Yamaha in MotoGP: Das beste Aufgebot aller Zeiten?
Der Brite Lin Jarvis, seit 1999 Managing Director von Yamaha Motor Racing, freut sich über den frühen Re-Start der MotoGP-WM. Aber er macht sich noch Sorgen, ob die japanischen Ingenieure und die australischen Crew-Mitglieder der Valentino-Rossi-Mannschaft alle nach Europa reisen und sich dann hier lange genug im Schengenraum aufhalten können, wenn einander die Rennen Schlag auf Schlag folgen.
Die ersten Grand Prix werden mit nur 1600 Personen im Paddock über die Bühne gehen, die Dorna hat von den Behörden ein umfangreiches und strenges «closed doors protocol» genehmigen lassen. Teamgäste und Journalisten werden vorläufig nicht zugelassen. Die Teamgäste waren schon beim Katar-GP (er wurde nur für die Klassen Moto3 und Moto2 ausgetragen) im März ausgeschlossen worden. «Wir können die Gesundheit unserer angestellten Teammitglieder kontrollieren», meint Jarvis. «Aber es ist unrealistisch, wenn wir das auch von unseren Teamgästen verlangen. Wie sollen wir das kontrollieren? Wie sollten wir garantiertem, dass unsere Gäste Covid-negativ sind? Und wie sollten wir überzeugt sein, dass auch die Gäste aller anderen Teams nicht infiziert sind? Wir haben ein striktes Protokoll für die Zeit der Pandemie, an das wir uns halten müssen. Wir sollten uns auch strikt daran halten.»
Yamaha hat zuletzt 2015 mit Jorge Lorenzo die Fahrer-WM gewonnen und dazu im selben Jahr die Marken- und die Team-WM. Seither dominieren Honda und Ducati die Weltmeisterschaft.
Dank der drei Bestzeiten bei den vier Wintertests galt Maverick Viñales im März als klarer Anwärter für die WM 2020, zumal Márquez an den Folgen einer Schulter-OP litt und seine 2020-Werks-Honda beim letzten Kräftemessen (Katar-Test vom 22. bis 24. Februar) vor dem Saisonstart zumindest auf dem Losail Circuit alles andere als konkurrenzfähig.
«Ich denke, es wird sehr, sehr spannend und aufregend, wenn die MotoGP-Saison im Juli in Jerez losgeht», vermutet Lin Jarvis. «Es kommt uns entgegen, dass der Saisonauftakt in Jerez stattfinden wird. Maverick mag Jerez wirklich sehr gern. Valentino ist generell dort immer schnell. Wir gehen davon aus, dass die Yamaha dort konkurrenzfähig sein wird. Bei Marc Márquez hat sich die Situation mit der Schulter sicher verbessert, bei Nakagami ebenfalls. Das ist positiv für die Meisterschaft, würde ich sagen. Es ist besser, wenn alle Athleten in guter Verfassung sind. Wir sind gespannt. In Theorie sind die MotoGP-Bikes alle seit vier Monaten stillgestanden. Aber in der Realität hat hinter den Kulissen einige Arbeit stattgefunden. Feintuning bei den elektronischen Systemen und Strategien und so weiter. Wir sind auf jeden Fall startklar.»
Monster Yamaha schickt Maverick Viñales und Valentino Rossi ins Gefecht. Petronas-Yamaha vertraut wieder auf Fabio Quartararo und Franco Morbidelli. Ist das das beste Fahreraufgebot von Yamaha aller Zeiten?
Lin Jarvis kommt ins Grübeln. Denn 1978 schickte Yamaha gleich fünf Superstars in vier verschiedenen Teams in die 500-ccm-Weltmeisterschaft: Kenny Roberts (Yamaha USA), Johnny Ceccotto (Venemotos-Yamaha), Patrick Pons und Christian Sarron (Gauloises Yamaha Motor France) sowie Takazumi Katayama (Sarome Yamaha).
Alle fünf damaligen Yamaha-Werksfahrer gewannen WM-Titel: Roberts dreimal in der 500er-WM, Pons siegte in der 750er-WM, Katayama räumte den 350er-Titel ab, Sarron triumphierte in der 250er-WM, Cecotto in der 25oer und 350er-Klasse.
«Haben wir 2020 das beste Yamaha-Team aller Zeiten? Vielleicht, ja. Aber einigen wir uns lieber darauf zu sagen: Das beste Aufgebot der letzten Jahre», seufzt Jarvis. «Denn manchmal sehe ich mir die alten Bilder an, dann erblicke ich Giacomo Agostini auf Yamaha, Kenny Roberts, Johnny Cecotto. Und es ist schwierig, unterschiedliche Generationen zu vergleichen. Aber wenn ich die jüngste Vergangenheit anschaue, dann haben wir jetzt ein ziemlich starkes Line-up.»
In dieser Saison verfügen drei der vier Yamaha-Piloten (nur Quartararo war bisher nie Weltmeister) über 2020-Werksmaschinen. Lediglich Morbidelli verfügt über zwei sogenannte A-spec-Bikes.
Jarvis erläutert: «Diese Motorräder basieren auf der vorangegangen Generation der M1. Aber Franco bekommt keine Gebrauchtmaschinen. Er wird neue Motorräder haben, doch die Basis ist unterschiedlich. Seine Yamaha werden auf dem technischen Stand des Werksteams vom Valencia-GP 2019 sein, aber es kommen Upgrades dazu.»
Es werden also in dieser Saison nur vier MotoGP-Fahrer auf Bikes des Jahrgangs 2019 sitzen. Zarco und Rabat bei Avintia-Ducati, Morbidelli bei Petronas-Yamaha und Nakagami bei LCR-Honda.
Jarvis stimmt nicht ganz zu. «Wir würden das Motorrad von Franco nicht als '2019 spec' bezeichnen. Das wäre falsch. Denn es hat sich durch die Technik-Upgrades gegenüber dem Vorjahr definitiv verändert. Das Basis-Design stammt jedoch von 2019.»
Die Yamaha-MotoGP-Fahrerpaarungen bisher:
2002: Carlos Checa, Max Biaggi
2003: Carlos Checa, Marco Melandri
2004: Valentino Rossi, Carlos Checa
2005: Valentino Rossi, Colin Edwards
2006: Valentino Rossi, Colin Edwards
2007: Valentino Rossi, Colin Edwards
2008: Valentino Rossi, Jorge Lorenzo
2009: Valentino Rossi, Jorge Lorenzo
2010: Valentino Rossi, Jorge Lorenzo
2011: Jorge Lorenzo, Ben Spies
2012: Jorge Lorenzo, Ben Spies
2013: Jorge Lorenzo, Valentino Rossi
2014: Jorge Lorenzo, Valentino Rossi
2015: Jorge Lorenzo, Valentino Rossi
2016: Jorge Lorenzo, Valentino Rossi
2017: Valentino Rossi, Maverick Viñales
2018: Valentino Rossi, Maverick Viñales
2019: Valentino Rossi, Maverick Viñales
2020: Valentino Rossi, Maverick Viñales
2021: Maverick Viñales, Fabio Quartararo
2022: Maverick Viñales, Fabio Quartararo
Fahrer-Titelgewinne seit 2002:
2004, 2005, 2008, 2009: Rossi
2010, 2012 und 2015: Lorenzo
Die Sponsoren seit 1999:
1999 bis 2002: Marlboro
2003: Fortuna
2004 und 2005: Gauloises
2006: Camel
2007 bis 2010: Fiat
2011 bis 2013: Yamaha Factory Racing
2014 bis 2018: Movistar
2019 bis 2022: Monster