Ohne Razgatlioglu: BMW steht vor Albtraumszenario

BMW-Rennchef Sven Blusch herzt Toprak Razgatlioglu
BMW ohne Toprak Razgatlioglu wäre nicht dasselbe. Der Türke hat den deutschen Hersteller 2024 in den Superbike-Olymp gehievt und für den ersten Titel in einer Solo-Weltmeisterschaft in der bis dahin 101-jährigen Firmengeschichte gesorgt.
2024 eroberte Toprak allein so viele Punkte wie seine Markenkollegen Michael van der Mark, Garrett Gerloff und Scott Redding zusammen. Für 27 der 31 Podestplätze sorgte der Türke, er holte 18 der 19 Siege. In der Gesamtwertung stand Razgatlioglu zum Saisonende ganz oben, die drei anderen BMW-Piloten fanden wir auf den Positionen 6, 9 und 15.
Dieses Jahr ein ähnliches Bild: Nach Assen hat Razgatlioglu 115 Punkte auf dem Konto und ist WM-Zweiter hinter Nicolo Bulega (Aruba.it Ducati), dem gegenüber steht WM-Rang 10 von van der Mark mit 38 Zählern.
Trotz der erwiesenen Fortschritte von BMW, Rundenzeiten lügen nicht, bleibt festzuhalten, dass BMW ohne Razgatlioglu dort stünde, wo sie vor seiner Verpflichtung meistens waren: Zwischen Platz 5 und 10.
BMW-Rennchef Sven Blusch weiß das – entsprechend graut es ihm davor, dass Toprak in die MotoGP wechselt.
«In den nächsten zwei bis vier Wochen werden wir eine Entscheidung treffen», sagte Manager Kenan Sofuoglu in Assen gegenüber SPEEDWEEK.com. «Toprak hat zwei Möglichkeiten in der MotoGP. Sollte er in der Superbike-WM bleiben, ist BMW die beste Option.»
In Frage kommt in der MotoGP für den 61-fachen Laufsieger neben dem Honda-Werksteam (statt Luca Marini) die Yamaha-Satelliten-Truppe Pramac, wo er Jack Miller ersetzen könnte.
Blusch bewertet diese Möglichkeiten von Toprak als so ernsthaft, dass er sich Sorgen über den Verlust seines Erfolgsgaranten macht.
«Das ist eine schwierige Situation, wir müssen schauen, wie wir das zusammen hinbekommen», erzählte der BMW-Rennchef SPEEDWEEK.com unter vier Augen. «Das Einzige, was du in so einer Situation tun kannst, ist Toprak ein gutes Gefühl zu geben. Er hat uns sehr viel gebracht, der Titel ist für uns extrem wichtig. Wir wollen natürlich, dass Toprak glücklich ist, und bieten ihm eine Option an, dass er bei uns bleiben kann, was für uns Priorität hat. Aber Toprak sucht immer nach einer Herausforderung und hört sich gerade überall anders um. Ich bin in engem Kontakt mit Kenan und überlege mir, was wir ihm anbieten können, damit wir ihn vielleicht weiter bei uns halten können.»
«Wir können ihm diese Seite nicht bieten», meinte Blusch zum MotoGP-Wunsch von Razgatlioglu. «Für den Wechsel in ein anderes Fahrerlager muss für Toprak aber auch alles stimmen. Falls er das tun würde, wird sein Ziel sein, dass er auch dort erfolgreich sein kann. Es ist also wichtig, in welche Richtung die Angebote gehen. Ich hoffe, dass wir ihm ein Paket bieten können, mit dem er sich vielleicht noch nicht sicher ist, in welche Richtung er sich entscheidet.»
Sollte der für BMW schlimmste Fall eintreten und Toprak zieht von dannen: Wer käme als Nachfolger in Frage? «Natürlich musst du in meiner Position schauen, was gerade auf dem Markt los ist», bemerkte Blusch. «Es ist auch normal, dass man mit allen möglichen Managern immer im Kontakt ist. Der Fokus auf unserer Seite ist aber nach wie vor Toprak zu halten, bevor wir über etwas anderes nachdenken. Einfach wird das nicht. Toprak ist bereit, das Unmögliche anzugehen, deshalb beschäftigt ihn das gerade. Das ist das Feld, in dem er noch nicht unterwegs war. Es gibt auch sehr großen Druck von außen, von Fans, Organisationen und der Presse, wo das Thema immer wieder gespielt wird. Ultimativ muss er sich selbst dafür entscheiden, in welche Richtung er geht. Er weiß, dass er nicht mehr der Jüngste im Fahrerfeld ist, ich empfinde sein Talent aber als unglaublich. Was er auf dem Bike macht, das können wenige auf dieser Welt. Ich hoffe, dass er dieses Talent weiter bei uns zeigen wird.»