Flotter Formel-E-Vierer: «Eine komplett andere Welt»
André Lotterer, Daniel Abt, Maro Engel und Nick Heidfeld (v.l.)
Das Rennen in Berlin ist für dich eine Art Heimspiel. Worauf freust du dich besonders, André?
Andre´ Lotterer: Berlin ist einfach eine hammercoole Stadt und ich freue mich immer dort zu sein. Besonders, weil ich dort die deutschen Motorsportfans sehe und auch, wie viele neue Formel-E-Fans dazu gekommen sind.
Welchen Stellenwert hätte der Sieg in Berlin für dich, Daniel? Das Rennen konnte noch kein deutscher Fahrer gewinnen.
Daniel Abt: Ein Sieg in Berlin wa¨re der Ho¨hepunkt meiner bisherigen Formel-E-Karriere. Schon die Party auf dem Podium in Mexiko war großartig, aber vor den heimischen Fans wa¨re das ein ganz besonderes Erlebnis. Einen zweiten Platz hatte ich in der vorletzten Saison ja schon und selbst das war sehr emotional fu¨r mich.
Was macht den E-Prix für euch besonders, Maro und Nick?
Maro Engel: Das Rennen auf dem Tempelhofer Flugfeld ist definitiv ein Highlight. Schon wegen des Areals, das eine unglaubliche Historie hat, man denke nur an die legenda¨re Luftbru¨cke oder die beru¨hmten Rosinenbomber. Als deutscher Starter ist Berlin mein Heimrennen. Im vergangenen Jahr haben mich die Fans super unterstu¨tzt. Das ist eine zusa¨tzliche Motivation und nichts wa¨re scho¨ner, als in Berlin auf das Podium zu fahren.
Nick Heidfeld: Es ist natu¨rlich etwas ganz Besonderes, als Deutscher ein Rennen in einer so tollen Stadt zu fahren. Berlin ist fu¨r mich die multikulturellste Stadt, in der ich je war, und deshalb freue ich mich auf das Rennen.
Beschreibt doch bitte den besonderen Reiz der Formel E.
Abt: Sportlich sind es die engen und spektakula¨ren Rennen, die wir erleben: Man kann sich noch nicht mal eine Runde vor dem Ziel sicher sein, auch wirklich auf dieser Position anzukommen. Die Formel E ist wahnsinnig anspruchsvoll, weil man nicht nur Rennen fa¨hrt, sondern gleichzeitig noch sein eigener Energiemanager ist. Neben der Strecke sind es die geilen Locations. Ich bin ganz ehrlich: New York, Mexiko-Stadt und Paris sind doch etwas anderes als Oschersleben und Hockenheim.
Lotterer: Mich reizt an der Formel E die neue Herausforderung. Mein Ziel ist es, in der Serie der Beste zu sein. Die Formel E wird immer beliebter: Es gibt sehr viele Topfahrer, es kommen Top-Hersteller dazu – das ist einfach ein sehr tolles Arbeitsumfeld. Auch die Stadtkurs-Rennen sind fahrerisch eine große Umstellung. Das alles zu meistern, ist wahrscheinlich eine der schwierigsten Sachen, die ich im Motorsport gemacht habe.
Engel: Die Serie ist gespickt mit Herausforderungen. Das beginnt beim Rennwagen, der sich stark von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren unterscheidet. Beim Beschleunigen hast du zum Beispiel sofort die volle Leistung. Auch das Bremsen ist komplett anders, da der E-Motor Energie zuru¨ckgewinnt. Als Fahrer musst du das beru¨cksichtigen und die Bremswirkung der mechanischen Karbonbremsen mit der Rekuperation kombinieren. U¨berhaupt muss man als Formel-E-Pilot immer genau mitdenken. Stichwort: Energiemanagement – du gibst nicht einfach nur Vollgas und versuchst zu u¨berholen, sondern musst auf den anspruchsvollen Stadtkursen den effizientesten Weg finden.
Heidfeld: Fu¨r mich ist das in meiner Rennkarriere eine neue Herausforderung. Auch dass Stadtkurse gefahren werden, macht die Sache spannend. Diese Strecken sind in der Regel sehr schwierig zu fahren, weshalb diese Rennen besonders viel Spaß machen.
Was sind die größten Unterschiede zu anderen Rennserien, die ihr kennt?
Engel: Der Fahrstil ist grundlegend anders. Durch das energiesparende "Lift and Coast" gibt es deutlich mehr U¨berholmo¨glichkeiten, da der Vordermann nicht mit Vollgas bis zum Bremspunkt fa¨hrt. Außerdem fahren wir im Rennen hohe Kurvengeschwindigkeiten, dadurch senkt sich der Verbrauch weiter. Im Qualifying kann es hingegen ein Vorteil sein, niedrigere Kurvengeschwindigkeiten zu wa¨hlen und dafu¨r fru¨her am Gas zu sein, um Zeit zu gewinnen.
Abt: Das reine Fahren unterscheidet sich u¨berhaupt nicht von anderen Rennautos – abgesehen davon, dass wir keinerlei Hilfsmittel wie eine Traktionskontrolle haben. Die große Herausforderung liegt im Energiemanagement: Ich habe pro Auto nur eine gewisse Menge zur Verfu¨gung, die ich mir einteilen muss. Ein Beispiel: Mo¨chte ich attackieren, dann verbrauche ich mehr, muss anschließend sparen und kann dadurch wiederum leichter u¨berholt werden. Es sind also auch viel Strategie und ein ku¨hler Kopf gefragt.
Lotterer: Die Formel E ist eine komplett andere Welt – schon allein wegen der Energieru¨ckgewinnung beim Bremsen. Außerdem sind die Stadtkurse sehr anspruchsvoll. Es gibt da eigentlich nur eine Ideallinie. Oft fa¨hrt man auch auf schlechten Straßen mit verschiedenen Asphaltstu¨cken, auf denen die Reifen ein ganz anderes Fahrverhalten haben.
Heidfeld: In der Formel E sind wir aktuell noch deutlich langsamer unterwegs und haben weniger Grip. Aber das ist eigentlich die perfekte Voraussetzung fu¨r die Stadtkurse. Wa¨ren die Autos noch schneller, wu¨rde es vermutlich gar keine Genehmigung fu¨r die Rennen geben. Spannend sind die Rennen, weil es viele U¨berholmano¨ver gibt und es Eintagesveranstaltungen sind. Die Fans bekommen dadurch viel von den Autos zu sehen: Training, Qualifying, Rennen, und das meistens an einem Samstag.
Es passiert sehr viel in der Formel E mit neuen Herstellern und dem neuen Auto. Wie beurteilt ihr die Zukunft der Serie?
Lotterer: Die Zukunft der Serie sieht sehr gut aus. Wir wissen bereits, dass mehrere Hersteller in die Serie einsteigen. Die Entscheidung, mit den Autos in den Sta¨dten zu fahren, schafft eine tolle Plattform fu¨r die Automobilindustrie, da wir den Motorsport zu den Leuten bringen. Wir begeistern dadurch neue Fans und Firmen, die sich fu¨r o¨kologische Aspekte im Rennsport interessieren.
Abt: Der Wettkampf wird noch gro¨ßer, das sehen wir ja schon in dieser Saison. Mich freut das, denn so steigt der Stellenwert der Formel E noch weiter. Außerdem ist es toll, dass ein Hersteller natu¨rlich in Sachen Marketing viel mehr auf die Beine stellen kann als ein kleines Team. Ich finde es großartig, dass man jetzt immer mehr Anzeigen und Spots mit der Formel E sieht.
Engel: Die Formel E geho¨rt schon jetzt zu den anspruchsvollsten Rennserien der Welt. Schaut man sich das Fahrerfeld und die Hersteller an, weiß man: Das ist ein verdammt hartes Brot! Und der Wettbewerb nimmt zu. Die großen Konzerne orientieren sich immer mehr in Richtung Elektromobilita¨t und nehmen ihre Engagements in der Formel E sehr ernst. Es ist die Serie mit dem bei weitem gro¨ßten Herstellerzuspruch und das Level wird weiter steigen. Insofern: Ja, es ist und bleibt ein verdammt harter Fight – ganz klar!
Heidfeld: Die Formel E war von Anfang an sehr wettbewerbsorientiert. Aber die Serie wird immer gro¨ßer und popula¨rer – die Zuschauerzahlen besta¨tigen dies auch. U¨berna¨chste Saison werden dann glaube ich alle großen deutschen Hersteller mit vertreten sein: BMW, Mercedes, Porsche – und das wird die Serie noch weiter pushen.
Der neue Kalender steht noch nicht fest. Wo wollt ihr unbedingt fahren?
Abt: Ganz klar: Los Angeles oder Miami mu¨ssen zuru¨ck in den Kalender. Wir hatten dort tolle Rennen an fantastischen Locations und mit jeder Menge verru¨ckter Fans.
Engel: Man ist bei der Formel E ja verwo¨hnt, denn mitten in der Innenstadt in Hongkong oder in New York Rennen zu fahren, ist verdammt cool. Perso¨nlich wu¨rde ich sehr gerne in Rio de Janeiro fahren. Das ha¨tte was, unter dem Zuckerhut, das wa¨re schon etwas Besonderes.
Lotterer: Tokio ist eine mega Stadt! Da ich dort 15 Jahre gelebt habe, liegt mir die Metropole am Herzen. Abgesehen davon ist Japan auch ein Autoland: Es gibt dort viele Motorsportfans und Hersteller, die auf Elektromobilita¨t umsteigen. Dort in der Stadt zu fahren, wu¨rde ein riesen Zeichen fu¨r Elektromobilita¨t in Japan setzen. Das wa¨re der Hammer und warum nicht gleich ein Rennen in der Nacht veranstalten? Das wa¨re richtig cool.
Heidfeld: Fu¨r mich war es ein Traum, in Zu¨rich zu fahren, da ich dort in der Na¨he wohne, und das wird dieses Jahr passieren. Ansonsten wa¨re Tokio fantastisch. Und wenn ich noch einen Kontinent wa¨hlen mu¨sste, wu¨rde ich gerne in Australien fahren – zum Beispiel in Sydney oder Melbourne.