Andrea Dovizioso: Mehr Risiko durch Grünstreifen?
Valentino Rossi und Andrea Dovizioso sind sich in Sachen «track limits» einig
Die Vorfälle in Spielberg rückten ein altbekanntes Streitthema wieder in den Vordergrund: Der Umgang mit den sogenannten «track limits», also die Grünstreifen, die eigentlich nicht mehr als Teil der Rennstrecke befahren werden sollten: Zunächst musste Jorge Martin am Sonntag seinen vermeintlich zweiten Moto2-Sieg doch noch an Marco Bezzecchi abtreten, weil der Spanier in der letzten Runde mit beiden Reifen auf den grünen Streifen kam – und somit die Außenbegrenzung der Strecke überfuhr. Nach dem packenden Finale des MotoGP-Rennens klagte dann Suzuki-Ass Joan Mir darüber, dass Pol Espargaró seinen dritten Platz behalten durfte – obwohl der Red Bull-KTM-Werksfahrer im Zweikampf mit Jack Miller in der letzten Kurve klar auf dem Grün kurvte.
«Ich habe mich in der Safety Commission schon oft dazu geäußert und Druck gemacht, dass man die Regeln in Bezug auf das Grün ändern soll», betonte Andrea Dovizioso. «In der letzten Kurve war die Situation aber etwas anders, weil Miller Pol nach außen gedrängt hat. Aber trotzdem bleibt es merkwürdig, wie die Regeln ausgelegt werden. Meiner Meinung nach müsste man sich vorstellen, was passieren würde, wenn anstelle des Grüns schon Kies läge – und damit verändert sich alles, jedes Manöver der Fahrer.»
Damit deckt sich die Auffassung des Ducati-Stars mit jener von Valentino Rossi: «Jetzt sind die Strecken sicherer, aber man muss daran denken, dass dort, wo jetzt das Grün ist, eigentlich das Kiesbett oder das Gras anfangen würde. Keiner hat das zu nutzen – von Anfang bis Ende. Das ist für mich der einzige Weg, um dieses Problem zu lösen», hatte der neunfache Weltmeister gefordert.
«Dovi» ergänzte: «Das Grün wurde nur für die Sicherheit eingeführt – und dafür ist es ausgezeichnet, weil man im Kies fast immer stürzt. In puncto Sicherheit ist der Grünstreifen also eine ausgezeichnete Entwicklung. Ich kann in der Hinsicht gut damit leben, wenn es auf allen Strecken so ist. Der Punkt ist aber, dass das Grün wie ein Risiko-Element genutzt wird.»
«In den Trainings-Sessions wird deine Runde gestrichen, wenn du die ‚track limits‘ überfährst. Aber selbst wenn das so ist, wie oft fahren die Fahrer über das Grün? Oft, weil man es eben probiert», gab der 34-jährige Italiener zu bedenken. «Du versuchst, die Kurve so schnell wie möglich zu fahren – manchmal geht es sich aus, manchmal nicht. Aber mit welchem Risiko du eine Kurve anfährst, wird beeinflusst. Das ist anders. Eines ist sicher: Wenn dort das Kiesbett anfangen würde, dann gebe es das nicht. Wie oft hat man in der Vergangenheit einen Fahrer gesehen, der ins Kiesbett kam? Nur im Falle eines großen Fehlers.»
Deshalb fordert Dovi, dass bei jeder Missachtung der «track limits» hart durchgegriffen werden muss. «Dann tun es die Fahrer nicht mehr so oft wie jetzt – im Training, wir sprechen hier von der Herangehensweise an die Strecke», stellte er klar. «In der Folge passiert es aber auch im Rennen, was der gefährlichste Moment ist, weil dann auch die anderen Fahrer dort sind. Wenn du dich in einem Kampf befindest und weißt, dass dort eben kein Kies ist, dann gehst du mehr Risiko ein. Du versuchst es und hoffst, dass du rechtzeitig stoppen kannst. Wenn du es nicht schaffst, dann kommt du eben aufs Grün und schaust dann, wie du bestmöglich damit umgehen kannst.»
«Wäre dort dagegen noch Kies, dann würdest du entweder stürzen und dir vielleicht wehtun – oder du verlierst sehr viel Zeit», unterstrich der dreifache MotoGP-Vizeweltmeister. «Wenn man das Grün so sehen würde, dann würde sich meiner Meinung nach die Situation mit den Stürzen verbessern und insgesamt die Herangehensweise an diese ganzen Situationen. Auch angesichts der Diskussion um das Risiko mit dem, was in der Kurve 3 passiert ist… Die Herangehensweise an die Kurve ist eine andere, da kann man nichts machen», hielt Dovizioso fest.