Imola 1994: Trauer um Roland Ratzenberger
Das Jetzt
Bei Rudi und Margit Ratzenberger in Salzburg-Maxglan klingelte in den vergangenen Tagen häufig das Telefon. Die Anrufer waren aus Brasilien, England, Deutschland, Italien, Frankreich, Holland. Journalisten. Sie alle wollten mit den Eltern Roland Ratzenbergers sprechen über das, was vor 20 Jahren die Motorsportwelt schockierte. Als am schwarzen Wochenende von Imola freitags Rubens Barrichello in die Fangzäune flog, aber verletzt davonkam, als samstags Neuling Roland Ratzenberger in seinem dritten Qualifying in der Formel 1 tödlich verunglückte und sonntags, am 1. Mai, Superstar Ayrton Senna sein Leben lassen musste.
«Wir bekommen immer noch häufig Fanpost, allerdings in Briefform, weil wir keine Internet-User sind», sagt Rudi Ratzenberger, der pensionierte Direktor der Pensionsversicherung (81).
Auch Rennfahrerkollegen Rolands und deren Familien melden sich regelmäßig: Die Konkurrenten und Freunde aus der gemeinsamen Zeit in Japan, die Hills und Brabhams. Das Grab auf dem Maxglaner Friedhof ist stets von frischen Blumen geschmückt. Die Wohnung der Eltern Ratzenberger, die Roland kurz vor seinem Tod gekauft hatte, gleicht einem kleinen Museum: Rennanzüge, Helme, Handschuhe, Dokumente, Modellautos.
Damals, 1994
Senna und Ratzenberger waren beide 34 Jahre alt. Doch der Salzburger hatte es erst knapp vor den Testfahrten für die Saison 1994 geschafft, ein Budget für einen Platz im Neulingsteam Simtek zu erkämpfen, während der Brasilianer als dreifacher Weltmeister nach seinem Wechsel zu Williams, dem damals dominierenden Team, den vierten Titel anstrebte.
Senna wusste kaum etwas über Ratzenberger, wollte ihn aber unbedingt persönlich näher kennenlernen. Die gemeinsamen Bindeglieder waren Sennas langjähriger Masseur und engster Wegbegleiter, der Salzburger Josef Leberer, und Gerhard Berger.
Als in Imola die Europa-Saison begann, standen beide unter Druck. Senna wegen des Fehlstarts ins Rennjahr, nach dem Ausrutscher in São Paulo und dem Crash mit Häkkinen in Aida, Ratzenberger wegen des internen Duells mit David Brabham.
Roland war guten Mutes im Privatauto, begleitet von Monaco-Nachbarn JJ Lehto, nach Imola gefahren. Der elfte Rang im Pazifik-GP zuvor war seine erste Zielankunft in der Formel 1 und gab ihm Selbstvertrauen. In Imola wollte er beweisen, dass er Brabham schlagen könne und das Mittelfeld für ihn in Reichweite sei. Ein Top-Ten-Ergebnis hatte er noch Donnerstag im persönlichen Gespräch nicht ausgeschlossen.
Als er Samstag in der Mittagspause mit Kollegen Gerald Pototschnig (Kleine Zeitung) und mir im Motorhome plauderte, wurde er zusehends unruhiger. Um 12.40 Uhr meinte er: «Lasst uns nachher weiterreden, mir läuft sonst die Zeit davon.»
Um 13.22 Uhr war die Zeit für Roland in der Villeneuve-Kurve abgelaufen.
Als wahrscheinlichste Unfallursache gilt: ein beschädigter Frontflügel aus der Runde vor dem tödlichen Unfall. Ratzenberger hatte keine Chance, als der Flügel kollabierte.
Ratzenberger hatte keine Feinde, aber viele Freunde im Rennsport. Und Fans. Freunde, die sich in gemeinsamen Jahren in Japan zusammenfanden, wo sie Gegner in der Formel 3000 oder in Sportwagen waren: Mika Salo, Heinz-Harald-Frentzen, Johnny Herbert. Die Fans, das waren vor allem Japanerinnen, die den feschen Salzburger verehrten, der nebenbei der erste europäische Testfahrer von Toyota war und eine Stütze des japanischen Konzerns in Le Mans wurde.
1980, der Beginn
Im Dezember erfreuten Walter Röhrl, Franz Wittmann, Sepp Haider & Co. kältetaugliche Fans bei der Saalbacher Eis- und Schneerallye. In der Servicezone bei der Zwölferkogel-Bahn wird der Autor von zwei Teenagern angesprochen. Sie stellen sich als Roland Ratzenberger und Gerald Lachmayr aus Salzburg vor, seien Schüler einer technischen Mittelschule (HTL), wollten aber ihre Matura in Rennautos statt in der Schulbank machen. «Wie können wir am schnellsten Rennfahrer werden?» fragen sie. Der Tipp: «Geht zu Walter Lechner in die Racing School und schaut, ob ihr Talent habt.»
Das taten sie. Lachmayr gab irgendwann in der Formel Ford auf. Ratzenberger biss sich durch. Lebte in und unter Trucks, jobbte als Instruktor, Mechaniker, Notnagel für alles in Nachwuchsteams und erarbeitete sich so sein Cockpit in der Formel Ford.
Bevor die deutsche Förderin Barbara Behlau 1994 die Basis für Rolands Simtek-Vertrag legte, hatte Ratzenberger keine größeren Sponsoren. Was er einsetzen konnte, hatte er selbst erarbeitet. Siege im legendären Race of Champions und im Festival der Formel Ford 1986 in Brands Hatch machten ihn in England weit bekannter als in Österreich.
In Deutschland wurde er Nachfolger des zu Ferrari gewechselten Gerhard Berger bei Schnitzer-BMW in der Tourenwagen-WM 1987. In Japan war er Anfang der 90er-Jahre ein Star. Gewann die Tourenwagen-Meisterschaft für BMW, siegte in der Formel 3000 und bei den Prototypen.
Was er von Walter Lechner neben Rennfahren auch noch lernte: die Information der Medien, zumindest derjenigen, die sich für ihn interessierten, und das waren in Österreich vor seinem Formel-1-Einstieg ungefähr fünf Journalisten.
Wenn Roland anrief, begann er immer mit «Servas, da Roland is's». Und am Tonfall war sofort erkennbar: er war ausgeschieden und frustriert oder bedingt zufrieden oder recht happy. Er brauchte gar nicht weiterzureden, nur die Details noch schildern.
1991 zerschlug sich ein weit gediehener Deal mit Sponsoren für das Debüt Rolands bei Jordan – neben de Cesaris durfte dann Gachot Platz nehmen, der später, nach seinem Ausrutscher in London, einem gewissen Michael Schumacher Platz machen musste.
Ein CART-Test in Kalifornien für Dick Simon verlief positiv, der Einstieg in die US-Szene scheiterte aber auch am Geld. Bei Toyota fand er dann eine Art Heimat. Bis es im Winter 1993/94 mit Simtek klappte.
Aus und vorbei
Roland war 58 Tage lang Formel-1-Pilot. Geblieben ist er aber über die gesamte Karriere er selbst: ehrgeizig, bodenständig, freundlich, hoch talentiert. Und ein Kumpel, der es in seinen seltenen Salzburg-Besuchen (einer führte zu einer Blitzheirat) genoss, in einem Bierlokal zu plaudern.
Roland hätte 1994 und später noch viel vorgehabt. Und auch erreichen können.