Joan Mir: Wie wertvoll ist sein Titelgewinn?
Joan Mir - MotoGP-Weltmeister 2020
Mit 23 Jahren ist Joan Mir der siebtjüngste MotoGP-Weltmeister nach Marc Márquez, Freddie Spencer, Casey Stoner, Mike Hailwood, John Surtees und Valentino Rossi. Doch bis zum Europa-GP in Valencia blieb er sieglos. Dies hätte ihm beinahe die fragwürdige Ehre verschafft, der erste Fahrer zu sein, der einen WM-Titel in der Königsklasse einfährt, ohne ein einziges Rennen gewonnen zu haben.
Die geringe Siegquote ist ein Grund, weshalb der Spanier den zweitniedrigsten Punkteschnitt in der 72-jährigen Geschichte der MotoGP-Klasse erzielt hat. In 14 Rennen sammelte er 171 von 350 Punkten, was einer Punkte-Ausbeute von 48,85 % entspricht. Damit hat Joan Mir weniger als die Hälfte der möglichen Zähler gesammelt, was bisher nur Umberto Masetti (Gilera) gelang, welcher 1952 mit 43,75 % der maximalen Punktzahl die 500-ccm-WM gewann.
Obwohl die Motorräder seit damals umfassende Entwicklungen und Veränderungen durchlebt haben, wies Masettis Vierzylinder-Gilera (sie leistete 57 PS, schaffte 225 km/h und hatte keine Verkleidung) eine bedeutsame Gemeinsamkeit zu Joan Mirs Suzuki GSX-RR auf. Der in der Gilera verbaute Reihenvierzylinder-Motor galt als Wegweiser für viele Reihenmotoren von 1952 bis zu den heutigen MotoGP-Bikes von Suzuki und Yamaha. In den 1950er-Jahren gewann dieses Konzept sechs 500-ccm-Titel. 1959 war John Surtees auf der MV Agusta der erste Weltmeister des GP-Sports, der jedes der sieben Rennen gewann. Dieses Kunststück gelang anschließend nur noch Giacomo Agostini, welcher 1968 auf seiner Dreizylinder-MV Agusta bei allen zehn Rennen die maximale Punkteausbeute holte. Die Konkurrenz bestand jedoch aus unterlegenen Privatfahrern.
Nach 2020 stellt sich die Frage: Ist der Reihenmotor die bessere Wahl? In den letzten vier Jahren nahmen, dank der dominanten Leistung des Honda-Piloten Marc Márquez die V4-Motoren von Honda den obersten Podestplatz ein. Doch durch die Absenz des achtfachen Weltmeisters führten 2020 die Reihenvierzylinder-Motoren die Wertung an, indem sie mit Yamaha (7) und Suzuki (2) neun der 14 Saisonrennen gewannen. Beide Konstruktionen haben ihre Vor- und Nachteile, weshalb sie in der MotoGP-Klasse gleichermaßen zum Einsatz kommen.
Seit Agostini erreichte kein Fahrer die 100%-Marke, auch wenn Mick Dohaan 1997 mit 12 von 15 Siegen 90,57 % aller Rennen gewann und damit statistisch gesehen der drittbeste Weltmeister in der «premier class» war. Die Liste derjenigen, die die 80%-Hürde knackten, ist gespickt mit den Größen des GP-Rennsports, angeführt von Valentino Rossi, der 2003 mit der Fünfzylinder-Honda RC211V zum MotoGP-Titel fuhr. In diesem Jahr fuhr Rossi bei allen 16 Rennen aufs Podest und erreichte mit neun Siegen sammelte 89,25% der möglichen Punkte ein.
Der nächstbeste Pilot war Marc Márquez 2019, als er bei 18 von 19 Rennen auf dem Podium stand und nur in Austin ausfiel, als er in Führung liegend stürzte. Mit zwölf Siegen und 88,42% ist der Spanier damit der fünftbeste Weltmeister in Sachen Siegquote.
Aber der Honda-Star schaffte diese Performance zu einem Zeitpunkt, als die Konkurrenz mit sechs Werken und vielen gleichwertigen Bikes unvergleichlich stärker war als in der Vergangenheit.