Stefan Bellof, Georg Loos: Randale bei «Sir Edwin»
Es lässt sich nicht vermeiden, dass ich mich nochmal mit Georg Loos beschäftigen muss. Jenem skandalumwitterten und streitsüchtigen Kölner Rennstall-Besitzer, der seine Fahrer ebenso gnadenlos drangsaliert hat wie sein lokales Feindbild Porsche-Kremer (siehe Kolumne vom 27. März 2024).
Komischerweise hatte der Mann allerdings auch mal lichte Momente, in denen er sich scheinbar verträglich gab und sogar für eine gute Sache ansprechbar war. So begab es sich im Juli 1981, dass sich Georg Loos doch tatsächlich entschied, einem hochtalentierten, aber finanziell minderbemittelten Nachwuchsfahrer die restlichen Formel 3-Einsätze der laufenden Meisterschaft zu finanzieren.
Der Name des jungen Mannes: Stefan Bellof.
Dem aufstrebenden Talent aus Gießen hatte sein Teamchef Bertram Schäfer kurz zuvor eröffnet, dass seine Einsätze trotz aussichtsreicher Position im Titelkampf nicht mehr länger aus der Team-Kasse finanziert werden können. Entweder ein Geldgeber musste dringend her oder das vorzeitige Aus wäre unvermeidbar gewesen.
Es bedurfte einiger Überredungskunst, aber am Ende erklärte sich Georg Loos tatsächlich bereit, die Kosten für Bellofs restliche F3-Saison zu übernehmen. Wohl auch um sein ramponiertes Image ein wenig aufzubessern und in den Kölner Zeitungen und überregionalen Fachblättern zwischendurch auch mal als Wohltäter statt als Bösewicht und Streithammel gefeiert zu werden.
Man einigte sich auf 50.000 D-Mark für die restliche Saison. Bellofs Ralt-Toyota Formel 3-Rennwagen wurde auf Wunsch des eitlen Herrn Loos in dessen Teamfarben rot-gelb umlackiert. Überdies prangte sein Name unübersehbar vorne und auf dem Heckflügel.
Zu jedem der folgenden F3-Läufe rückte Loos mit seiner Entourage an. Mit den gewöhnungsbedürftigen Umgangsformen seines neuen Förderers musste sich der Stefan allerdings auch erst mal anfreunden.
«Ist der immer so?» fragte er mich in Diepholz entgeistert nach einem der berühmten Loos-Ausraster. Wenn er getrunken hatte, waren wüste Attacken auf alles und jeden sowieso an der Tagesordnung.
Derweil setzte Stefan trotz mancher Disharmonie seinen F3-Siegeszug fort und verpasste den Titel wegen einer unfairen Attacke eines Titelkonkurrenten am Ende nur knapp. Loos verließ seinerzeit schweigend und stocksauer den Ort der finalen Niederlage.
Sehr zur Überraschung aller Beteiligten lud Loos ein paar Tage später unter Anderen Teamchef Bertram Schäfer, Stefan und mich samt Begleitung zu einem Saisonabschluss-Essen ein. Dass der Abend in eine bitterböse Abrechnung ausarten sollte, ahnte da noch niemand.
So versammelten sich also Ende September 1981 die geladenen Gäste im Loos-Stamm-Restaurant «Sir Edwin» im Kölner Gottesweg zu einem feudalen Abendessen. Alles in allem so um die 15 Personen inklusive Loos und seiner üblichen Follower.
Vor allem der Gastgeber sprach im Verlauf des Abends dem alkoholischen Angebot des Hauses kräftig zu. Nach dem Hauptgang bahnte sich urplötzlich ein Stimmungswechsel an.
Loos, bereits mit reichlich Promille und schwerer Zunge, fing plötzlich an, Bertram Schäfer wegen der verlorenen Meisterschaft zu beschimpfen und zu beleidigen. Er warf ihm verfehlte Teamtaktik, falsche Reifenwahl, Dummheit und vieles mehr vor. Und überhaupt sei er unfähig, ein Team ordentlich zu führen. Ausgerechnet Bertram, der als einer der cleversten F3-Teamchefs seiner Zeit galt.
Stefan Bellof und ich hielten uns zunächst raus, aber vor allem Stefan sah man an, dass ihn die ganze Situation peinlich berührte und es in ihm kochte. Nach anfänglicher Zurückhaltung schaltete er sich dann auch in die lautstarke Diskussion ein und verteidigte seinen F3-Teamchef vehement.
Stefans Plädoyer pro Schäfer brachte Loos nur noch mehr in Rage. Und als auch ich noch versuchte, den angegriffenen Teamchef zu verteidigen, eskalierte die Lage vollends. Nun nahm Loos auch noch mich ins Visier und beschimpfte mich und alle drei zusammen als «gottverdammte Loser und Idioten».
Jetzt war das Maß voll. Bertram, Stefan und ich entschlossen uns durch Blickkontakt, den Ort der peinlichen Handlung sofort zu verlassen. Weitere irritierte Gäste folgten unserem Beispiel, zurück blieben nur noch der randalierende Gastgeber samt seiner ihm ergebenen Kölner Gefolgschaft.
Stefan Bellof wollte übrigens später nicht mehr so gerne an das Kapitel Loos erinnert werden – für ihn kam das ebenso dicke wie teure Ende ein paar Monate später. Denn der feine Herr Loos zerrte Stefan wegen einer Vertragsauslegung vors Kölner Amtsgericht.
Die Klageschrift lautet auf eine Ablösesumme von 75.000 D-Mark. Aus purer Rachsucht und Eitelkeit wollte Loos, wohl wissend, dass Stefan diese Summe nicht aufbringen kann, dessen nächsten Schritt in die Formel 2-EM zu BMW und Maurer mit allen Mitteln blockieren.
Ich erspare mir hier die Details des unschönen juristischen Dauerstreits – nur so viel: Stefan hatte im Zuge der im Vorjahr schnell von Loos aufgesetzten Formel 3-Vereinbarung für die zweite Saisonhälfte 1981 sich auch noch, ob nun wissentlich oder unwissentlich, mit einer Option für Loos-Einsätze 1982 mit Porsche-Sportwagen des Teams verpflichtet.
Leider hat unser hoffnungsvoller Nachwuchsmann damals so ziemlich alles bedenkenlos unterschrieben, was ihm vorgelegt wurde («Hauptsache es brummt und ich kann Rennen fahren»). Auch die Tatsache, dass es bei Loos 1982 wegen dessen beginnender finanzieller Schieflage schon so gut wie nichts mehr zu fahren gab, änderte nichts an der Rechtslage. Gnadenlos zog Loos die Option, aber Stefan hatte schon bei Maurer für die Formel 2-EM unterschrieben. Nun hatten die Anwälte das Wort.
Der Vertrag wurde von Experten zwar als sittenwidrig eingestuft, was aber nichts daran änderte, dass das Kölner Amtsgericht zu Ungunsten von Stefan urteilte. Denn Loos argumentierte, dass ihm nun ein wichtiger Fahrer fehle und er deshalb seine geplanten Saisonziele nicht erreichen könne.
So nahm das Unheil seinen Lauf, und der Richter verdonnerte Stefan dazu, die Hälfte der geforderten Ablösesumme, also 37.500 D-Mark an seinen so uneigennützigen, einstigen «Förderer» Georg Loos zu zahlen.
Das Geld aufzubringen, war für Stefan damals schon schwer genug, und hat ihm richtig weh getan. Aber das Urteil hatte für ihn auch einen heilsamen Nebeneffekt. So schaute er bei künftigen Vertragsabschlüssen nun wenigstens etwas genauer hin, unter was er da seine verbindliche Unterschrift kritzelt.