Ein sauberer Wahlkampf?
Wie sicher ist sich Jean Todt seiner Sache?
Samstagmorgen in Interlagos: Der Regen peitscht waagrecht ins Gesicht, auf der Treppe hoch zum Pressezentrum wird uns bewusst, dass wir unseren Atem vor dem Mund sehen. Ein brasilianischer Kollege grinst: «Willkommen in Silverstone», und tatsächlich wähnen wir uns eher im herbstlichen Northamptonshire als in einem Land, das für Sonne, Sand und Samba bekannt ist.
Aber vielleicht passte das Wetter zum Geschehen: Denn in dieser Woche könnten wir vom Regen in die Traufe kommen, und der geneigte Leser ahnt es – wir müssen wieder einmal über Politik sprechen.
Am Freitag wird ein neuer FIA-Präsident gewählt. Um die Nachfolge von Max Mosley (der 1991 Jean-Marie Balestre ablöste) kämpfen ex-Ferrari-Direktor Jean Todt (Jahrgang 1946, aus Pierrefort, Frankreich) und das frühere Rallye-Ass Ari Vatanen (Jahrgang 1952, aus Tuupovaara, Finnland).
Als klar war, dass es nur zwei Kandidaten geben würde, stand für viele Insider fest – der aufrechte Vatanen würde gegen den mit allen Wassern gewaschenen Todt wenig Chancen haben.
Wie verfänglich es sein kann, sich als Sieger zu wähnen, zeigte vor 18 Jahren das Duell Balestre gegen Mosley. Der cholerische Franzose war sich seiner Wiederwahl gewiss, hatten ihm nicht zahllose Verbandsdelegierte ihre Loyalität versichert?, und dann wurde der clevere Anwalt aus London gewählt.
Wäre sich der chronische Nägelkauer Todt seiner Sache sicher, wozu hätten wir dann in den vergangenen Wochen zahlreiche und nichtssagende Würdigungen seiner Wegbegleiter im elektronischen Briefkasten gefunden? Welchen Nutzen hat es, wenn uns Schumi oder Pelé versichert, was für ein feiner Mensch Herr Todt ist?
Erleben wir einen sauberen Wahlkampf? Wetten Sie nicht darauf. Es geht um das höchste politische Amt im Automobil-Sektor. Klar stecken da Hufeisen in den Handschuhen.
Ari Vatanen fürchtet: Die Wahl werde weder fair noch transparent verlaufen. Also hat er einen Antrag am Hohen Zivilgericht von Paris eingereicht, wonach das Gericht den Wahlverlauf im Auge behalten solle.
Die FIA ätzte in einer Stellungnahme: «Hätte Herr Vatanen die Prozeduren untersucht, dann würde er verstehen, dass bereits mehr Schutzmassnahmen eingerichtet sind als er vor Gericht einfordert.»
Dem Finnen stösst sauer auf, dass der heutige FIA-Chef Mosley sich offen für Todt als Nachfolger ausspricht.
Nicht nur Todt-Anhänger glauben jedoch: Der Rallye-Weltmeister von 1981 positioniert sich bereits als heute als schlechter Verlierer.