Die verdammte Flut, die verdammte Blamage
Selbst das Safety-Car geriet in Silverstone in Schwierigkeiten
Dem legendären britischen Wanderer und Autor Alfred Wainwright wird ein oft wiederholtes und doch so passendes Zitat zugeschrieben. «Es gibt kein schlechtes Wetter. Es gibt nur unpassende Kleidung.»
Ersetzt das Wort «Kleidung» gegen «Asphalt» und ihr habt die Zusammenfassung des Grand Prix von Großbritannien. Der erste Motorrad-GP, der abgesagt wurde, seit die Rennen in Österreich 1980 durch Schneefall verhindert wurden. Der Schnee kam am Fuße der Berge in der Nähe von Salzburg nicht unerwartet. Und Regen kommt in Silverstone nicht völlig unerwartet. Eher im Gegenteil.
Aber um bei einer Sache ganz deutlich zu sein: Es war nicht der Regen, der die klassische Rennstrecke unbefahrbar machte, sondern die Tatsache, dass der neue Asphalt mit dieser Wassermasse nicht zurechtkam. Die immer weitere Verzögerung des Starts und die letztendliche Absage waren großer Inkompetenz geschuldet. Und zwar epischen Ausmaßes.
Jeder weiß, dass es in Silverstone häufig regnet. Die britischen Fans sind nicht umsonst besonders hart im Nehmen. Und nicht durch Zufall haben die Verantwortlichen der Strecke so viele Jahre Erfahrung damit. Und nicht durch Zufall wurden in den letzten Jahren immer wieder Regenrennen beim Großbritannien-GP abgehalten.
Wurden die Verantwortlichen der Strecke also von dieser Situation überrascht? Die Wahrheit ist schlimm. Es war keine Überraschung. Die Überflutung der Strecke und die Bodenwellen haben bereits das gesamte Jahr über Probleme gemacht, seit die Strecke zu Beginn des Jahres neu asphaltiert worden war. Das Management von Silverstone hat entschieden, dies zu ignorieren. Die Vertreter der Dorna haben dabei versagt, das herauszufinden. Jeder dachte, es würde in Ordnung sein. War es aber nicht.
Dieser Grand Prix wurde beschämend. Der viel gelobte neue Asphalt war eine Enttäuschung auf ganzer Linie. Der einheitliche Belag war gegenüber dem Flickenteppich zuvor eine Verbesserung. Aber der neue Asphalt war sehr wellig. Sogar welliger als zuvor und das auch noch an anderen Stellen. Das kann der Formel 1, die dort einige Wochen zuvor unterwegs war, nicht angelastet werden.
Es kam noch schlimmer. Am Samstag im FP4 gab es eine Sintflut im hinteren Teil der Strecke. Der erste Regen nach einem langen Sommer? Sicher nicht. Das Resultat war schockierend. Die Drainage der Strecke funktionierte nicht. Sie war nicht vorhanden.
Sechs Fahrer landeten durch das Aquaplaning am Ende der Hangar-Geraden im Kies. Einer von ihnen verletzte sich schwer. Tito Rabat zog sich einen schockierenden dreifachen Bruch im Bein zu. Als er gestürzt war, stand er auf und eine andere Maschine traf ihn.
Ab diesem Zeitpunkt wurde die Absage eine echte Möglichkeit. Wenn sie nur schon in diesem Moment den Stecker gezogen hätten, dann hätte 55.000 Zuschauern ein trostloser und teurer Tag in Nässe und Kälte erspart werden können. Wenn das System der Strecken-Homologation der Dorna funktioniert hätte, dann hätte es nicht so weit kommen müssen.
Am Sonntag kam, wie vorhergesagt, der Regen. Er war nicht besonders stark, aber er hielt an. Und als die Zeit für das MotoGP-Rennen, das vorverlegt wurde, gekommen war, war die Strecke nicht befahrbar. Sogar auf der Besichtigungsrunde erlebten die Fahrer starkes Spinning und Aquaplaning. In den Mulden sammelte sich das Wasser und legte sich über viele Stellen wie ein flüssiger Spiegel.
Dann folgte ein Durcheinander samt mehreren Verschiebungen und rutschigen Runden mit dem Safety-Car. Die Geduld der Fans wurde extrem auf die Probe gestellt. Das Management des Silverstone Circuit sucht immer noch Ausflüchte, wenn es um einen Plan für die Rückerstattung der Tickets geht. Wir werden sehen.
Um 16 Uhr Ortszeit waren die Würfel gefallen. Doch das war nicht der Befehl der Verantwortlichen, die noch auf Besserung hofften. Tatsächlich tat sich das erwartete Zeitfenster ohne Regen irgendwann auf, aber es war zu spät. Es waren die Fahrer, die ein spontanes Meeting abhielten, über das nicht einmal alle Fahrer informiert waren. Dovizioso ist das berühmteste Beispiel. Sie erklärten dann, dass sie nicht fahren werden. Immerhin trafen sie eine klare Entscheidung. Ob es die richtige war? Es ist schwer, nein zu antworten. Obwohl hier der Schwanz mit dem Hund gewedelt hat. Und nicht anders herum. Nun war es an der Zeit, die Schuld zu verteilen.
Der British Racing Drivers Club ist Besitzer des Silverstone Circuit. Ihr Managing Director ist Stuart Pringle, der zusammen mit der Firma Aggregate Industries für einen der größten Fehlschläge des britischen Motorsports verantwortlich ist. Aggregate Industries führte die Neuasphaltierung durch.
Aber der Sicherheitsbeauftragte der Dorna, Loris Capirossi, und FIM-Safety-Officer Franco Uncini sollten einen Teil der Schuld übernehmen… Denn es liegt in ihrer Verantwortung sicherzustellen, dass die Strecken für ein Rennwochenende bereit sind. Es gab zahlreiche Warnsignale, die nicht erkannt wurden. Doch das Management der Strecke muss die Hauptschuld auf sich nehmen. Wie konnten die Verantwortlichen einer der besten britischen Rennstrecken zulassen, dass die großen Mängel nach der Neuasphaltierung bei einem ihrer Top-Events zur Absage führten? Es war ja nur, weil es regnete.
Die Firma Aggregate Industries hat eine lange Geschichte und ein beeindruckendes Portfolio. Ihre Website wirbt mit «unübertroffenem technischen Wissen». Wie konnten sie so versagen? Sie legten einen Asphalt mit Mulden, die sich mit Wasser füllten und zahllosen Wellen. Vielleicht lag es am knausrigen Busget der Streckeneigner, vielleicht an Überheblichkeit oder an extrem ungewöhnlichem Wetter. Es ist trotzdem eine Schande.
Früher in diesem Jahr fand F1-Weltmeister Lewis Hamilton bereits deutliche Worte. «Die Leute, die sie engagiert haben, machten den schlechtesten Job überhaupt. Die Strecke ist welliger als die Nordschleife [auf dem Nürburgring], der 100 Jahre alt ist.» Zumindest die Formel-1-Jungs konnten ein Rennen fahren. Vielleicht ist das alles, was in Silverstone zählt.