Hoffen und Bangen: Ausblick auf die MotoGP-WM 2021
Beim MotoGP-Auftakt 2020 in Jerez startete Marc Márquez #93 zuletzt in ein Rennen
Die ganzen Probleme des Jahres 2020 wurden durch die Hintertür entsorgt, gleichzeitig warten die Sorgen und Bedenken von 2021 schon vor der Haustür. Wird das Jahr tatsächlich wiedergutmachen, worauf wir im vergangenen verzichten mussten?
Jeder hofft es, gleichzeitig herrscht aber ein allgemeines Klima der Unsicherheit und Uneinigkeit. Unter diesen Voraussetzungen bereitet sich die MotoGP-WM auf einen – zumindest – schwierigen Start in die neue Saison vor.
So mussten die ersten Testfahrten, die Mitte Februar in Sepang hätten stattfinden sollen, bereits abgesagt werden, weil in Malaysia der Corona-Notstand verhängt wurde. Der IRTA-Test in Katar wurde daraufhin um zwei zusätzliche offizielle Testtage und den auf einen Tag verkürzten «Shakedown» erweitert.
Der Kalender ist definitiv provisorisch
Die Hoffnung ist Vater des Gedankens.
Der im November veröffentlichte vorläufige Terminkalender war eine Kopie der bereits für das Vorjahr geplanten 20 Rennen – eine Rekordanzahl. Aber zu diesem Zeitpunkt wäre es mehr als ratsam, mit den Buchungen für die Überseerennen im April n den USA und Argentinien abzuwarten. Aller Voraussicht nach wird auch der Australien-GP auf Phillip Island im Oktober gestrichen.
Der noch zu vergebene Termin für den elften Grand Prix im Sommer wäre eigentlich für Brünn vorgesehen gewesen – aber der Promotor war nicht dazu im Stande, die geforderte Neuasphaltierung zu finanzieren. Tschüss Tschechien-GP.
Der neue Finnland-GP im Juli hängt von der Homologation des KymiRings ab, genauso eine der drei Reserve-Strecken: Am Mandalika Street Circuit in Indonesien wird noch gebaut. Russlands Igora Drive ist eine Unbekannte und dürfte für Brünn in den Kalender rücken. Die dritte Ersatzstrecke im Bunde, das Autódromo Internacional do Algarve in Portimão, ist nach dem brillanten Saisonfinale 2020 bei den Beteiligten herzlich Willkommen.
Um fair zu sein: WM-Promoter Dorna Sports S.L. hat zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ausdrücklich daraufhin verwiesen, dass der Kalender definitiv provisorisch war.
Die Entbehrungen waren 2020 nicht so groß, wie zeitweise befürchtet worden war – dank der geschickten Planung, mehreren Doppel-Events auf ein und denselben Rennstrecken und der Bereitschaft von Dorna (und einigen anderen) finanzielle Einbußen hinzunehmen. Der ursprüngliche Kalender für die Königsklasse schrumpfte zwar auf 14 Grand Prix, allesamt in Europa, aber am Ende gab es eine würdige Weltmeisterschaft, der nur ein Aspekt fehlte: Die Zuschauer. Die TV-Show betrieb Schadensbegrenzung.
Die MotoGP war nicht die einzige Motorsport-Serie, die 2020 Resilienz und Anpassungsfähigkeit bewiesen hat, aber die Motorrad-WM war ein Leader, und es sollte noch genug Elan übrig sein, um das Boot zumindest für die erste Hälfte des Jahres über Wasser zu halten.
Die Variable Marc Márquez
Trotz des verkürzten Kalenders stellte 2020 den Rekord für die meisten unterschiedlichen Sieger in einer MotoGP-Saison ein, es waren gleich neun: Fabio Quartararo, Brad Binder, Andrea Dovizioso, Miguel Oliveira, Franco Morbidelli, Maverick Viñales, Danilo Petrucci, Alex Rins und Weltmeister Joan Mir.
Kann die neue Saison wieder so ausgeglichen und spannend sein, wie es 2020 der Fall war? Wahrscheinlich schon. Die Antwort hängt zu großen Teilen von Marc Márquez ab. Es besteht kein Zweifel daran, dass die verletzungsbedingte Abwesenheit des Repsol-Honda-Stars in der Vorsaison die Erfolgsaussichten eines jeden anderen Fahrers verbesserte und dazu beigetragen hat, dass wir in den Genuss von großartigen Rennen gekommen sind.
Sein Gesundheitszustand wirft auch für die anstehende Saison Fragen auf, die von der langen Verletzungspause und dem Mangel an klaren Informationen geschürt werden. Erst nach dem Saisonfinale 2020 wurde das wahre Ausmaß seiner gesundheitlichen Probleme offenkundig – eine dritte OP, ein Acht-Stunden-Marathon mit einer dritten Titanplatte und einer Knochentransplantation – sollte endlich dafür sorgen, dass der Oberarmknochen wieder zusammenheilt.
Die berüchtigte «Pseudarthrose» ist eine problematische Geschichte, mehr als sechs Wochen nach dem dritten Eingriff seit dem Jerez-Crash im Juli unterzieht sich Marc Márquez noch immer einer Antibiotika-Therapie, um die zuvor aufgetretene Infektion, die Ursache der Verzögerung, unter Kontrolle zu bringen.
Der Saisonauftakt in Katar ist knapp vier Monate nach der am 3. Dezember durchgeführten Oberarm-OP angesetzt. Bis dahin mag Marc Márquez vielleicht wieder fit sein, aber nachdem er eine volle Saison verpasst hat, geht ihm sicher die Rennpraxis ab.
Ihm gegenüber steht eine ganze Reihe an jungen, aufstrebenden Fahrern. Marc, der am 17. Februar seinen 28. Geburtstag feiert, kann kaum als alt bezeichnet werden. Immerhin wird Valentino Rossi bis dahin 42 Jahre alt sein. Trotzdem sind nur fünf Fahrer im MotoGP-Feld älter als der achtfache Weltmeister – und keiner ist viel älter.
Die neue MotoGP-Generation
Titelverteidiger Joan Mir ist erst 23 Jahre alt, der am Ende gescheiterte Favorit der Vorsaison, Fabio Quartararo, ist mit seinen 21 Jahren noch jünger. Der Franzose hat 2020 zwar Fehler gemacht, aber immer noch drei Rennen gewonnen – genauso wie sein bisheriger Teamkollege Franco Morbidelli. Mehr schaffte keiner.
Morbidelli (26) ist einer der älteren Anwärter für 2021, er ist im selben Alter wie Yamahas Maverick Viñales, der zweifache KTM-Sieger Miguel Oliveira und der neue Ducati-Team-Leader Jack Miller. Alex Rins (Suzuki) ist 25, Pecco Bagnaia (Ducati) 24.
Das Alter ist am Ende aber nebensächlich. Talent und Entschlossenheit zählen. Und ein Motorrad, das dem Fahrer auf einer ausreichenden Bandreite ermöglicht, das Maximum herauszuholen. Dass gewisse Aspekte der Entwicklung eingefroren sind, wird keine allzu großen Veränderungen zulassen. Was gut ist – für einige Hersteller.
Mit oder ohne Zuschauer, ob der Kalender schrumpft oder nicht, die Aussichten auf 2021 sind verlockend.