Danner: «FIA und FOTA haben sich vergaloppiert»
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Die Formel 1 ist an einem kritischen Punkt angelangt, das lässt keinen kalt, schon gar keinen, der den Motorsport so liebt, wie RTL-F1-Experte Christian Danner. Dem Internet-Portal motorsport-magazin.com gegenüber sagt der Münchner zum gegenwärtigen Schlamassel:
«Ob es dir schmeckt oder nicht - wenn du in einer Sportart antrittst, bist du an die Gesetzesstruktur innerhalb dieser Sportart gebunden. Wenn dir innerhalb dieser Sportart etwas nicht gefällt, kannst du einen eigenen Verband gründen und deine eigenen Regeln machen. Wenn du aber mitspielst und dir etwas nicht passt, höre ich entweder auf mitzuspielen oder ich versuche innerhalb der existierenden Regularien meinen Punkt durchzusetzen. Wenn ich jedoch sage: Der ist Böse und bringe so Emotionen hinein, dann muss mir klar sein, dass ich die Sporthoheit nicht dazu bewegen kann, ein völlig legal errichtetes Regelwerk zu ändern. Inhaltlich verstehe ich die Teams. Nur darf man nicht glauben, dass es hilft, bei der FIA die Daumenschrauben anzusetzen. Das bewirkt das Gegenteil.»
Danner hat aber noch Hoffnung. «Ich glaube nicht, dass wir schon am Ende der Verhandlungen angelangt sind. Zunächst einmal ist eine alternative Rennserie möglich. Ob die Serie aber je fahren wird, steht auf einem anderen Blatt. Meines Wissens gibt es einige Verträge, an die man sich entweder halten oder eine rechtliche Auseinandersetzung riskieren muss. Das wäre das Schlimmste, was passieren könnte - eine Welt der einstweiligen Verfügungen.»
«Die Einschreibung zu einer Meisterschaft ist im Reglement festgeschrieben. Wenn es höchstwahrscheinlich einen Vertrag gibt zwischen drei Teams, der FIA und der FOM, würde es mich sehr wundern, wenn dieser Vertrag sich auf einmal in Luft auflösen könnte, der in den letzten Jahren eingehalten wurde.»
Keiner weiss derzeit, wie es weitergehen wird.
Danner: «Normalerweise wird sich am FIA-Standpunkt nichts ändern. Wenn sie etwas ändern würden, könnten die neuen Teams sie vor Gericht ziehen. Die FIA wird morgen die eingeschriebenen Teams nennen und dabei sicher Ferrari, Red Bull und Toro Rosso sowie die drei Neuen US F1, Manor GP und Campos GP erwähnen. Zudem wird es fünf Nachrücker für die fünf bedingt eingeschriebenen FOTA-Teams geben - zum Beispiel Superfund, Prodrive und Epsilon Euskadi.»
Die Hersteller sind davon überzeugt, dass eine FOTA-Rennserie funktionieren würde. Christian Danner ist davon weniger überzeugrt: «Wenn Teilnehmer ihre eigenen Regeln machen, führt das zwangsläufig in ein grenzenloses Desaster. Das wäre so, als ob der FC Bayern die Regeln für die Fussball-Bundesliga machen würde. Eine Serie ausserhalb einer Sporthoheit zu veranstalten, ist problematisch, wenn Hersteller es machen. Das sind Aktiengesellschaften, die nicht im Sinne des Sports entscheiden können, weil sie damit unter Umständen gegen ihre Aktionäre entscheiden. Es ist eine klassische Lose-Lose-Situation. Eine Abspaltung hat in der Vergangenheit der jeweiligen Sportart immer extremen Schaden zugefügt. Es gibt nur einen Weg: Mit der FIA.»
Jetzt muss jemand diesen gewaltigen Gordischen Knoten zerschlagen, und das kann gemäss Christian Danner nur einer sein.
«In dieser Situation ist Bernie Ecclestone normalerweise happy, denn das Chaos ist so grenzenlos, dass niemand mehr durchblickt. Dann betritt er den Raum und ist der grosse Retter. Davon gehe ich diesmal auch aus. Wenn jemand nicht mitfahren möchte, kann man ihn nicht dazu zwingen - ausser er hat einen Vertrag unterschrieben. Vorerst gebe ich einer Piratenserie keine Chance. Eine Drohung ist historisch betrachtet immer gut, nur Krieg ist nie gut. Ferrari hat es zu Zeiten von Enzo Ferrari immer hinbekommen, einen speziellen Deal, mehr Geld und Sonderrechte zu bekommen. Das hat Jean Todt perfekt weitergespielt und sogar noch erweitert. Aber er wusste: Wann immer du politisch drohst, kommst du irgendwann an den Punkt, an dem du die Drohung auch in die Tat umsetzen musst. Da haben sich Ferrari und die FOTA diesmal vergaloppiert.»