MotoGP-WM: Wackeln alle Übersee-GP bis Jerez?
Doha wird in diesem Jahr kein MotoGP-Rennen erleben
Leider muss man zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgehen, dass der Coronavirus im Motorsport-Kalender vieler namhafter Meisterschaften und Rennserien eine Schneise der Verwüstung hinterlassen wird. Denn immer mehr Regierungen und vor allem autokratisch gelenkte Staaten werden sich in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation WHO zu rigorosen Maßnahmen entschließen, damit aus der Epidemie keine Pandemie entsteht, also keine global außer Kontrolle geratene Seuche.
So bereiten sich die Teams und Fahrer der Superbike- und Supersport-WM bereits auf eine Absage des Events von 13. bis 15. März auf dem Losail Circuit in Doha statt. Denn auch in diesen beiden WM-Kategorien nehmen überdurchschnittliche viele Fahrer und Teams teil, die in Italien beheimatet sind und deshalb viele Teammitglieder mit italienischen Pässen in ihren Reihen haben.
FIM und WM-Promoter Dorna sowie die Teams und Hersteller sind sich schon in der MotoGP-Klasse einig gewesen: «Entweder fahren alle oder keiner.»
Deshalb war die Absage alternativlos. Denn die Italiener werden momentan gleich bei der Ankunft in Doha für 14 Tage in Quarantäne gesteckt, wenn sie sich nach dem 21.2. in Italien aufgehalten haben.
Bisher wird von der Dorna hinsichtlich der SBK und SSP abgewartet, ob Doha diese Richtlinien beibehält. Es herrscht aber Alarmstufe rot. Über das weitere Vorgehen wird situationselastisch entschieden.
Was den Katar-GP betrifft, stellen sich viele Fans die Frage, warum ausgerechnet die Klassen Moto3 und Moto2 fahren und die MotoGP nicht.
Das hat nichts damit zu tun, dass der FIM, der Teamvereinigung IRTA und der Dorna die Gesundheit der Menschen dieser beiden Klassen weniger am Herzen liegt. Es liegt daran, dass die kleinen Kategorien von 28.2. bis 1.3 auf dem Losail Circuit getestet haben und alle Teams vollzählig vor Ort sind. Die Italiener der kleinen Klassen sind unbehelligt eingereist – meist am Donnerstag letzter Woche. Sie mussten sich nur bei der Ankunft einem Bodyscan unterziehen. Wer Fieber hatte, wurde ins Hamad Hospital von Doha befördert.
Macht es eigentlich Sinn, bei einem Grand nur die 250er- und die 675er-Bikes um die Wette fahren zu lassen?
Naja, Teams, Hersteller und Fahrer sind zu diesem Zweck in den Mittleren Osten gereist, die Sponsoren und Fans wollen Action sehen. Beim Zusschaueraufkommen in Losail wird das Fehlen der MotoGP-Klasse keinen riesigen Unterschied ausmachen. Auch wenn Márquez, Rossi und Co. zu sehen waren, tummelten sich am Sonntag nie mehr als 1500 Zuschauer auf der Tribüne.
Die Dorna muss mit gewaltigen Umsatzeinbussen rechnen, deshalb wird jetzt Schadensbegrenzung betrieben.
Verunsicherung bei den Teams
Die Dorna muss um das Zustandekommen der MotoGP- und Superbike-WM 2020 bangen. Sie ist froh, wenn zumindest in den kleinen Klassen mal die ersten Wettbewerbe gefahren werden.
Dann wird wenigstens ein Teil der TV-Rechte-Einnahmen fällig, ein Teil der Gebühr für die «Grand Prix naming rights» (GP-Namensrechte), für die Bandenwerbung rund um die Strecke und ein Teil der Austragungsgebühr durch den lokalen GP-Promoter «Losail International Sports Club».
Bei den jetzt in Katar befindlichen Teams herrscht zwar viel Verunsicherung und Ungewissheit über den weiteren Verlauf der Meisterschaft. Aber in Katar besteht momentan keine Gesundheitsgefährdung und keine akute Corona-Ansteckungsgefahr.
Natürlich bringt die Absage des Katar-GP Vorteile für Weltmeister Marc Márquez, der seine Schulterverletzung weiter auskurieren kann. Und Honda kann sogar kurzfristig private Testfahrten in Jerez planen. Stefan Bradl soll dort sowieso im März fahren, jetzt könnten auch Marc Márquez und Cal Crutchlow dort testen, sie müssten aber einen der wertvollen fünf privaten Testtage von 2020 opfern.
HRC muss jetzt wie alle Mitbewerber die neue «engine specification» und die Aerodynamik nicht am Donnerstag 5. März homologieren lassen, sondern erst am Tag vor dem ersten GP-Training. Das kann in Texas am 2. April sein, zwei Wochen später in Argentinien oder erst beim geplanten Europa-Auftakt in Jerez, wie manche Teams spekulieren.
Aprilia-Werkspilot Andrea Iannone ist gesperrt und kann jetzt hoffen, weniger GP-Einsätze zu verlieren als befürchtet. Aber die Dauer seiner Sperre ist noch immer nicht verlautbart worden.
Suzuki-Ecstar-Teammanager Davide Brivio nahm die Absage von Katar gelassen zur Kenntnis. «Natürlich ist es sehr schade, dass das erste Rennen nicht stattfinden kann, denn wir sind alle startbereit, auch die MotoGP-Fans», sagte der Italiener. «Teile unseres Personals sind nach dem Test in Doha geblieben, da wir wussten, wie ernsthaft sich der Ausbruch des Virus gestalten kann. Aber momentan ist die Sicherheit der Menschen vorrangig, deshalb müssen wir die Entscheidung der lokalen Behörden und der MotoGP-Funktionäre respektieren.»
Brivio weiter: «Wir erleben in der Welt eine delikate und seltsame Zeit. Wir müssen jetzt Rennen für Rennen einzeln betrachten und abwarten, wie sich die Situation in den kommenden Wochen entwickelt. Ich wünsche den Teilnehmern der Klassen Moto3 und Moto2 viel Glück für das kommende Wochenende. Gleichzeitig hoffe ich, dass wir bald auf die Rennstrecke zurückkehren können.»
Ob die Ausbreitung des Virus in den nächsten Wochen gestoppt werden kann, wird sich zeigen. Die Mediziner sind sich einig: Selbst wenn demnächst ein ein wirkungsvoller Impfstoff entdeckt wird, wird er frühestens bis zum Jahresende ausreichend getestet und zugelassen sein. Dazu muss er noch in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.
«Es gibt drei vorstellbare Szenarien, die von den Experten mit gleich großer Wahrscheinlichkeit dargestellt werden», erklärte der österreichische Gesundheitsminister Rudi Anschober (Die Grünen) im ORF. «Entweder kann der Virus wie bei SARS eingedämmt und ausgehungert werden. Oder es kommt zu einer Pandemie mit unkontrollierten Ausbreitung des Coronavirus. Die dritte Möglichkeit: Es gibt künftig wie bei der Grippe jährlich zu bestimmten Jahreszeiten wiederkehrende Infektionswellen.»
Allgemein wird vor Panikmache gewarnt: In Österreich existieren zum Beispiel momentan zwölf infizierte Menschen – bei 8 Millionen Einwohnern.
Anderseits: Italien meldet bereits 34 Tote.
Eines ist klar: Thailand, wo am 22. März das zweite MotoGP-Rennen 2020 stattfinden sollte, gilt momentan als Corona-Hotspot.
Der Motorrad-GP-Kalender 2020
08. März: Doha/Q
22. März: Buriram/TH
05. April: Austin/USA
19. Las Termas/RA
03. Mai Jerez/E
17. Mai. Le Mans/F
31. Mai: Mugello/I
07. Juni: Barcelona/E
21. Juni: Sachsenring/D
28. Juni Assen/NL
12. Juli: KymiRing/SF
09. August: Brünn/CZ
16. August: Red Bull Ring/A
30. August: Silverstone/GB
13. September: Misano/I
04. Oktober: Aragón/E
18. Oktober: Motegi/J
25. Oktober: Phillip Island/AUS
01. November: Sepang/MAL
15. November: Valencia/E
Kalender Supersport- und Superbike-WM 2020:
28.2.–01.3. Phillip Island/Australien*
13.3.–15.3 Doha/Katar*
27.3.–29.3. Jerez/Spanien
17.3–19.4. Assen/Niederlande
08.5.–10.5. Imola/Italien
22.5.–24.5. Aragòn/Spanien
12.6.–14.6. Misano/Italien
03.7.–5.7. Donington Park/England
31.7.–02.8. Oschersleben/Deutschland
04.9.–06.9. Portimão/Portugal
18.9.–20.9. Catalunya/Spanien
25.9.–27.9. Magny-Cours/Frankreich
09.10–11.10. San Juan/Argentinien*
* ohne Supersport-300-WM
MotoE-Kalender 2020:
03. Mai Jerez/E
17. Mai. Le Mans/F
28. Juni Assen/NL
16. August: Red Bull Ring/A
12. und 13. September: Misano/I (zwei Rennen)