Formel 1: FIA spricht Urteil

Weltrekord auf Harley LiveWire: Quack, Entchen, quack

Von Rolf Lüthi
1723 km in 24 Stunden und acht mal an der Schnelladestation: Unsere Bewunderung hält sich in ganz engen Grenzen

1723 km in 24 Stunden und acht mal an der Schnelladestation: Unsere Bewunderung hält sich in ganz engen Grenzen

Völlig verschlafen hat SPEEDWEEK, dass wir mit Weltrekordhalter Michel von Tell eine der wichtigsten Persönlichkeiten der E-Mobilität nach Elon Musk im eigenen Land haben.

Harsche Kritik ergoss sich über den Autor, der nun diese Zeilen der Reue verfassen soll. Er berichtete über den diskreten Rückzug von Harley-Davidson aus der Elektromobilität und unterschlug doch glatt den Weltrekord des Schweizer Kabarettisten Michel von Tell. Der stellte schon am 11. März 2020 mit 1723 km in 24 Stunden einen neuen Weltrekord für Elektromotorräder auf. Sein Rekord-Motorrad: Harley-Davidson LiveWire.

Die Schweizer Tagespresse und selbst internationale Fachmagazine berichteten in der Folge über den neuen Weltrekord. Nur SPEEDWEEK hat, wir geben es zu, diese bedeutende Tat glatt verschlafen. Doch nun sind wir alarmiert – und berichten pflichtschuldigst.

Nun, nur die FIM, der internationale Motorrad-Weltverband, ist befugt, Weltrekorde im Zusammenhang mit Motorrädern anzuerkennen. Grundsätzlich keine Weltrekorde werden anerkannt für Fahrten auf Zeit auf nicht abgesperrten öffentlichen Strassen. Solche Rekorde mit Motorfahrzeugen sind nicht einmal mehr im Guiness Buch der Rekorde zu finden.

Rekorde auf abgesperrten Strecken hingegen schon. Auf der Hochgeschwindigkeitspiste von Nardo/Italien fuhr anno 1994 ein Team von 19 Fahrern auf Suzuki RF900R in 24 Stunden 5900 km. Neueren Datums ist der Rekord eines einzelnen Fahrers. Den hält Carl Reese, der 2017 auf einer Teststrecke in Texas in 24 Stunden 3406 km zurücklegte. In etwa das doppelte, was von Tell schaffte.

Dem zügigen Langstrecken-Motorradreisen verschrieben hat sich die amerikanische Iron Butt Association, eine lose Vereinigung von Motorradenthusiasten. Das Minimum, um in deren Hall of Fame Erwähnung zu finden, ist der so genannte Saddle Sore 1000: 1000 Meilen oder 1600 km in 24 Stunden. Diese Distanz empfiehlt die Vereinigung der Eisenärsche als Einstieg ins Thema.

Nicht mal das hätte Michel von Tell geschafft, denn beim Saddle Sore 1000 ist es verboten, die gleiche Strecke zweimal zu befahren. Hin- und herfahren auf der gleichen Autobahn, um bequem Kilometer zu machen, gilt bei den Iron Butts nicht. Genau das tat jedoch Michel von Tell, als er sechsmal auf der A81 von Stuttgart nach Singen und wieder zurück pendelte. Aber vielleicht ging es ja nicht anders, denn die LiveWire musste insgesamt achtmal an eine Schnellladestation angedockt werden.

Von der in den USA gegründeten Vereinigung der Eisenärsche gibt es seit Oktober 2010 einen Ableger in Deutschland, die Iron Butt Association Germany. In deren Hall of Fame finden sich mehr als 2000 Einträge von Fahrten, von denen die meisten erheblich weiter führten als die Fahrt von Michel von Tell. Trotzdem schwafelte hinterher keiner von diesen Enthusiasten von Weltrekord. Die sind das einfach gefahren, weil sie das so wollten.

Trotzdem muss man Mîchel von Tell gratulieren: Scharenweise ist die Journaille auf die Ente reingefallen und hat berichtet von seiner heldenhaften PR-Tat; die Liste auf Pluspedia umfasst 42 Publikationen.

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