Traurige Nachricht: PS-Zauberer Jörg Möller ist tot
Morbidelli 125: Giancarlo Morbidelli, Ing. Jörg Möller sowie die Techniker Bonaventura, Cecchini und Dionigi (v.l.)
Der PS-Zauberer ist tot. Der aus Essen stammende deutsche Motoren-Konstrukteur Ing. Jörg Möller ist in seiner Wahlheimat Pesaro gestorben. Er zählte unbestritten zu den größten Zweitakt-Genies der letzten 50 Jahre, und die Liste seiner Erfolge ist grenzenlos.
Möller verdiente seine ersten Sporen in der Motorrad-Weltmeisterschaft bei van-Veen-Kreidler in den Niederlanden, wo er mit Henk van Kessel 1974 Weltmeister in der 50-ccm-Klasse wurde.
Besonders die Erfolge als Konstrukteur bei der Firma Morbidelli von Patron Giancarlo Morbidelli, dem Besitzer der Firma «Morbidelli woodworking machinery», sorgte er für Furore. Morbidelli hat Möller 1974 als Chefkonstrukteur an die Spitze seiner Rennabteilung gesetzt.
Ing. Jörg Möller baute also für die 125-ccm-Weltmeisterschaft 1975 die Zweizylinder-Werks-Morbidelli und engagierte die beiden Italiener Paolo Pileri und Pierpaolo Bianchi als Werksfahrer. Beim ersten Grand Prix 1975 in Le Castellet dominierten sie die Trainings, die Yamaha-Werksfahrer Kent Andersson, Leif Gustafsson und Bruno Kneubühler standen auf verlorenem Posten.
Doch im Rennen über 18 Runden auf dem neuen Circuit Paul Ricard stürzte Bianchi in der ersten Schikane, Pileri in der zweiten, jeweils als Spitzenreiter. Pileri rappelte sich zwar wieder auf und wurde Dritter, doch Andersson und Gustafsson gelang ein unerwarteter Doppelsieg für Yamaha.
Danach griff Möller zwangsweise zu einer Stallorder und ordnete an: 125-ccm-GP-Sieg jeweils für Pileri vor Bianchi. Das Ergebnis – es kam zu sechs souveränen Doppelsiegen für Neueinsteiger Morbidelli in Serie und zu einem überlegenen Doppelerfolg für Morbidelli in der Weltmeisterschaft!
Doch weil die WM bereits am 20. Juli mit einem weiteren Triumph in Anderstorp/Schweden entschieden wurde, hob Möller die Stallorder für die letzten zwei Grands Prix in Brünn und Opatija/Jugoslawien auf.
Das Ergebnis: Pileri startete in Brünn von der Pole-Position, aber beide Morbidelli-Stars zogen sich bei Stürzen im Rennen Knochenbrüche zu. Es siegte Gustafsson vor Andersson, dem Achtelliter-Weltmeister von 1973 und 1974.
Nach der Saison 1975 zog sich Yamaha werkseitig aus der 125er-WM zurück. «Ich habe einen Fehler gemacht. Meine Morbidelli-Motoren waren 5 PS stärker als die von Yamaha. Dadurch habe ich Yamaha aus der Weltmeisterschaft vertrieben», bedauerte Sprücheklopfer Möller damals im Gespräch mit dem Schreiber dieser Zeilen.
Der PS-Zauberer baute später für Morbidelli auch eine Werks-250er (Fahrer: Graziano Rossi, drei GP-Siege 1979), eine 350er sowie eine Vierzylinder-500-ccm-GP-Maschine.
Als Dieter Braun die 350-ccm-Morbidelli 1977 beim Finnland-GP in Imatra auf den Geraden als zu langsam empfand, zog sich der redselige Jörg Möller mit einer Feile und den Zylinderköpfen mutterseelenallein in das Motorhome von Sponsor Rolf Schwabe-Schott zurück. Nach einer Stunde drückte er Dieter Braun und Mechaniker Sepp Schlögl die zwei modifizierten Zylinder in die Hand: «Jetzt habt ihr 3 PS mehr», lautete der sachdienliche Hinweis für den zweifachen Weltmeister aus Deutschland.
Möller galt als Riesenfan des cleveren und schlagfertigen Dieter Braun. Seinen Schützlingen Pileri und Bianchi hingegen sprach er jede Intelligenz ab. Deshalb setzte er Dieter Braun auch beim WM-Finale 1975 in Opatija gemeinsam mit Ersatzfahrer Pier Luigi Conforti auf die Morbidelli 125 ccm, als Bianchi und Pileri wieder verletzt waren.
Braun ließ sich nicht zweimal bitten und siegte mit der haushoch überlegenen Morbidelli 18 Sekunden vor Conforti.
Giancarlo Morbidelli, dessen Sohn Gianni später in der Formel 1 fuhr, verdiente sein Geld mit Holzbearbeitungsmaschinen. Er war jedoch leidenschaftlicher Motorradfan und ließ Möller freie Hand.
Mario Lega gewann auf der Morbidelli 250 im Jahr 1977 die 250-ccm-Weltmeisterschaft. Nach dem Rückzug von Morbidelli wurden Production-Racer unter der Bezeichnung MBA hergestellt, die die 125er-WM mit Eugenio Lazzarini 1978 und mit Pierpaolo Bianchi 1980 gewannen und vielen Privatfahrern wie Gustl Auinger als Siegerbikes dienten, ehe diese Zweizylinder 1988 den Einzylinder-Bikes von Honda, Derbi, Rotax und Aprilia Platz machen mussten.
Das Kürzel MBA stand für Motori Benelli Armi, denn sie wurden von der Waffenschmiede Benelli hergestellt.
Ing. Möller zeichnete mit seiner 125-ccm-Zweizylinder-Morbidelli nicht nur verantwortlich für den WM-Titel von Pileri (1975), sondern er dominierte die WM danach mit Bianchi auch 1976 und 1977. Im selben Jahr gewann zudem Lega auf Morbidelli die 250er-WM.
Von Morbidelli wechselte Möller zu Firmenchef Vittorio Minarelli nach Bologna, wo er von 1979 und 1981 zwei weitere 125-ccm-Fahrer-WM-Titel mit Ángel Nieto gewann und dazu vier Marken-WM-Titel. 1981 landete Loris Reggiani mit der zweiten Minarelli auf dem zweiten WM-Rang! Danach widmete er sich anderen Projekten wie der Parisienne 250 und seinen Kart-Zweitakt-Motoren. Auch die GP-Maschine Ad Majora 250 stammte von Möller; der Schweizer Roland Freymond gewann damit 1982 den Anderstorp-GP in Schweden. «Zum Besseren», sollte Ad Majora laut Möller auf Deutsch bedeuten.
Jörg Möller war ein Kettenraucher, er qualmte mindestens drei Packungen filterlose Gauloises am Tag. Und während der Rennen tigerte er aufgeregt in der Box von einer Ecke in die andere. «Auf meiner Lunge befindet sich so viel Teer, damit könnte ich einen Gartenweg asphaltieren», sagte mir Jörg schon vor mehr als 40 Jahren.
Möller blieb immer in Italien wohnhaft, er konstruierte dann in den 1980er-Jahren für IRTA-Gründer Michel Métraux noch die Parisienne 250 für Pierre Bolle und Jacques Cornu; er betreute in diesem Team auch den Schweizer Honda-125-Piloten Heinz Lüthi.
Nach den großen Erfolgen arbeitete Möller noch als Motorentuner für den Schweizer Aprilia-250-WM-Piloten Eskil Suter.
Jörg Möller verstarb im Alter von 82 Jahren. Der deutsche Konstrukteur und Ingenieur lebte in Pesaro in der Region Marken, wo er sich 1974 niedergelassen hat.