Jost Capito exklusiv: «McLaren – ein Kindheitstraum»
Am 1. September hat Jost Capito seine Arbeit bei McLaren aufgenommen. «Ich war am Donnerstag exakt zwei Stunden im Büro, dann ging es schon weiter.» Der Flieger Richtung Mailand wartete – in Monza haben wir uns exklusiv mit dem 57jährigen Deutschen darüber unterhalten, wieso trotz dreier Rallye-WM-Titel mit Volkswagen das Angebot von McLaren einfach unwiderstehlich war.
Jost Capito wirkt frisch und unternehmungslustig, als wir uns im Motorhome von McLaren zusammensetzen. Wie hat alles mit McLaren begonnen? «Das Angebot von McLaren liegt schon eine Weile zurück. Jedenfalls kam die Offerte vor der Diesel-Affäre bei VW», hält der studierte Diplom-Ingenieur fest. «Was da passiert ist, hatte keinen Einfluss auf meine Entscheidung. Viele haben geglaubt, das sei miteinander verbunden, weil VW vielleicht aufgrund der Vorkommnisse das Motorsportprogramm einschränken müsse. Die Affäre begann im September, McLaren hat dann Mitte Januar mein Engagement verkündet. Aber verhandelt haben wir weit vorher, es gibt da keinen Zusammenhang. So ein Wechsel vollziehst du nicht in drei Monaten.»
Ron Dennis bestätigte im vergangenen Januar: «Ich habe Jost im Sommer kontaktiert. Und ich wollte mit ihm arbeiten, weil ich ihn für einen eindrucksvollen, wettbewerbsorientierten und ehrgeizigen Menschen halte, der reiche Erfahrung aus der Automobil- und Rennsportwelt vorweisen kann.»
Tatsächlich bringt der dreifache Familienvater mehr als dreissig Jahre Berufserfahrung mit zu McLaren: Ab 1985 bei BMW Motorsport Arbeit an der Entwicklung von Hochleistungsmotoren, ab 1989 Markenpokalchef bei Porsche, von 1993 bis 1996 Leitung Motorsport im gleichen Betrieb. Ab 1996 war Capito fünf Jahre lang Teil der Geschäftsleitung von Sauber Petronas Engineering, parallel dazu war er von 1998 bis 2001 operativer Leiter der Red Bull Sauber Petronas AG.
Nach diesem ersten Kontakt mit der Formel 1 wechselte Capito 2001 zu Ford, bis 2003 als Chef der Spezialfahrzeugabteilung, schliesslich Chef der Rennsportabteilung von Ford. Im Mai 2012 ging es weiter zu Volkswagen, ab 2013 gewann Volkswagen bei Fahrern und Marken drei WM-Titel in Folge. Und mitten in dieser Erfolgsserie kam das Angebot von McLaren.
Jost Capito gibt zu: «Ich musste schon mit mir ringen, weil es bei VW so gut lief. Das war die beste Zeit, die ich im Rennsport je hatte. Ich fragte mich einfach – gut, wir haben den Titel nun zum dritten Mal geholt, aber ist dieser Job wirklich, was ich die nächsten fünf Jahre noch machen möchte? Und dann kam die Offerte von McLaren. Das passte einfach, denn ich hätte bei keinem anderen Formel-1-Rennstall einen Job angenommen.»
Denn für Jost Capito schliesst sich bei McLaren ein Kreis. Der Neunkirchener erklärt: «Als Kind war ich Fan von Bruce McLaren. Ich kann dir noch nicht mal sagen warum. Vielleicht weil er aus dem fernen Neuseeland nach England gekommen war, weil er so viele verschiedene Rennwagen bewegt hat, weil er sein eigenes Team aufbaute und zum Erfolg führte, keine Ahnung. Ich habe jedenfalls während meiner ganzen Karriere McLaren nie aus den Augen verloren.»
«Als ich 1993 bei Porsche war, kam ja Mika Häkkinen für Gastrennen im Supercup zu uns, so entstand der Kontakt zu McLaren. Damals fuhr auch noch Superstar Ayrton Senna für McLaren. Aber ich hätte nie geglaubt, dass ich eines Tages bei McLaren arbeiten würde. Für mich geht nun ein Kindheitstraum in Erfüllung.»
«Gleichzeitig ist es vielleicht die grösste Herausforderung im Motorsport, McLaren-Honda wieder zum Erfolg zu führen. Klar reizte mich das.»
Als das Engagement von Capito bekannt wurde, war vielen Rennfans nicht ganz klar, wie der Deutsche in die McLaren-Hierarchie passen würde. Immerhin gibt es Gruppenchef Ron Dennis und Teamchef Eric Boullier. Jost erklärt: «Das ist ganz einfach. Ron wollte nicht auf Dauer Chef der McLaren-Gruppe und gleichzeitig CEO des Rennstalls sein. Ich bin also als Geschäftsführer des Rennstalls verpflichtet worden, damit bin ich Ron als Leiter der McLaren-Gruppe unterstellt, und die verschiedenen Abteilungsleiter des Rennstalls rapportieren an mich.»
Gemäss eigenen Angaben hatte Capito letztmals vor etwas mehr als zehn Jahren in der Formel 1 zu tun («bei der Arbeit mit Ford, als wir über Cosworth mit Jordan Grands Prix fuhren»), zehn Jahre sind im Rennsport eine halbe Ewigkeit, aber der erfolgreiche Manager sagt: «Ich war einen Tag lang im Fahrerlager und fühlte mich schon wieder zu Hause. Das hat mich selber verblüfft. Ich finde jetzt nicht, dass sich viel geändert hat. Klar haben wir andere Rennwagen und ein anderes Reglement, alles ist noch grösser geworden, aber ich sehe viele bekannte Gesichter, und die ganze Struktur ist noch immer die Gleiche.»
Wie definiert Capito diese erste Phase seiner Arbeit bei McLaren? «Ich bin derzeit ein Beobachter. Ich muss mir ja erst mal die ganzen Arbeitsabläufe im Detail anschauen und alle Leute kennenlernen, das hat ja alles erst begonnen und wird eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Dann werden wir aufgrund meiner Beobachtungen zusammen entscheiden, wie wir McLaren weiter vorwärts bringen können.»
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