ein wenig wie früher, zu meiner Zeit.
Wie warst du denn damals?
Ich war unheimlich neugierig, ich wollte alles verstehen. Daher habe ich unglaublich viel Zeit mit meinen Ingenieuren verbracht. Ich war immer der Meinung, dass nur ein herausragender Pilot einen Sinn für Technik haben muss. Es geht ja nicht nur ums Fahren alleine. Man musste sich um den Spritverbrauch kümmern, um die Reifen, um den Bremsenverschleiss. Das sind alles Aspekte, die mir in Fleisch und Blut übergegangen sind. Wer mit seinem Auto rau umgesprungen ist oder sich nicht für Technik interessierte, der hatte keine Chance. Und das sehe ich heute genau so.
Ich habe auch bei Renault und bei Porsche viel Zeit an den Prüfständen verbracht. Bei Honda war das aus geographischen Gründen nicht so möglich, wie ich es gerne gehabt hätte.
Welche Fahrer werden also deiner Meinung nach ab 2014 Erfolg haben?
Fahrer, die sich im Team einbringen, die ihre Rolle nicht nur übers reine Lenkraddrehen definieren, sondern überall präsent sind. Das sind die Vettels und Alonsos unserer Zeit. Ein modernen Fahrer muss wie ein Schwamm sein, alles in sich aufsaugen, ein guter Kommunikator sein und eben wissbegierig.
Was sind vom Fahrer her die Unterschiede zwischen den 80er Jahren und heute?
Das ist gar nicht so verschieden, wie man denken könnte. Du musst Speed mitbringen, das ist klar, du musst aber vor allem das Team um dich herum scharen. Ich finde, Vettel macht das bei Red Bull Racing hervorragend. Vettel ist vielleicht nicht ein so dominanter Charakter wie Alonso, aber er hat unheimlichen Charme und Schalk, ganz abgesehen von einem schweren rechten Fuss, und daher ist das Team wie eine Familie geworden. Genau so muss das sein. Würde man ihn entwurzeln und in einen Rennstall verpflanzen, wo ein rauerer Wind weht, könnte er Probleme haben.
Wie siehst du generell den Sport?
Die Formel 1 muss ja die Spitze des Motorsports sein. Von der Technik her mache ich mir da keine Sorgen, wohl aber, was die Qualität der Fahrer angeht. Ein Drittel des Feldes hat doch seinen Platz nur dank ihrer Mitgift erhalten. Ich habe seit zehn Jahren vor diesem Trend gewarnt. Wir haben viel zu viele Monoposto-Serien, zu viele Fahrer in zu vielen Kategorien. Die nehmen sich gegenseitig potentielle Sponsoren weg.
Ich weiss, es ist schwierig, den Weg hoch zur Formel 1 zu kanalisieren, aber mir scheint, früher war das schon etwas geradliniger: Karting, Formel Ford oder Formel Renault, Formel 3, Formel 2, Formel 1, voilà. Als ich anfing, war es ziemlich simpel: Beim «Volant elf» hast du gewusst – wenn du es gewinnst, dann kannst du ein Jahr lang fahren, wenn du es nicht gewinnst, dann kommst du schwerlich weiter. Also sind die besseren Piloten weitergekommen und nicht jene, die am meisten Geld hatten.
Heute fahren einige Piloten vier, fünf oder sechs Jahre in der gleichen Kategorie und scheinen nicht vom Fleck zu kommen. Kannst du dir vorstellen, was das kostet? Nein, wir müssen zu einem System zurückfinden, bei welchem Talent belohnt wird.