FIM-Präsident Jorge Viegas faselt von Suzuki-Rückkehr
Der portugiesische FIM-Präsident Jorge Viegas ist bekannt dafür, sein Mundwerk nicht im Zaum halten zu können. Er tritt deshalb in regelmässigen Abständen mit beispielhafter Treffsicherheit in Fettnäpfchen. So teilte er am vergangenen Freitag im Rahmen der Superbike-WM in Assen mit, er rechne mit einem MotoGP-Comeback von Suzuki. Er habe in Japan mit Mister Suzuki persönlich gesprochen und erfahren, das Werk investiere eine Menge Geld in einen neuen Motor. Viegas erklärte dann gegenüber Journalisten: «Ich denke, sie kommen zurück. Denn sie können keine Motorräder verkaufen, wenn sie nicht am Wettbewerb teilnehmen. Das ist ganz einfach.»
Naja, Suzuki hat im letzten Geschäftsjahr noch 1,63 Millionen Motorräder und ATV verkauft. Aber die Suzuki Motor Corporation ist im April 2022 im Automobilbereich in einen Dieselskandal geschlittert. Es wurden ca. 25.000 Diesel-Fahrzeuge mit illegalen Abschaltvorrichtungen (wie bei der VW-Gruppe) entdeckt, seither drohen Millionenstrafen.
Außerdem hat die Autosparte von Suzuki die E-Mobility verschlafen und investiert jetzt mit Verspätung riesige Beträge in die Entwicklung von Hybrid-Systemen und E-Autos.
Deshalb entschied sich Suzuki 2019 zuerst einmal zum Ausstieg aus der Motocross-WM. Nach dem Jerez-GP 2022 wurde der Rückzug aus der MotoGP-WM bestätigt, die Superbike-WM hat Suzuki längst links liegen gelassen, das traditionelle und erfolgreiche Engagement in der Endurance-WM wurde für 2023 ebenfalls gestrichen.
Solche Hau-Ruck-Aktionen haben bei Suzuki Tradition. Schon nach 1983 stieg Suzuki aus der 500er-WM über Nacht aus, nach 2011 wieder für drei Jahre, um den hoffnungslosen 800-ccm-V4-Motor für die neue 1000-ccm-Klasse durch einen Reihenvierzylinder für die GSX-RR zu ersetzen.
Aber jetzt dürfen sich die zahlreichen Suzuki-Fans keine Hoffnungen auf eine MotoGP-Rückkehr machen.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass Märchenerzähler Viegas manche Dinge durcheinanderbringt.
Denn Suzuki hätte keinen Grund, den 2022-Motor durch ein neues Konzept zu ersetzen. Schliesslich hat Alex Rins auf Phillip Island im Oktober und in Valencia im November 2022 zwei der letzten drei Saisonrennen gewonnen!
Außerdem hat die Suzuki Motor Corporation an den Vertragspartner Dorna längst eine Millionenstrafe für den vorzeitigen Ausstieg aus dem Fünf-Jahres-Vertrag für die MotoGP-WM 2022 bis Ende 2026 bezahlt, den die Japaner erst im November 2021 unterzeichnet haben. Und die rund 50 Mitarbeiter des Suzuki Ecstar Teams haben sich längst in alle Winde zerstreut.
Suzuki will in die Motorradsparte nicht mehr so viel investieren wie in der Vergangenheit und das Geschäft für die automobile Zukunft neu auf Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien ausrichten.
In der MotoGP-Klasse werden die beiden verwaisten MotoGP-Plätze von Suzuki bis auf weiteres nicht vergeben, sie bleiben für neue Hersteller reserviert. Doch Firmen wie BMW, Kawasaki und MV Agusta haben bisher kein Interesse gezeigt.
Suzuki hat seine Firmenstrategie immer wieder abrupt geändert. Im Januar 2010 wurde eine Minderheitsbeteiligung von VW an Suzuki besiegelt. Der VW-Konzern übernahm 19,9 Prozent an Suzuki, im Gegenzug erhielt Suzuki für eine Milliarde US-Dollar ca. 1,9 Prozent der Aktien der Volkswagen AG. Der Suzuki-Vorstandsvorsitzende Osamu Suzuki berichtete schon im August 2011, Suzuki wolle die VW-Aktien wieder abgeben. Am 26. September 2015 verkaufte Suzuki seinen verbliebenen Anteil an Volkswagen von 1,5 Prozent tatsächlich an die Porsche Automobil Holding.
Zurück zu FIM-Präsident Jorge Viegas, der schon im Mai 2019 mit einem ungeschickten Interview für Verwirrung sorgte. Der Portugiese bemängelte damals, dass die Dorna mit der MotoGP und SBK die zwei prestigeträchtigsten Road Racing-Serien der Welt gleichzeitig manage und kommerziell vermarkte. Er ließ durchblicken, die Dorna wolle die SBK-Rechte verkaufen, was jedoch nicht den Tatsachen entsprach.
Außerdem: Die FIM-Funktionäre haben sich die Dorna 2012 selbst als Superbike-WM-Partner ausgesucht. Viegas faselte vor vier Jahren von neuen Ideen und liess anklingen, er wolle diese Situation ändern.
Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta, der von Infront die Rechte an der Superbike-WM 2012 übernommen hat, hatte mit diesen geschäftsschädigenden Aussagen wenig Freude. Er führte mit Viegas ein klärendes Telefongespräch. Vielleicht hatte Viegas in der Aufregung auch vergessen, dass die Dorna-Gebühren inzwischen mit ca. 12 Millionen US-Dollar im Jahr verlässlich zum finanziellen Wohlergeben des Weltverbands beitragen.
«Die Dorna deckt damit ca. 80 Prozent des FIM-Jahresbudgets ab», schätzt ein FIM-Insider.
«Von einem Verkauf der SBK kann keine Rede sein. Wir haben für die Superbike-WM mit der FIM einen Vertrag bis inklusive 2036, für MotoGP sogar bis 2041», bestätigte Ezpeleta 2019 im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.
Am 3. Dezember 2022 machte Viegas bei den FIM-Awards in Rimini mit dem exklusiven Hinweis Schlagzeilen, das Rossi VR46-Team werde für 2024 von Ducati auf Yamaha umsteigen.
Aber erstens besteht ein Vertrag zwischen Ducati und der VR46-Mannschaft, zweitens wollen weder WM-Leader Marco Bezzecchi noch Luca Marini (Platz 3 in Texas) von der Ducati auf eine momentan stark unterlegende M1-Yamaha umsteigen.
Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta ist für die MotoGP-Verträge mit den Werken und den Kundenteams zuständig. «Wir haben keine Informationen über eine geplante MotoGP-Rückkehr von Suzuki», stellte der 76-jährige Spanier heute fest.