Lotus-Teamchef Boullier: «Das Internet explodiert»
Lotus-Teamchef Eric Boullier mit Kimi Räikkönen und Romain Grosjean
Ende 2008 wurde der Franzose Eric Boullier (39) Geschäftsleiter der Firma «Gravity Sport Management». Dort kümmerte er sich um die Nachwuchsfahrer Tambay, Vietoris oder d’Ambrosio. Als langjähriger Teamchef des Rennstalls DAMS kennt Boullier die Branche in- und auswändig. Daher kam seine Berufung zum Teamchef von Lotus nicht überraschend, nachdem Gerard Lopez (Genii Capital) den früheren Renault-Werksrennstall übernommen hatte. Die brennendste Frage an Boullier dreht sich natürlich um Star-Fahrer Kimi Räikkönen.
Eric, ist dein Leben leichter geworden, als klar wurde, dass Kimi Räikkönen nicht zu Red Bull Racing wechseln wird?
Überhaupt nicht. Das Grundproblem dabei sind nicht unsere Verhandlungen mit Kimi. Das Grundproblem besteht darin, dass das Internet förmlich explodiert. Es gibt immer mehr Medien, die übers Netz arbeiten. Der überwiegende Teil davon sitzt zuhause im stillen Kämmerlein, kopiert nur, was in anderen Portalen steht, teilweise wird nicht nur kopiert, sondern auch noch falsch zitiert, oder es werden die falschen Schlüsse gezogen. Die Wenigsten dieser Leute spricht mit uns oder macht sich die Mühe, eine kursierende Story bei uns gegenzuprüfen. Die Szene ist so ausgewuchert, dass seriös arbeitende Medienschaffende zusehens unter Druck geraten, mit ihren Geschichten ein Echo zu erzeugen. Es ist so schlimm geworden, dass man offenbar heutzutage wohl alles schreiben kann. Das ist ein Problem, mit dem alle Rennställe zu kämpfen haben. Zuweilen finden die Unseriösen mal ein Körnchen Wahrheit, aber in der Regel scheint es ihnen egal zu sein, ob an einer Geschichte etwas dran ist oder nicht.
Und was ist nun wahr?
Wahr ist, dass wir der Meinung sind: Eine Erfolgskombination soll man nicht ändern. Als Genii Capital den Rennstall von Renault übernahm, haben wir einen Fünfjahresplan gestaltet, dessen Ziel vorsieht, Lotus zu einem Top-Team zu machen, das in jedem Rennen um Podestplätze mitreden und den Markentitel gewinnen kann. Genii Capital hat dazu viel Geld in die Hand genommen. Wir haben einiges erreicht, nun wollen wir uns stabiliseren. Das wiederum bedeutet – wir müssen weitere Investoren einbringen. Das sehe ich derzeit als den schwierigsten Teil. Wir wissen auch: Erfolg kommt in der Formel 1 nur dank Kontinuität. Daher besteht unser Ziel darin, mit den gleichen Fahrern weiterzuarbeiten. Und wir wollen unsere Techniker-Aufstellung verstärken.
Welches sind eure Ziele für den letzten Teil der Formel-1-WM?
Wir haben in der ersten Hälfte der Saison acht Podestplatzierungen errungen, darunter den Sieg im Australien-GP mit Kimi. Wir halten es für realistisch, mindestens vier weitere Podestränge zu erobern, selbst wenn es im zugegeben im Abschlusstraining von Monza nicht gut gelaufen ist. Wir müssen es schaffen, in jedem Rennen konkurrenzfähig zu sein. Wir hatten einige Wochenenden, an welchen das Auto einfach nicht schnell genug war, leider scheint Monza dazu zu gehören. Wir fahren derzeit nicht auf Niveau von Red Bull Racing, aber im Bereich von Mercedes und Ferrari und meist vor McLaren. Das müssen wir stabilisieren. Unlängst hat eine Studie in Grossbritannien ergeben, dass wir in Sachen Entwicklung das zweitbeste Team der Formel 1 sind. Angesichts unserer Ressourcen dürfen wir darauf stolz sein.