Fix: MotoGP-Finale nicht in Valencia

Kann sich Yamaha selbst aus der Krise befreien?

Von Mat Oxley
Die 2020er-Yamaha hielt nicht, was sich die MotoGP-Stars und Teamverantwortlichen davon versprochen haben. Deshalb stellt sich die Frage: Wie gross ist die Chance, dass der Hersteller seine Probleme in den Griff bekommt?

Der letzte MotoGP-Titel von Yamaha liegt schon eine Weile zurück: 2015 setzte sich der Hersteller aus Iwata gegen die Konkurrenz durch und es ist kein Zufall, dass 2015 auch das letzte Jahr mit Bridgestone-Reifen war. Denn seither tun sich die Yamaha-Ingenieure schwer, die YZR-M1 auf den aktuellen Michelin-Reifen gut zum Arbeiten zu bringen.

Das Problem von Yamaha ist so simpel, die Lösung dafür zu finden ist es hingegen keineswegs. Die Ingenieure müssen sich bei der Entwicklung des Bikes an den Reifen anpassen und nicht umgekehrt, und die MotoGP-Reifen von Michelin sind berühmt dafür, in einem schmalen Temperaturfenster wie gewünscht zu funktionieren. Yamaha muss also ein Bike konstruieren, das die Reifen unabhängig von der Strecke und den Bedingungen auf die gewünschte Temperatur bringen kann.

In den vergangenen Jahren hat die M1 das hin und wieder hinbekommen. Und wenn die Yamaha Grip hat, kann sie ihr Kurvenspeed-Potenzial auch ausschöpfen. Allerdings schaffte sie das nicht konstant genug, um erstmals seit 2015 den Fahrer-WM-Titel zu gewinnen. Und das, obwohl hochkarätige Fahrer wie Jorge Lorenzo, Valentino Rossi, Maverick Viñales, Fabio Quartararo und Franco Morbidelli auf ihr sassen.

Trotzdem war das letzte Jahr mit sieben Rennsiegen das beste für Yamaha seit der Bridgestone-Ära. Deutet das darauf hin, dass das Werk seine Probleme langsam in den Griff bekommt? Die Antwort lautet nein, denn drei der Siege wurden von Morbidelli auf der 2019er-Yamaha errungen, während die 2020er-Maschine eine viel unregelmässigere Performance zeigte.

Die drei Fahrer, die dieses Jahr mit der 2021er-M1 unterwegs sein werden – Quartararo, Viñales und Rossi – sind sich einig: Das grösste Problem, das behoben werden muss, sind die nicht konstanten Ergebnisse auf den unterschiedlichen Strecken.

«Es sieht so aus, als würden wir etwas an den Reifen nicht verstehen. Es ist unglaublich, dass Yamaha an einem Wochenende gewinnt, aber am nächsten Wochenende kämpfen wir wieder sehr, sehr mit dem Grip», wundert sich Rossi.

«Unser Motorrad ist alles oder nichts – wir müssen etwas in der Mitte finden, mit dem wir bei jedem Rennen um gute Ergebnisse kämpfen können», fordert Quartararo. «Wenn wir Grip haben, ist es schwierig, uns zu schlagen. Aber wenn wir keinen Grip finden, kämpfen wir mehr als unsere Konkurrenten», analysiert Viñales.

Was muss Yamaha ändern?

Was muss Yamaha also tun? Zunächst einmal müssen die Japaner die M1 so verändern, dass sie weniger empfindlich auf wechselnde Bedingungen reagiert. Aber wie macht man das? Das ist ein viel unklarerer Aspekt der Performance als die Verbesserung der Motorleistung oder der Bremsleistung, weshalb Yamaha diese spezielle Nuss noch nicht geknackt hat. Im Grunde genommen muss alles genau richtig zusammenarbeiten: Motor, Elektronik, Chassis, Gewichtsverteilung Geometrie und alles andere.

Vielleicht wäre der einfachste Weg aus diesem Tief, Repliken des 2019er-Bikes zu bauen, das Morbidelli zu einem viel häufigeren Besucher auf dem Podium machte als Quartararo, Viñales und Rossi.

Aber das Regelwerk erlaubt das nicht, aufgrund von Notfall-Änderungen, die gemacht wurden, um die Kosten im Zuge der Covid-19-Pandemie zu reduzieren. Im Jahr 2021 müssen die Fahrer ihre 2020er-Motorspezifikationen verwenden. Das Problem für Yamaha ist, dass das 2019er- und 2020er-Chassis unterschiedliche Motorhalterungen verwenden, also passen die 2020er-Motoren nicht in das Chassis von 2019.

Details sind entscheidend

Vermutlich arbeitet Yamaha daran, eine 2020er-Motor/2021er-Chassis-Kombination zu entwickeln, die die 2019er-Motor/Chassis-Kombination nachahmt, aber das wird schwierig zu erreichen sein, weil unterschiedliche Motorhalterungen und unterschiedliche Gehäuse eine andere Gesamtstabilität bedeuten. All diese Variablen mögen winzig sein, aber in der MotoGP dreht sich alles um die Details.

(Das erinnert mich an 2012, als Bridgestone mitten in der Saison den Vorderreifen wechselte, was zu Chattering-Problemen bei der Honda RC213V führte. Das Motorrad klapperte in Rechtskurven schlimmer als in Linkskurven, weil die Masse auf jeder Seite des Motorrads ein paar Gramm anders als zuvor war).

Yamaha muss viele, viele Stunden damit verbracht haben, Suzukis titelgebende GSX-RR zu untersuchen, um herauszufinden, wie ein anderes Motorrad mit der gleichen Grundarchitektur von Rennen zu Rennen so viel konstanter sein kann.

Beide Motorräder verlassen sich auf den Vorderreifen, um schnell in die Kurve hineinzufahren, wodurch sie viel Kurvenspeed mitnehmen können, was ihnen einen schnellen Kurvenausgang beschert. Aber die Yamaha muss genau die richtige Temperatur im Vorderreifen erzeugen, sonst geht es nicht schnell genug.

«Die Reifen sind für alle gleich, aber bei der Yamaha braucht man wirklich den Vorderreifen mit dem richtigen Druck», sagt Petronas-Yamaha-Teamchef Wilco Zeelenberg. «Die Stärke der Yamaha ist es, hart zu bremsen, in kurzer Zeit zu stoppen, die Bremse zu lösen und sehr schnell durch die Kurve zu fahren. Wenn der Druck auf den Vorderreifen zunimmt, verliert man in diesem Bereich an Leistung, was bedeutet, dass man unseren starken Punkt, flüssig durch die Kurven zu fahren, nicht nutzen kann. Und dann fährt man rückwärts.»

Das ist der Grund, warum sich die Yamaha-Fahrer in der ersten Reihe qualifizieren müssen, damit sie frische Luft vor sich haben, um den Vorderreifen kühl zu halten. Es ist kein Zufall, dass alle sieben Yamaha-Siege 2020 aus der ersten Startreihe kamen. «Wenn sich unsere Jungs gut qualifizieren, können sie gut starten und das Rennen gewinnen», fügt Zeelenberg hinzu. «Aber wenn sie Achter oder Neunter im Feld sind, dann ist es unmöglich, etwas zu erreichen, weil der Druck auf den Vorderreifen steigt und sie den Vorteil der Yamaha verlieren. Mit der Yamaha gibt es nur einen Weg – in der ersten Reihe stehen, Gas geben und weiter pushen.»

Natürlich ist es trotz des ganzen Geredes über kleine, aber entscheidende Unterschiede zwischen der 2019er- und 2020er-M1 durchaus möglich, dass es keinen wirklichen Unterschied in der Art und Weise gibt, wie sie auf der Rennstrecke funktionieren.

So litt Morbidelli beispielsweise genauso unter Reifendruck-Problemen wie die anderen Yamaha-Fahrer. Beim ersten Rennen in Valencia qualifizierte er sich als Achter, was dazu führte, dass er im Feld feststeckte, so dass sein Reifendruck anstieg und er sich auf Platz 11 abmühte. Am darauffolgenden Wochenende qualifizierte er sich auf der Pole und führte das vom Start bis ins Ziel an.

Was könnte also der Unterschied zwischen Morbidelli und seiner 2019er-M1 und Quartararo, Viñales und Rossi und ihren aktuellen M1 sein? Der vielleicht grösste Unterschied ist der Fahrer und sein Crew-Chief.

Welche Rolle spielt der Fahrer?

Morbidelli ist sehr ruhig und in der Lage, seinen Fokus zu bewahren, wenn die Dinge nicht nach Plan laufen, im Gegensatz zu Quartararo und Viñales, die aus der Ruhe kommen, sobald die Yamaha den Grip verliert. Man denke nur an Morbidellis Einstellung zu Saisonbeginn 2020. Er war verärgert, dass Yamaha ihm seine neueste M1 nicht geben wollte, aber er verwandelte dieses Negative in etwas Positives. «Ich war frustriert, aber ich habe es geschafft, meinen Ärger und meine Frustration in die richtige Richtung zu lenken», sagt er.

Morbidellis Crew-Chief Ramon Forcada ist ebenso entscheidend für dessen Erfolg. Der Spanier hat seit 2008 ausschliesslich an der YZR-M1 gearbeitet, daher weiss er mehr über das Motorrad als jeder andere. Seine Arbeitsmethoden sind solide, logisch und pragmatisch. Das macht ihn zum spanischen Jeremy Burgess. Oder vielleicht war JB der australische Ramon Forcada.

«Ich denke, Ramon und ich arbeiten sehr gut zusammen, denn mit ihm kann ich recht schnell verstehen, was ich vom Motorrad brauche», erklärt Morbidelli. «Mit Ramon sind wir in der Lage, die richtigen Schritte zur richtigen Zeit zu machen.»

Zur Erinnerung: Forcada wurde von Viñales entlassen, weil er ihn für seine unbeständigen Leistungen verantwortlich machte. Das sorgt für Zündstoff in der Box: Morbidelli ist entschlossen, Yamaha zu beweisen, dass man ihn übergangen hat, während Forcada entschlossen ist, Viñales zu beweisen, dass es ein Fehler war, ihn loszuwerden. Diese Art von Motivation kann einen wichtigen Leistungsschub liefern.

Forcada geniesst es, mit Morbidelli zu arbeiten, weil seine Gelassenheit so anders ist als das aufbrausende Temperament von Viñales und weil der 26-Jährige aus Rom so hart an der Feinabstimmung seiner Fahrweise arbeitet, wie Forcada an der Feinabstimmung der M1.

«Franco ist perfekt – er ist ein sehr guter Kerl und es ist schön, mit ihm zu arbeiten», sagt Forcada. «Er versucht genau zu verstehen, was mit dem Motorrad passiert und er arbeitet intensiv daran, seine Fahrweise zu verbessern, also bittet er uns nicht nur darum, das Motorrad zu verbessern. Er versucht immer, genau zu verstehen, wo die anderen Jungs besser sind als er und wenn es etwas gibt, das wir nicht beheben können, akzeptiert er die Einschränkung und versucht sein Bestes», lobt er.

Es überrascht nicht, dass Morbidelli nicht verärgert war, als Yamaha ihm sagte, dass er in diesem Jahr bei seinen 2019er-Maschinen bleiben muss, anstatt die 2021er-M1 zu verwenden. Einige werden sagen, dass es falsch ist, dass Yamaha den Italiener dieses Jahr auf einem alten Motorrad hält, andere werden sagen, dass es die perfekte Versicherungspolice ist, falls die 2021er-M1 nicht besser ist als die 2020er-Version.

Morbidelli ist durchaus in der Lage, den diesjährigen Titel zu gewinnen und es wäre schon etwas Besonderes, wenn die härteste Meisterschaft von allen von jemandem gewonnen wird, der ein zwei Jahre altes Motorrad fährt. Ist das jemals zuvor passiert? Es ist unmöglich, das genau zu sagen.

Was ist mit den Ventilen?

Yamaha erlitt letztes Jahr ein weiteres PR-Desaster, als sie für die Verwendung illegaler Ventile in ihren M1-Motoren beim Saisonauftakt in Spanien bestraft wurden. Das MotoGP-Reglement schreibt vor, dass alle Innereien des Motors identisch mit einem Mustermotor sein müssen, der vor dem ersten Rennen an die technische Kontrolle geliefert wurde.

Im Juli 2019 teilte Yamahas externer Ventillieferant den Yamaha-Ingenieuren mit, dass er keine Ventile mehr für die M1-Motoren herstellen werde, also fand Yamaha eine andere Firma, die Ventile nach den exakt gleichen Spezifikationen herstellen sollte. Allerdings kam es zu gewissen Unterschieden in der Härte und Geometrie der Produkte, die von den beiden Firmen hergestellt wurden.

Weil drei der Motoren beim ersten Grand Prix kaputt gingen, fragte Yamaha bei MotoGP Technical Director Danny Aldridge nach, ob sie ihre anderen Motoren mit der anderen Charge von Ventilen ausstatten könnten. Das war der Zeitpunkt, an dem die Probleme begannen. Yamahas Vergehen mit den unterschiedlichen Ventilen wurde entdeckt.

Yamaha besteht darauf, dass es sich um einen Irrtum handelte, nicht um Absicht. Aber die Strafe – der Verlust von 50 Konstrukteurspunkten in Jerez – kostete das Unternehmen den Gewinn der Konstrukteurs-WM, die es zuletzt 2015 gewann.

Aufgrund des Covid-19-bedingten Motorenreglements fragen sich einige, wie Yamaha genug Motoren für 2021 bauen kann, ohne weitere illegale und außerdem nicht standfeste Ventile zu verwenden.

«Unsere erste Charge von Motoren für die letzte Saison war mit Ventilen von unseres neuen Lieferanten ausgestattet», erklärt Lin Jarvis, Geschäftsführer von Yamaha Racing. «Die Ventile in dieser Charge waren schwach, weshalb wir die Ausfälle hatten. Wir mussten dann anfragen, ob wir die Ventile der anderen Charge in unseren restlichen Motoren einbauen dürfen.»

Schliesslich stellte sich heraus, dass die Ventile im homologierten Original-Kontrollmotor vom alten Lieferanten stammten und sich in der Machart von den Produkten des neuen Herstellers unterschieden, die beim ersten Jerez-GP eingebaut waren.

Deshalb wurden Yamaha 50 Punkte in der Marken-WM abgezogen. Außerdem wuden dem Petronas-Team und dem Werksteam alle Team-WM-Punkte vom Spanien-GP gestrichen.

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