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Jack Miller: Ein schillernder neuer Champion

Von Michael Scott
Moto3-WM-Leader Jack Miller steigt mit LCR-Honda 2015 direkt in die MotoGP-WM auf. SPEEDWEEK.com hat sich mit dem redseligen Red-Bull-KTM-Star unterhalten.

Viel hat sich in Jack Millers Leben getan, seit ich den verrückten und sorglosen Teenager vor einem Jahr zum ersten Mal ausführlich interviewt habe.

Nicht, dass er heute nicht mehr verrückt und sorglos wäre. Wenn schon, dann sogar umso mehr.

Aber jetzt ist er ein Titelanwärter in einem renommierten Werksteam, er führt die Weltmeisterschaft an, HRC hat sich seine Dienste für die nächsten Jahre unter den Nagel gerissen, so dass er die Moto2 überspringt und nächstes Jahr direkt in die MotoGP geht, auf einer Open-Class-Honda für das LCR Team. Als Teamkollege von Cal Crutchlow.

Miller folgt in der MotoGP-Klasse seinen Landsleuten Wayne Gardner, Mick Doohan und Casey Stoner und ist eines der wichtigsten Gesprächsthemen im Fahrerlager. Aus positiven wie aber auch aus negativen Gründen. Auch in Brünn wurde er im Qualifying ein bisschen ausfällig, er legte sich mit Bagnaia an.

In Mugello hat sich Miller zwei Strafpunkte für ein Manöver in der letzten Rennrunde eingehandelt, das man über-ehrgeizig nennen kann, offiziell aber als «gefährliches Fahren» beschrieben wird.

Bei jedem Rennen dieser Saison hat er eine führende Rolle in der Spitzengruppe gespielt. Er führte immer wieder seine sensationelle Spät-Brems-Technik vor, doch in Mugello ging er im Finish zu weit. Er drängt dort zwei ehemalige Führende in den Kies und folgte ihnen dorthin...

«Es war mein Fehler», gibt er beherzt zu.

Trotz zweier Nuller in elf Moto3-WM-Rennen, von denen er vier gewonnen hat, ist «JackAss» Miller immer noch Führender in der Weltmeisterschaft. Seit dem Sieg beim Auftakt in Katar.

Miller lag nach dem Mugello-GP nur noch fünf Punkte vor den Verfolgern und hat seinen Vorsprung inzwischen auf 23 Punkte ausgebaut, obwohl er nach Mugello auch in Assen gestürzt und ausgeschieden ist.

Das letzte Mal, als ich Jack interviewt habe, muss ich einer der Ersten gewesen sein. Dieses Mal stand ich am Ende einer langen Schlange und befürchtete, dass er keine Lust mehr haben könnte, sobald ich endlich an die Reihe kommen würde. «Oh nein», grinste er. «Ich habe immer noch viel zu erzählen.»

Er geniesst es, im Rampenlicht zu stehen. Dabei ist er erfrischend ehrlich. Die politisch korrekte PR-Sprache existiert für ihn nicht.

Vor einem Jahr fuhr er für das Racing Team Germany (RTG) eine FTR-Honda und schaffte Wunder auf einem Motorrad, das im Vergleich zu den KTM weniger Speed und Beschleunigung hatte. Trotzem wurde er WM-Siebter.

Honda hat für dieses Jahr eine Verbesserung versprochen, aber Jack hat sich für eine andere Option entschieden: Er ging zum von Red Bull gesponserten KTM-Team von Aki Ajo – eines der professionellsten Teams in der Klasse. Ironischerweise hat er dort den Platz seines langjährigen Freunds und Mitbewohners Arthur Sissis übernommen.

Wie die australischen Rennstars vor ihm, musste Jack viele Opfer für seine Karriere bringen – vor allem, was sein Zuhause betrifft.

Jack, hast du in der Sommerpause daheim im australischen Townsville Ferien machen können?

Ich bin nach den November-Tests zuletzt daheim gewesen. Bevor ich ging, hatte ich noch eine Operation am Schlüsselbein. Dann bin ich nach Hause geflogen, habe die Wunde über Weihnachten heilen lassen und bin am 25. Januar nach Europa zurückgekommen. Ich habe nicht viel gemacht, während ich zu Hause war... Ich bin fett geworden und habe den Januar damit verbracht, das Gewicht wieder zu verlieren. Es ist immer schön, nach Hause zurückzukehren. Der Sommer ist schön warm in Townsville und es regnet fast nie.
Wegen der Schulter musste ich bis nach Weihnachten warten, bevor ich wieder etwas Ernstes machen konnte. Jetzt nach dem Sachsenring hatte ich keine Zeit zum Heimfliegen.

Was war das für eine Operation?

Es war der Hammer! Meine Sehne hing meinen halben Rücken runter; die Ärzte mussten sie wieder heben und anschrauben. Jetzt ist sie wieder am richtigen Ort.
Ich hatte mir in Indianapolis das Schlüsselbein gebrochen, habe es Dienstag operieren lassen und bin am Freitag in Brünn wieder das Training gefahren. Dann hat sich die Platte gedreht und gedreht... Dann hatte ich den Unfall in Valencia. Dort habe ich alles noch ein bisschen verschlimmert.
Nachher hatte ich einen kleinen Sturz beim Test in Jerez. Dort habe ich mir die Schulter gebrochen; sie wurde schwarz wie dieses T-Shirt hier. Ist aufgeschwollen wie ein Ballon. Im Hotel habe ich mir Eis drauf gelegt und bin zwei weitere Tage in Almeria gefahren. Danach bin ich in Barcelona zum Röntgen gegangen. Die haben mir dann gesagt, dass ich die Schulter ausgekugelt habe und dass das Schlüsselbein wieder gebrochen war.
Ich habe also zwei Tage lang mit einem Schlüsselbein getestet, das entzwei gebrochen war. Deshalb fiel mir das Bremsen ein bisschen schwerer... Aber als ich erfahren habe, dass mein Schlüsselbein gebrochen war, hatte ich wenigstens eine gute Erklärung dafür.
Die Ärzte haben den Knochen wieder zusammengeschoben und auf jeder Seite zwei Schrauben hineingejagt, damit es heilen konnte. Es ist jetzt okay, aber wenn man es anschaut, ist es kein schöner Anblick. Ich muss wahrscheinlich zurück in die Klinik und es nochmals anschauen lassen, weil ich glaube, dass die Platte wieder herauskommt.
Ich komme bestimmt bald dazu.
Es tut nicht wirklich weh. Ich meine: Ich bin damit gefahren, als es gebrochen war, also empfinde ich jetzt nicht mehr viel Schmerz. Alle Nerven sind dort ruiniert, glaube ich, und die Haut dort ist ein bisschen wie Leder.

Wie gehst du damit um, wenn du fährst?

Ich nehme keine Schmerzmittel. Das habe ich noch nie getan. Ich hasse das Gefühl, betäubt zu sein. Auch als Kind, wenn ich mir Knochen gebrochen habe und in die Notaufnahme musste, habe ich nie irgendwas genommen, weil ich mich dabei beschissen gefühlt habe.
Ich fühle mich dann krank. Ich lebe lieber mit dem Schmerz im Hier und Jetzt als mich zu fühlen, als wäre ich in irgendeinem Paralleluniversum.

Hat dich im Dezember in Australien ein grosser Empfang erwartet?

Nicht wirklich. Ganz normal. Natürlich gibt es in Townsville ein paar Motorrad-Fans, aber wenn ich einmal zu Hause bin, gehe ich nicht wirklich raus. Ich lebe auf einer Farm, also gehe ich raus und hole die Lebensmittel – und das wäre es dann auch schon wieder. Die kurze Zeit, die ich zu Hause bin, verbringe ich lieber mit meiner Familie.

Du hast das RTG im Herbst verlassen und musst jetzt gegen wirklich starke Fahrer auf den viel besseren Werks-Honda kämpfen. Wie fühlt es sich an, wenn Efren Vazquez auf der Geraden auf so einer Honda an dir vorbeizieht?

Zu KTM zu gehen, das war ein grosses Risiko, aber ich bereue die Entscheidung überhaupt nicht. Das Ajo-Team, in dem ich bin, ist das beste im Fahrerlager, die beste Crew. Das steht ausser Frage. Rückblickend, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich die gleiche Entscheidung treffen.

Wusstest du, dass Honda ein neues Motorrad entwickelt?

Bevor ich bei Ajo unterschrieben habe, habe ich viel mit Honda gesprochen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich nicht geglaubt, dass sie das Upgrade zustande bringen würden. Sie hatten damals viel zu tun, sie arbeiteten an Production-Bikes für die MotoGP sowie an er Moto3.
Deshalb habe ich nicht gedacht, dass sie es schaffen würden.
Dann wollten sie lieber mir und dem RTG eine Werksmaschine geben und nicht Emilio Alzamora, der enge Kontakte zu Honda hat und das Estrella Galicia-Team leitet, das von Repsol gesponsert wird. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die HRC-Leute RTG vorziehen würden. Wirklich nicht.
Ausserdem glaube ich immer noch, dass ich mich richtig entschieden habe.

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