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Max Biaggi: So fühlen sich mehr als 450 km/h an

Von Maximilian Wendl und Nora Lantschner
Max Biaggi auf der Voxan Wattman

Max Biaggi auf der Voxan Wattman

Max Biaggi (50) ist nicht nur Moto3-Teamteilhaber und Aprilia-Botschafter, der sechsfache Weltmeister geht für die Venturi-Gruppe auch regelmäßig auf Weltrekordjagd: Der 50-Jährige im Adrenalinrausch.

Vor kurzem ging Max Biaggi mit Voxan erneut auf Rekordjagd und verbuchte dabei 21 Geschwindigkeitsrekorde. Am beeindruckendsten ist die Bestmarke für halbverkleidete elektrische Motorräder, die weniger als 300 Kilogramm wiegen: 455,737 km/h wurden auf der Startbahn des John F. Kennedy Space Centers in Florida verbucht. Bislang starteten dort unter anderem Apollo-Missionen und Space-Shuttle-Flüge.

Übrigens: Der Tachometer registrierte sogar eine maximale Momentaufnahme von 470,257 km/h.

Das französische Unternehmen hatte bereits zuvor den Rekord für sich beansprucht. Im November 2020 lag er noch bei 366,94 km/h. Gemessen wurde innerhalb von zwei Stunden und bei einem fliegenden Start über einen Kilometer in eine Richtung und wieder zurück, damit Rückenwind oder Gefälle keine Rolle spielen.

«In weniger als einem Jahr ist es uns gelungen, das Gewicht des Motorrads zu senken und gleichzeitig seine Leistung und Stabilität zu erhöhen», erläuterte Gildo Pastor, Präsident der Venturi-Gruppe.

Mit einem straßentauglichen Motorrad hat das Geschoss von Voxan wenig gemein. Es ging darum, dem Fahrer Schutz bei Seitenwind zu bieten. Gleichzeitig sollte aber auch die Geschwindigkeit gesteigert werden. Es wurde ein langer Radstand gewählt. Außerdem gibt es keine Vorderradbremse. So sollen Überschläge verhindert werden. Gebremst wurde also nur mit der Hinterrad- und der Motorbremse.

Der Motor ist vergleichbar mit den Triebwerken von E-Formelautos. 441 PS und 1360 Newtonmeter Drehmoment lauten die konkreten Angaben. 296 Kilogramm beträgt das Gesamtgewicht.

Max Biaggi meldete sich nun über Facebook bei seinen Fans und schwärmte von einem «unglaublichen Abenteuer, das ich anders als beim ersten Mal erlebt habe. Ich wusste, was mich erwartete, und konzentrierte mich daher auf einige Details, die ich beim letzten Mal nicht so sehr in Betracht gezogen hatte. Was für ein Adrenalinschub! Das ist etwas, das dich überwältigt!»

«In den Augenblicken, in denen du auf dem Motorrad sitzt und darauf wartest, dass die Ampel auf Grün schaltet, schwirren dir tausend Gedanken durch den Kopf. Der graue Streifen der Piste scheint endlos und verschmilzt mit dem Himmel. Du checkst alles und versuchts, nicht darüber nachzudenken, dass du mit halber Schallgeschwindigkeit fast schon fliegen wirst, während der Wind versucht, seinen Willen durchzusetzen», schilderte der Italiener detailliert.

Das Leder brannte auf der Haut

«Dann fährst du los und nach endlosen Momenten liest du 470 km/h! Verrückt... Bei solchen Geschwindigkeiten vibriert die Lederkombi an deinen Armen und auf dem Rücken. Ich lege immer großen Wert auf jedes noch so kleine Detail, meine Anzüge sind an jeder Stelle sehr eng, aber bei diesen Geschwindigkeiten ist natürlich alles extrem relativ. Dieses minimale Flattern der Kombi bei sehr hoher Frequenz erzeugt Wärme auf meiner Haut, bis sie fast verbrennt», beschrieb Biaggi. «Es fühlt sich fast so an, als wäre ich mit meiner Vespa im T-Shirt bei 100 km/h unterwegs. Es ist unglaublich, noch nie hatte ich so viel Adrenalin im Körper! Dazu muss man sagen, dass sich – wenn man gewisse Geschwindigkeiten überschreitet – das klassische Geräusch des Elektro-Antriebs verändert und dem Dröhnen eines Flugzeugs in der Startphase ähnelt. Wow.»

«Ist das Ziel erst einmal erreicht, ist es damit noch nicht getan. ‚Um wieder auf die Erde zurückzukehren‘, muss man bremsen! Bei diesen Geschwindigkeiten ist das alles andere als einfach, man muss auf den Hinterreifen achten und berücksichtigen, dass die Temperatur, die in der MotoGP ein Verbündeter für die Performance ist, hier dein schlimmster Feind werden könnte! In dem Moment achtest du auf den Lärm und die Gerüche und deine Sinne kommen ins Spiel, in den Diensten deines Instinkts. Außerdem muss man an einem präzisen Punkt bremsen, um nicht von der Bahn abzukommen. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden Kegel einzusetzen, um den exakten Punkt zu markieren, an dem mit dem Bremsen begonnen werden sollte. Nun, ihr werdet es nicht glauben, in den Tagen, als wir die Rekorde vorbereiteten, mussten wir die Kegel schrittweise immer näher an die Mitte der Bahn stellen und sogar größere einsetzen. Denn ich hatte solche Mühe sie zu sehen.»

«Das Gehirn ist es nicht gewohnt, sich mit solchen Geschwindigkeiten zu bewegen, und wegen der starken Turbulenzen sind die Konturen der Realität oft verschwommen, wodurch die Sicht eingeschränkt wird. Noch dazu ist man auf den ‚Tank‘ (erlaubt mir den Begriff) gepresst und die Sicht ist an sich schon begrenzt. Kurz gesagt, alles ist extrem anders, weil alle meine Referenzen zur Geschwindigkeit, der Bremsphase, den Geräuschen und den Materialien, die in den Jahren gereift sind, als ich die schönsten Motorräder der Welt gefahren bin, ungültig werden. Man muss alles zurücksetzen und ein neues File beginnen, einen anderen Weg gibt es nicht», hielt der 42-fache GP-Sieger, vierfache 250-ccm-Weltmeister und zweifache Superbike-Champion fest.

«In einem Zeitalter, in dem alles schnell verfliegt, wollte ich die Zeit anhalten und diese Zeilen schreiben, um zu versuchen, euch auch nur an einem Teil der Emotionen teilhaben zu lassen, die ich in diesen Tagen erlebt habe», schloss Biaggis Erlebnisbericht.

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