Silverstone-GP: Boxenstopps sind Schlüssel zum Sieg
Durchaus möglich, dass wir am kommenden Sonntag beim britischen Grand Prix in Silverstone eine Boxenstopp-Orgie wie in Barcelona erleben. Sollte das Wetter wärmer werden als erwartet, so kann Pirelli-Rennchef Paul Hembery drei bis vier Stopps pro Fahrer nicht ausschliessen. Das bedeutet gleichzeitig: Die Arbeit der flinken Mechaniker ist noch wichtiger als sonst.
Experten wie BBC- und SPEEDWEEK-Technikexperte Gary Anderson glauben: «Die Zweisekunden-Grenze bei Boxenstopps wird nicht nur fallen, Stopps unter zwei Sekunden werden die Regel sein. Und was noch viel wichtiger ist – die Reifenwechsel werden konstant so schnell. Denn was nützt dir ein 1,8er Wechsel, wenn dann beim Nächsten etwas schiefgeht und das Auto acht Sekunden lang steht? Deshalb arbeiten die Teams nicht nur im Hinblick auf rohen Speed, sondern vor allem auf gleichmässig schnelle Wechsel.»
Gleichmässig schnell – wo liegen wir da? Wie gross ist der Graben zwischen Top-Team und Hinterbänklern?
Die FIA misst bei den Boxenstopps Haltezeiten plus Fahrzeit durch die Boxengasse. Wenn wir jetzt als gegeben erachten, dass alle Renner mit gleichmässigem Tempo durch die Boxengasse fahren (vom Speed-Limiter in Silverstone auf 60 km/h begrenzt), dann ergeben sich aus dem Montreal-GP für die Boxenmannschaften folgende Durchschnittswerte:
1. McLaren 20,212 sec
2. Ferrari 20,372
3. Mercedes 20,656
4. Red Bull Racing 20,716
5. Toro Rosso 20,739
6. Lotus 20,859
7. Force India 21,000
8. Sauber 21,014
9. Marussia 21,374
10. Williams 21,637
11. Caterham 22,033
Zwischen dem besten und dem schlechtesten Team liegen pro Stopp also rund 1,8 Sekunden.
Selbst bei Mittelfeld-Teams wird das Reifenwechseln unablässig und hundertfach in der Woche geübt. Normal sind im Werk 30 komplette Reifenwechsel, also am ganzen Fahrzeug, pro Tag. Dazu üben die flinken Mechaniker auch an Wechsel-Stationen ihren Einzeljob. Ein Mechaniker stöhnt: «Da fallen dir abends dann Finger und Arme ab.»
Das Körperliche ist das eine, clevere Rennställe gehen noch einen Schritt weiter: die Mechaniker werden auch mental trainiert. Der Druck, im entscheidenden Moment alles richtig zu machen, ist enorm.
Wie oft in der Formel 1 sind die finanziell besser gerüsteten Rennställe im Vorteil. Der Versuch beispielsweise, neue, teurere, schneller drehende Schlagschrauber zu verbieten, ist grandios misslungen. Wie üblich konnten sich die Rennställe auch hier nicht auf einem gemeinsamen Nenner einigen.
Einige Teams arbeiten mit magnetisch an Ort gehaltenen Radmuttern, mit verschiedenen Beschichtungen des Materials, mit optimiertem Gewinde, die italienische Firma Paoli hat ihre Schlagschrauber längst mit LED-Leuchten ausgerüstet – wenn der Schrauber beim Festzurren einen gewissen Widerstand spürt, geht ein Licht an, und der Mechaniker weiss, das Rad sitzt fest.