Russen-Deal: Jetzt redet Monisha Kaltenborn (Sauber)
Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn ist erleichtert
19 Minuten und 19 Sekunden zeigt der Zähler meines Diktiergeräts: so lange hat Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn hier im Fahrerlager des Hungarorings mit den Formel-1-Medienvertretern gesprochen. Einige Fragen sind geklärt worden, andere nicht, greifbar ist wenig, vage bleibt vieles. Ein Journalisten-Kollege beim Verlassen des Sauber-Gästebereichs: «Es ist ein wenig wir bei einem Politiker – es wurde viel gesprochen, aber was wurde eigentich gesagt?» Doch lesen Sie selber.
Frau Kaltenborn, was ist seit der Bekanntgabe des Russen-Deals passiert?
Das Wichtigste ist bereits passiert, wir haben unser Abkommen. Wir sind sehr glücklich und erleichtert. Jetzt arbeiten wir an der Umsetzung dieser Kooperation, die sehr komplex und umfassend ist. Der Grossteil davon konzentriert sich auf Technik. Wir wissen aus unserer früheren Zusammenarbeit mit Petronas, dass hier sehr viel Detailarbeit gefragt ist – denn es handelt sich um eine langfristige Zusammenarbeit, und daher ist auch eine langfristige Planung vonnöten. Daran arbeiten wir.
Wie viele Russen sollen denn in Hinwil arbeiten?
Das sind Fragen, die wir derzeit gemeinsam klären. Wir haben eine gemeinsame Vision, jetzt geht es um die Umsetzung aller Details.
Wie wird der Rennstall nächstes Jahr heissen?
Es ist nicht geplant, den Team-Namen zu ändern.
Jeder kennt die teilweise dramatischen Schlagzeilen um Sauber. War dieser Deal überlebenswichtig für Sauber?
Bei uns lag der Fokus nicht auf den Schlagzeilen, sondern darauf, diesen Deal in trockene Tücher zu bekommen. Wir haben nun eine Weile mit diesen Partnern gearbeitet, aber uns war von Anfang an klar, dass alles seine Zeit brauchen würde – wegen der Komplexität des Abkommens. Wir haben also ruhig gearbeitet und liessen uns wenig davon beeindrucken, was hüben und drüben berichtet wurde.
Aber war der Deal überlebenswichtig für Sauber?
Es wäre nicht richtig für uns, so zu denken. Es ging nichts ums Überleben oder nicht. Es ist nicht das erste Mal, dass wir harte Zeiten durchleben mussten. Wir wussten, dass es Wege zum Überleben gibt. Es ging aber auch um die Frage: Will man einfach nur überleben oder will man wieder eine langfristige Perspektive haben, die Erfolg verheisst. Nur langfristige Partnerschaften ergeben eine solche Perspektive.
Waren die Russen die einzige Hoffnung?
Nein, wir hatten andere Optionen. Wir fanden einfach, der Russen-Deal bietet die beste langfristige Perspektive.
Eine simple Frage: Ist aus Russland bereits Geld geflossen?
Wir sprechen nie über Geld, und ich gedenke nicht, das jetzt zu ändern.
Über das Abkommen mit dem Fussballklub Chelsea gibt es einen Draht zum russischen Milliardär Roman Abramowitsch. War er in die Verhandlungen verwickelt?
Nein, er hat dabei keine Rolle gespielt.
Einige fanden bei der Verkündung des Deals: Das klingt alles zu schön, um wahr zu schein. Viele im Fahrerlager sind noch immer dieser Meinung. Was erwidern Sie den Zweiflern?
Ich habe überhaupt keinen Anlass, an etwas zu zweifeln. Sie müssen vielleicht die Zweifler fragen, warum sie eine andere Meinung haben.
Entschuldigung, aber ich verstehe die Ziele dieser Investoren nicht ganz. Sie investieren also viel Geld, wie ich höre, aber was erhalten sie dafür?
Das Hauptziel besteht in einer technischen Kooperation. Dazu tragen beide Seiten ihr technisches Know-how bei, und dann sehen wir, wie wir das gemeinsam entwickeln können. Ich glaube, es ist nicht allen Leuten ganz klar, welches technische Niveau in Russland teilweise zu finden ist. Solche Deals haben nicht immer mit Marketing und Kommerz zu tun. Kern ist das technische Wissen, jenes der Russen und unseres. Dazu wird es ein gemeinsames Entwicklungszentrum geben, dessen Aufbau wir in die Wege geleitet haben.
Der zweite Teil des Abkommens besteht im Aufbau des Fahrers, Sergey Sirotkin. Da sind wir derzeit dabei, für ihn ein Vorbereitungsprogramm auf die Beine zu stellen. Er hat ja derzeit keine Superlizenz, also müssen wir Mittel und Wege finden, ihn auf jenes Niveau zu bringen, damit er diese Superlizenz erhält.
Der dritte Teil des Abkommens besteht darin, die Formel 1 in Russland populärer zu machen. Wir fahren ja 2014 erstmals in Russland, beim Grand Prix in Sotschi. Also wollen wir unseren Sport den russischen Menschen näher bringen. Das sind die drei elementaren Bestandteile dieser Partnerschaft.
Ich habe zwei Fragen: Wann wird diese Partnerschaft auf dem Wagen sichtbar? Und wie genau wollen Sie dem jungen Sergey die erforderlichen Testkilometer geben?
Zur ersten Frage – das werden Sie schon sehr bald herausfinden. Das haben wir auch damals bei unserer Medien-Erklärung festgehalten. Was die zweite Frage angeht: Wir müssen nun in Ruhe schauen, welche Möglichkeiten wir hier haben. Es wurde beispielsweise herumgereicht, dass Sirotkin in den Freitag-Trainings zum Einsatz kommen könnte. Aber das ist keine Option, so lange er keine Superlizenz besitzt. Wir werden andere Wege finden, ihm die notwendigen Kilometer zu geben.
Hand aufs Herz – ist Ihnen wirklich wohl dabei, einen heute erst 17-Jährigen in die Formel 1 zu hieven? Immerhin sind seine bisherigen Ergebnisse nicht besonders eindrucksvoll, da wäre es vielleicht gescheiter, ihn noch ein Jahr GP2 fahren zu lassen.
Wir müssen eine Lösung finden, die für ihn fair ist. Wir sind uns unserer Verantwortung Sergey Sirotkin gegenüber durchaus bewusst. Wir waren schon zuvor in ähnlichen Situationen, obgleich vielleicht nicht mit einem so jungen Fahrer. Ich glaube, wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir mit so einer Situation richtig umgehen können. Wir wissen, dass Sergey gewisse Kriterien erfüllen muss, und wir werden ihm alle Möglichkeiten dazu geben. Aber elementar ist, dass er dabei keinen Schaden nimmt. Wir gehen das Schritt um Schritt an, hier wird niemand verheizt.
Was aber, wenn sich zeigt, dass er für die Formel 1 noch nicht bereit ist? Wie wird sich das dann auf das Investment der Russen auswirken?
Wir stehen erst am Anfang. Da machen wir uns keine Gedanken darüber, was wir unternehmen werden, wenn etwas nicht klappt. Das wäre reine Spekulation, und darauf lassen wir uns nicht ein.
Aber ist es nicht riskant, wenn alles mit dem Fahrer steht oder fällt?
Niemand hat je behauptet, dass alles am Fahrer hängt. Wir müssen da schon etwas vorsichtig sein. Es stimmt, dass wir bislang nicht alles kommuniziert haben, was wir eigentlich sagen wollen. Das bedeutet aber nicht, dass Sie voreilige Schlüsse ziehen sollten.
Es gab ja bereits einen russischen Stammfahrer in der Formel 1, Vitaly Petrov. Wieso setzen die Russen auf einen so jungen Fahrer statt auf einen sicheren Wert?
Das müssen Sie die Russen fragen.
Was bedeutet die Partnerschaft für Ihre Rolle als Teamchef?
Ich stehe hier und ich plane, Teamchef zu bleiben. Ein anderes Management war bei den Verhandlungen nie ein Thema. Wir wissen nicht, woher die Geschichten kommen, wonach ich abgelöst werden soll.
Sind Sie bereit dazu, den Russen Anteile am Rennstall abzutreten?
Die Besitz-Struktur des Teams wird nicht geändert. (Peter Sauber besitzt 67 Prozent, Monisha Kaltenborn 33 Prozent. M.B.)
Wir sprechen ja immer von drei verschiedenen Investoren. Steht dahinter niemand anders als die russische Regierung?
Besonders die beiden Fonds haben sehr enge Bande zur russischen Regierung. Aber wie genau dieses Band aussieht und wie das im Detail abgewickelt wird, das sind Fragen, die Sie den Verantwortlichen der Fonds stellen müssen.
Bedeutet das Abkommen mit den Russen automatisch, dass jenes mit den Mexikanern zu Ende geht?
Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun.
Haben die Probleme der letzten Wochen und Monate die Vorbereitung auf die Saison 2014 beeinträchtigt?
Ja, das müssen wir zugeben. Aber wir haben noch Zeit, und dank der Gewissheit dieser neuen Partnerschaft können wir uns nun daran machen, diese Zeit wettzumachen.