Fantic Caballero 700: Scambler mit Yamaha-Motor
Mit der Caballero 700 bauen Fantic und Yamaha ihre Zusammenarbeit weiter aus. Fantic gehört seit 2014 der Investorengruppe VeNetWork, einem Zusammenschluss mittelständischer, italienischer Unternehmer. An der Motorradausstellung Mailand 2019 überraschte Fantic mit einer Palette von Motocrossern und Sportenduros, ausgerüstet mit Yamaha-Zweitaktmotoren, entwickelt mit Hilfe von Zweitakt-Guru Jan Witteveen.
Diese Modellpalette umfasst inzwischen auch Viertakt-Maschinen für Motocross, Enduro und Rallye. Ende 2020 verkaufte Yamaha das Minarelli-Werk in Bologna, zuvor seit 2002 im Besitz von Yamaha, an Fantic. Yamaha bezieht aber weiterhin 125er Motoren von Minarelli. Fantic ist in der Moto2-WM und in der MX2-WM am Start.
Mit der Caballero 700 verlässt die Zusammenarbeit von Fantic und Yamaha die Marktnische der Geländemaschinen für den Sporteinsatz und tritt ein in einen Markt, der grössere Stückzahlen ermöglicht.
Berücksichtigt man den Preis der damit ausgerüsteten Motorräder und den technischen Aufwand, gab der 700er Motor von Yamaha bislang nur Anlass zu respektvollem Lob. Das sahen sie bei Fantic offenbar anders.
Die Fantic-Ingenieure modifizierten den Ansaugtrakt, bauten eine eigene Auspuffanlage und stellten um von Gaszug auf Ride by Wire. Letzteres wiederum ermöglichte die Implementierung einer Traktionskontrolle und drei Fahrmodi. Auf in dieser Klasse sinnlose Motormodi haben sie glücklicherweise verzichtet, der Motor hat immer volle Leistung. Dafür gibt es ein Kurven-ABS. Dieses regelt im Fahrmodus «Street» an beiden Rädern, auf «Offroad» nur am Vorderrad. Die Traktionskontrolle ist im Geländeprogramm deaktiviert. Als dritte Möglichkeit kann man auf Custom switchen und beide Regelsysteme frei kombinieren oder ganz ausschalten.
Fantic gibt 75 PS bei 9000/min an und holt damit aus dem Zweizylinder-Reihenmotor 2 PS mehr raus als Yamaha. Fantic verspricht dazu eine fülligere Drehmomentkurve mit einem Spitzenwert von 70 Nm bei 6500/min (Yamaha 68 Nm bei 6500/min).
Mit dem hochgezogenen Doppelschalldämpfer, den Speichenrädern (19 und 17 Zoll) und den grobstolligen Reifen folgt Fantic der objektiv sinnlosen, derzeit aber umso angesagteren Scrambler-Mode. Objektiv sinnlos deshalb, weil es heute Geländemotorräder zu kaufen gibt, was in den 50er und 60er Jahren nicht der Fall war. Damals musste, wer oft im Gelände fahren wollte, eine Strassenmaschine herrichten – so entstanden die Scrambler.
Das Fahrwerk der Fantic besteht aus einem Gitterrohrrahmen mit Aluschwinge und Zentralfederbein, das Vorderrad führt eine USD-Gabel. Einstellbar ist einzig die Vorspannung hinten. Mit 150 mm Federweg vorne und hinten ist man für holprige Nebenstrassen gut gerüstet, für den Angriff im ondulierten Gelände eher nicht. Vorne muss eine einzelne Scheibenbremse genügen, immerhin mit 330 mm Durchmesser und Radial-Vierkolbenzange von Brembo.
175 kg ohne Benzin gibt Fantic an, der Tank fasst 13 Liter. Mit einem Preis von 9.990 Euro ist die Fantic Caballero einen guten Tausender teurer aus die Retro-Strassenmaschine Yamaha XSR700 und mehr als 1500 Euro teurer als die modern designte Yamaha MT-07, die beide den gleichen Motor eingebaut haben, aber weder Kurven-ABS noch Traktionskontrolle vorweisen können. Die Ténéré 700, die (angetrieben ebenfalls vom gleichen Motor) im Gelände brillieren kann, kostet 1300 Euro mehr.
So gesehen ist der Preis der in Europa gefertigten, mit einem bewährten Motor aus japanischer Fertigung ausgestatteten Fantic Caballero 700 absolut gerechtfertigt. Und mit der Positionierung als optisch pfiffigen Scrambler hat es Fantic vermieden, ein Modell von Yamaha direkt zu konkurrenzieren.