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Grand-Prix-Performance: Auch mit Standardreifen

Von Manuel Pecino
Pirelli ist seit Jahresbeginn neuer Reifenlieferant für die Moto2- und Moto3-Klasse. Im Interview mit SPEEDWEEK.COM verrät Pirelli-Koordinator Luca Barbetti, wie das Debüt bislang verlaufen ist.
Wie ist deine Zwischenbilanz nach der ersten Saisonhälfte?

Wir haben gelernt, wie die Meisterschaft und wie diese Motorräder funktionieren – vor allem die Maschinen der Moto2-Klasse, mit denen wir noch nie etwas zu tun hatten. Außerdem haben wir uns mit den Regeln angefreundet, die sich von den Serien, in denen wir auftreten, unterscheiden. Insgesamt sind wir sehr zufrieden mit diesem ersten Teil der Meisterschaft, denn wir haben erkannt, dass unsere Produkte gut funktionieren. Wir setzen hauptsächlich die Reifen ein, die wir auch zum Verkauf anbieten. Die Teams sind zufrieden mit der Performance unserer Produkte und mit unserem Montage-Service, den wir an den Strecken anbieten. Wir planen deshalb, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.

Gilt das für beide Klassen, für Moto3 ebenso wie für Moto2?

In der Moto3-Klasse sahen wir sofort eine Verbesserung, gleich bei den ersten Rennen. In der Moto2 hat es ein wenig länger gedauert, bis die Teams das Potenzial unserer Produkte voll ausschöpfen konnten. Aber jetzt sehen wir, dass auch in der Moto2-Klasse nacheinander alle Rundenrekorde brechen und sich die Fahrer mit unseren Reifen immer wohler fühlen.

Beim Saisonauftakt in Katar kam es zu Kontroversen. Was ist in Lusail passiert?

Das Rennen in Katar war das Debüt für alle – für uns als Hersteller ebenso wie für die Teams. Dazu kam, dass die Strecke gerade neu asphaltiert worden war. Überdies hatten wir nur sehr wenige Möglichkeiten zu testen. Wir haben zwar die offiziellen Tests in Portimao und Jerez bestritten, doch das Wetter war nicht besonders gut. Wir kamen deshalb mit unserer gesamten Palette an Mischungen in Lusail an, sogar mit den härtesten Versionen, denn zu diesem Zeitpunkt war weder uns noch den Teams klar, wie die Reifen funktionieren würden. Wir wussten, dass es ein schwieriges Rennen werden würde, und das war es dann auch – vor allem, weil es das erste Rennen war.

Und was genau ist passiert?

Was wir in Sachen Reifenverschleiß dort gesehen haben, war viel dramatischer als das, was wir auf den anderen Rennstrecken und unter normalen Umständen beobachten konnten. Diese Erfahrung und das erste echte Feedback von Fahrern und Teams hat uns eine wichtige Standortbestimmung ermöglicht. Von diesem ersten Grand Prix an haben wir uns weitgehend kontinuierlich und überall verbessert.

Haben die Erfahrungen von Katar bei Pirelli zu einer Änderung der Pläne geführt?

Unser Ansatz ist gleichgeblieben. Für das erste Jahr in der Weltmeisterschaft wollten wir, von ein paar ganz besonderen Strecken abgesehen, überall die gleichen Reifen verwenden – weil wir eine Menge an vergleichbaren Daten benötigen, um zu entscheiden, wie wir die Palette für die nächste Saison weiterentwickeln können. Daten zu sammeln und die Teams zu unterstützen, das Optimum aus unseren Reifen herauszuholen, ist die Hauptarbeit, die wir uns für dieses Jahr vorgenommen haben.

Man muss bedenken, dass wir erst Ende vergangenen Jahres in die Meisterschaft eingestiegen sind, als bekannt wurde, dass Pirelli der neue Ausrüster der Moto2- und Moto3-Klasse sein würde. Im Winter gab es nicht viel Gelegenheit, vor den beiden offiziellen Tests in Portimão und Jerez zu testen. Jetzt, mit der Erfahrung, die wir gesammelt haben, wissen wir sehr genau, dass sich die Moto2-Maschinen ganz anders verhalten als die Bikes, mit denen wir sonst testen und entwickeln.

Habt ihr mit den Superbike-Reifen begonnen?

Ja, im Moment verwenden wir in der Moto2 die Produkte aus der Superbike-Serie. Der einzige Unterschied ist, dass wir in der Moto2-Klasse auf eine mittelharte Mischung setzen, während wir in der Superbike-WM noch mehr Grip anbieten, also etwas weichere Mischungen einsetzen. Das liegt vor allem daran, dass die Superbike-WM seit 20 Jahren von Pirelli beliefert wird. Die Teams kennen unsere Reifen sehr gut und wissen, wie sie sie optimal einsetzen können. Wenn wir diese weichen Mischungen gleich in die Moto2-Klasse gebracht hätten, wäre das zweifellos zu früh gewesen.

Wie geht ihr ohne die nötige Erfahrung bei der Auswahl der Reifen für die einzelnen Strecken vor? Wie entscheidet ihr, welche Reifen wohin mitgenommen werden? Habt ihr Simulationsprogramme für die einzelnen Strecken?

Wir reisen auch mit der Superbike-Serie rundum die Welt und haben jede Menge Daten von den jeweiligen Schauplätzen. Obwohl diese Daten nicht Moto2-spezifisch sind, erlauben sie uns doch, die nötigen Parameter festzulegen und dann zu entscheiden, welche Mischungen für die einzelnen Moto2-Rennen tauglich sind. Jetzt, mit den zusätzlichen Informationen aus der ersten Saisonhälfte, haben wir eine parallele Referenz. Diese Referenzen sowie die Informationen, die wir schon zuvor von den einzelnen Rennstrecken hatten, geben uns die Entscheidungsgrundlage für die Auswahl.

Dem möchte ich hinzufügen, dass es für die Moto2- und Moto3-Klasse jeweils zwei Mischungen für vorne und hinten gibt, die wir zu sämtlichen Rennen mitnehmen. Das ist unsere Standard-Zuteilung, und die Teams wissen, dass sie diese Reifen überall zur Verfügung haben.

Und das gibt euch die Möglichkeit, eine Datenbank zu erstellen?

Genau. Und weil sich die Teams mit dem Management dieser Reifen angefreundet haben, sehen wir jetzt diese Steigerung, auch bei den Rundenzeiten. Was uns von Fall zu Fall ebenfalls weiterhilft, sind Informationen aus anderen Serien. Zum Beispiel können uns die Kollegen aus Japan verraten, wie sich unser Reifen in Motegi bewähren, auch wenn es sich dabei um die Superbike-Version aus der japanischen Meisterschaft handelt. Diese Daten helfen uns bei der Überlegung, ob es Sinn macht, neben der Standard-Zuteilung auch noch andere Mischungen mitzunehmen.

Setzt ihr auch asymmetrische Reifen mit zwei oder gar drei unterschiedlichen Laufflächenmischungen ein?

Nein, damit arbeiten wir im Moment nicht. Es ist auch nicht geplant, denn unsere Philosophie ist es, die Reifen zu verwenden, die wir auch im Verkauf anbieten.

Die Reifen sind also völlig Standard, genau wie die aus dem Regal?

Ja, absolut. Wenn du in unserem Service-Zelt vorbeischaust, wirst du sehen, dass wir genau die Reifen aufziehen, die man auch im Handel findet. Auch ich kann diese Reifen kaufen und damit am Sonntag auf die Strecke gehen. Die Motorradreifen für die Rennstrecke werden alle im gleichen Werk hergestellt.

Habt ihr in der Moto2-Klasse Probleme mit dem Reifendruck?

Der Hinterreifen hat einen Minimaldruck von 1,65 bar, der mit Sensoren überwacht wird und den die Fahrer für eine bestimmte Anzahl von Runden nicht unterschreiten dürfen. Diese Regel gilt nur für den Hinterreifen, und nur in der Moto2-Klasse. Anhand der Daten, die wir sammeln, sehen wir, dass die Teams sehr gut wissen, wo der Grenzwert ist, der nicht unterschritten werden darf. Wir haben gesehen, dass die Teams sehr vorsichtig sind und diesen Wert grundsätzlich nicht unterschreiten. Das liegt auch daran, dass wir mit unserer Konstruktion, unserem Reifentyp von vornherein keinen sehr niedrigen Luftdruck brauchen, um den nötigen Grip zu erzeugen.

Unsere Reifen funktionieren bereits bei einem Luftdruck, der im Rennsport normal ist. Früher war das nicht der Fall, weil man über einen besonders niedrigen Luftdruck versuchen musste, Grip zu finden. Unsere Reifen haben von Haus aus sehr viel Grip, deshalb müssen die Teams den Druck nicht zusätzlich senken, um noch mehr Grip zu finden. Auch, weil das unerwünschte Bewegungen der Karkasse nach sich ziehen würde. Das Team wäre dann zu einer Kehrtwendung gezwungen und müsste den Reifendruck ohnehin wieder erhöhen. Unsere Reifen haben ein sehr großes Fenster, einen sehr breiten Bereich, in dem sie gut funktionieren, auch deshalb, weil wir sie zum Verkauf anbieten. Unsere Reifen müssen sehr gut sein, aber sie dürfen nicht zu sehr spezialisiert sein. Es ist ein Spagat, den wir hinkriegen müssen. In der Weltmeisterschaft werden zum Beispiel Heizdecken eingesetzt. Unsere Reifen müssen aber auch in nationalen Meisterschaften funktionieren, wo diese Heizdecken nicht zur Verfügung stehen.

Eigentlich fährt man Rennen zur Weiterentwicklung. Doch wie kann man Reifen weiterentwickeln, wenn man bei den Grand Prix käufliche Standardreifen verwendet?

Man geht zu den Rennen, um die Reifen unter allen Bedingungen auszuprobieren. Neue Prototypen werden intern vom Pirelli-Testteam und am Ende von anderen Pirelli-Mitarbeitern auf Herz und Nieren geprüft. Wenn wir die Gewissheit haben, dass eine Neuentwicklung den Fahrern gefallen und eine echte Evolution sein würde, dann entscheiden wir uns auch, diese Neuentwicklung zu den Rennen zu bringen.

In der Superbike-WM haben wir schon immer nach dieser Methode gearbeitet. Für die Moto2-Klasse ist diese Vorgehensweise noch etwas zu früh. An den Sachsenring haben wir eine Neuentwicklung gebracht, denn diese Strecke ist sehr speziell und deshalb wollten wir dort etwas anderes anbieten. So gehen wir an die Sache heran: Wenn es etwas gibt, von dem wir glauben, dass es eine Verbesserung bringen kann, dann entscheiden wir uns, es bei den Rennen einzusetzen. Ein solcher Reifen wird nicht sofort zum Verkauf angeboten. Wir müssen ihn zuerst gründlich testen, um sicherzustellen, dass er eine Verbesserung darstellt. Dieser Prozess dauert normalerweise ein paar Monate, wenn er überhaupt zum Abschluss kommt.

Wie würdest du, ganz im Allgemeinen, den Charakter eines Pirelli-Reifens beschreiben? Bridgestone zeichnet sich durch seinen sehr stabilen Vorderreifen aus; bei Michelin ist von der überlegenen Traktion des Hinterreifens die Rede. Was hebt Pirelli-Reifen von den Konkurrenten ab?

Meiner Meinung nach sind es das Feedback und das Gefühl, das der Fahrer mit Pirelli-Reifen bekommt, abgesehen von der absoluten Performance, die für käufliche Reifen sehr konkurrenzfähig ist. Pirelli-Reifen ermöglichen sehr gute Rundenzeiten, haben eine hohe Performance, und sie vermitteln dem Fahrer ein tolles Gefühl im Grenzbereich. Der Fahrer spürt, wie der Reifen arbeitet, und das hilft ihm, den Reifen während des Rennens zu managen und gut über die Renndistanz zu bringen. Ein ganz einfaches Beispiel: Wenn Fahrer von einem anderen Reifenhersteller kommen und auf Pirelli umsteigen, sagen sie uns als erstes, wie gut das Gefühl mit unseren Reifen ist und dass sie alles spüren. Am Anfang ist das vielleicht etwas ungewohnt und vielleicht auch beängstigend, doch sobald sie sich daran gewöhnt haben, können sie sich gut und kontrolliert ans Limit herantasten. Auch der Vorderreifen meldet sich rechtzeitig mit gut spürbaren Warnsignalen, knapp bevor das Limit erreicht ist. Das verringert die Sturzgefahr und ermöglicht ein besseres, vorausschauendes Reifenmanagement.

Im Prinzip sagen uns fast alle Fahrer, dass wir «leicht» zu fahrende Reifen haben, im Sinne von leicht zu verstehen, während die Karkassen anderer Hersteller vielleicht ein wenig steifer sind und dem Piloten im Grenzbereich mehr Vertrauen bei weniger Feedback abverlangen. Die Pirelli-Philosophie ist ehrliche Performance in allen Fahrsituationen. Wenn dir Grip am Hinterrad fehlt, lässt sich das Motorrad schlecht in die Kurve einlenken, weil es sich nicht punktgenau abbremsen lässt. Wenn dir Traktion beim Beschleunigen am Kurvenausgang fehlt, nehmen dir die anderen wichtige Meter ab. Wenn der Reifen in Kurvenmitte nicht gutmütig genug ist, fehlt dir der Kurvenspeed.

Zwischen all diesen Faktoren die richtige Balance zu finden, ist eine schwierige Aufgabe. Im Rennsport, wo alles extrem ist, sucht man deshalb nach Kompromissen.

Ja, natürlich, alles ist ein Kompromiss. Letztlich kommt es auch auf die Fähigkeit des Fahrers an, mit diesem Kompromiss so gut wie möglich umzugehen. Wir versuchen, ein Produkt zu liefern, das einfach zu handhaben ist. Der Fahrer macht dann letztendlich den Unterschied. Die GP-Piloten holen eindeutig mehr aus den Reifen heraus als Fahrer, die keine Profis sind.

Letzte Frage: In welche Richtung geht die Reifenentwicklung?

Im Moment ist es noch zu früh für die Entscheidung, was wir an den Moto2-Reifen verbessern wollen. Noch befinden wir uns in der Kennenlern-Phase, in der wir das Verständnis für diese Motorräder weiter vertiefen. Dazu brauchen wir eine Fülle von Daten. Vielleicht haben wir am Ende der Saison klarere Ideen, in welchem Bereich wir die Reifen verbessern können. Im Moment ist es für uns noch zu früh, denn generell funktionieren die Reifen gut.

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