Marko: «Ja oder nein - vielleicht gibt's nicht»
Mitten im Erfolg: Dr. Helmut Marko (mitte) mit Schützling Sebastian Vettel und Teamchef Christian Horner
Toro Rosso ist mit der Beförderung von Daniil Kvyat zum Formel-1-Piloten die Überraschung des Herbstes gelungen. Der 19-jährige Russe darf im nächsten Jahr neben Jean-Eric Vergne im Red Bull-Nachwuchsrennstall sein Debüt in der Königsklasse geben. Er folgt auf Daniel Ricciardo, der seinerseits ins Weltmeister-Team Red Bull Racing aufsteigt.
Der Choreograph des Wechsel-Balletts der Red Bull-Eigengewächse ist Dr. Helmut Marko, der früher selbst in verschiedenen Serien Rennen fuhr und an zehn Grands Prix teilnahm. Der 70-jährige Grazer leitet als Red Bull-Motorsportkonsulent das Junioren-Programm von Red Bull und berät ausserdem das Weltmeister-Team Red Bull Racing. SPEEDWEEK.COM hat sich mit dem Kopf des Nachwuchsprogramms zusammengesetzt.
Dr. Marko, seit 1999 leiten Sie das Red Bull Nachwuchsprogramm, das unter anderem auch Weltmeister Sebastian Vettel hervorgebracht hat. Sie hatten damals auch ihren Anteil am Formel-1-Einstieg von Juan Pablo Montoya. Was macht ein Spitzentalent aus?
Da muss ich zuerst anmerken: Es reicht heutzutage nicht, ein Spitzentalent am Steuer zu sein. Nehmen wir Juan Pablo Montoya als Beispiel. Er war unglaublich schnell, aber er war nicht fit. Er trainierte nicht und wir konnten ihn nicht kontrollieren. Er achtete nicht auf seine Ernährung und hielt seine Diät nicht ein, obwohl er übergewichtig war. Er war aber ein Talent und am Steuer einfach unglaublich. Ich erinnere mich an ein Strassenrennen in Helsinki, da war er zwei Sekunden schneller als der Rest des Feldes. Doch dann crashte er. Er hatte es einfach nicht unter Kontrolle. Als Gesamtpaket ist Sebastian sehr viel weiter. Er sitzt mit seinen Ingenieuren zusammen und trainiert hart. Wir haben ein Fitness-Diagnostik-Zentrum in Österreich, in dem alle Red Bull-Athleten regelmässig untersucht werden. Als Seb begann, dauerte es nur ein halbes Jahr, bis er der Beste war. Wenn man körperlich in guter Verfassung ist, wirkt sich das auch auf die Reaktionsfähigkeit im Rennen aus. Die anderen Fahrer werden irgendwann einmal müde, aber Seb wurde das nie. Er ruft die Leistung immer im richtigen Moment ab.
Sebastian Vettel ist sechs Jahre jünger als Fernando Alonso. Ist das Alter ein Problem?
Nein, denn heutzutage stehen ja nur 19 oder 20 Rennen auf dem Programm, und es wird nebenbei kaum noch getestet. Es ist also nicht so anspruchsvoll wie in den alten Tagen. Auch der technische Fortschritt hat da seinen Beitrag zu geleistet, Steuern und Schalten ist heutzutage einfacher geworden.
Was machte denn früher einen guten Rennfahrer aus?
Seine Fähigkeit, Partys zu feiern (lacht).
Sie sind schon lange im Rennsport-Geschäft. Wann setzte denn die Veränderung in der Formel 1 ein?
Als Bernie Ecclestone das Business übernahm. Er hat die Kommerzialisierung vorangetrieben. Und damit büsste die Formel 1 viel von ihrer Abenteuerlichkeit ein. Dann stieg Porsche aus...
Auch in ihrer jüngeren Geschichte hat die Formel 1 einige Abgänge von Fahrzeugherstellern verkraften müssen, etwa jene von BMW und Toyota. Warum ist das ihrer Ansicht nach so?
Einer der Gründe dürfte gewesen sein, dass die Entscheidungsträger erkannt haben, dass sie nicht gewinnen können...
Wie gross ist die Herausforderung, die das neue Reglement ab 2014 birgt?
Die Formel 1 wird eine neue Herausforderung für viele faszinierende Menschen. Es geht nicht nur um das neue Triebwerk, sondern auch um die Aerodynamik, den Verbrauch, das ganze Paket. Und Renault macht da einen sehr guten Job für unser Team. Der Fahrer wird wichtiger als bisher, vor allem hinsichtlich des Reifenmanagements. Ich bin auch zuversichtlich, dass wir wieder zu den Spitzenreitern zählen werden. Denn Seb hat das Sprit- und Reifenmanagement perfektioniert und alle Probleme im Griff.
Was macht denn den Erfolg von Red Bull Racing aus? Was macht das Weltmeister-Team anders?
Wir haben eine sehr schlanke Organisationsstruktur. Entscheidungen können so schnell getroffen werden, wenn’s sein muss, auch in einer Sekunde. Bei uns gibt es nicht viele Entscheidungsträger. Das ist eine unserer grössten Stärken. Bei Red Bull Racing fällt der Besitzer – also Didi Mateschitz - die Entscheidungen, und der kennt sich im Motorsport aus. Er liebt die Rennfahrerei und wir reden nach jedem Trainingstag und Renntag miteinander, wenn es die Situation erfordert. Ab und zu auch unter der Woche. Dabei wird entweder ja oder nein gesagt – vielleicht gibt es nicht.