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Formel 1 nicht sexy genug? Australier droht mit Klage

Von Mathias Brunner
Die Australier buhlen um die Verlängerung ihres Melbourne-GP-Vertrags von 2016 bis 2022. Wie hilfreich ist dabei die Dummheit, das eigene Produkt als unsexy zu bezeichnen?

Der Spritdurchfluss-Skandal von Melbourne ist schon jämmerlich genug (mehr dazu lesen Sie bitte HIER), nun erhalten wir ein neues Beispiel dafür serviert, wie man die Öffentlichkeit vor den Kopf stösst. In der Formel 1 lernt man offenbar überhaupt nichts dazu.

Andrew Westacott ist Geschäftsleiter der «Australian Grand Prix Corporation» (kurz AGPC). Er ist für einen der aufregendsten WM-Läufe der Saison verantwortlich, und er hat jedes Interesse daran, dass dem so bleibt – denn Melbourne hat einen Vertrag, der mit der Ausgabe 2015 des Saisoneröffnungsrennens ausläuft. Seit Monaten arbeiten Politiker und Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone an einem neuen Abkommen (mehr dazu lesen Sie HIER). Und genau jetzt äussert sich Westacott in australischen Medien in einer Art und Weise, die man durchaus als Nestbeschmutzerei bezeichnen könnte.

Westacott ist der Meinung, die Änderungen im Reglement samt eines neuen Motorensounds hätten zu einem geringeren Sex-Appeal des Sports geführt: «Es ist ein wenig langweiliger als zuvor, aber die Chemie muss stimmen, und Ron (Walker, die Graue Eminenz hinter dem Melbourne-GP, die Red.) hat mit Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone nach dem Rennen gesprochen und ihm klargemacht, dass die Fans die Show nicht gemocht haben.»

Nun hat sich Westacott offenbar warm geredet: «Wir bezahlen hier für ein Produkt, wir haben Verträge, und gegenwärtig schauen wir diese Abkommen sehr, sehr genau an, ob da nicht irgendwo ein Vertragsbruch vorliegt.»

Westacott bemängelt, dass der Ton nicht mehr durch Mark und Knochen gehe und er sogar nicht einmal mehr Ohrschutz tragen musste.

Bei allem Respekt für Herrn Westacott: Da stehen vielleicht alle Tassen im Schrank, aber wohl nicht ganz in der richtigen Reihenfolge ...

Wo war solche Kritik als Ferrari die Formel 1 zu Tode gewonnen hat? Wo war solche Kritik als das Reglement Grands Prix erzeugte, in welchen die ersten Zehn in der Startaufstellung ohne ein Überholmanöver dem Ziel entgegenstrebten?

Und bei wem genau dürfen wir uns beschweren, wenn sich zwei Fussballmannschaften einen Grottenkick zum Einschlafen geliefert haben?

Westacotts Aussagen klingen auf Anhieb nach reichlich Ärger und Knatsch und dem Platzen des Rennens.

In Wahrheit wird nichts davon geschehen.

Denn Westacott und Melbourne-Übervater Walker senden ganz auf der Frequenz von Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone (einem engen Kumpel von Ron Walker), der ebenfalls und seit Monaten über die mangelnde Lautstärke mault. Das ist ungefähr so intelligent als würde der Chef von Coca-Cola nach Einführung einer neuen Geschmacks-Nuance sagen, eigentlich schmecke ihm die Classic doch lieber.

Der Hintergrund dieses ganzen Säbelgerassels ist ein ganz anderer: FIA-Präsident Jean Todt wollte eine grünere Formel 1 durchpressen (unter gütiger Mithilfe von Renault, die mit Formel-1-Ausstieg gedroht hatten, wenn der Turbo nicht komme), das haben die Franzosen geschafft, gegen den Willen von Ecclestone.

Der Brite wiederum hat so viel rechtlichen Ärger am Hals, dass er leicht auf den Gedanken kommen könnte – was kümmert mich das alles noch, wenn ich in ein paar Monaten sowieso nichts mehr zu sagen habe?

Westacott ist ein Hund, der bellt, aber nicht beisst. An seiner Stelle würde ich das eigene Rennen nicht weiter schlechtreden: die Zuschauerzahlen von Melbourne sind am Sinken, und es werden bei aller Logik kaum mehr Fans kommen, wenn ich mein eigenes Produkt herunterputze.

Viel bedenklicher als Westacotts Gejammere (als Sprachrohr für jemand anderen?) ist die Tatsache, dass FIA-Präsident Jean Todt seine neue schöne Formel 1 offenbar nicht wichtig genug war, um selber nach Australien zu reisen.

Viel bedenklicher ist die Tatsache, dass die höchst faszinierende Formel-1-Hybridtechnik nicht der Welt in die Auslage gestellt wird, wie es sich gehört – dann könnten die Fans sie auch zu schätzen wissen.

Die neue Formel 1 ist durchaus sexy. Sie kommt mir vor wie eine schöne Frau, der man ein elegantes Abendkleid spendiert hat. Aber dann lässt man sie zum Abendessen zuhause sitzen.

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