Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Liberty und MotoGP: Was passiert, was nicht

Von Werner Jessner
Die Rechteinhaber der Formel 1 haben nun auch MotoGP erworben. Sie werden einige bewährte Mechanismen übernehmen – andere hingegen aus guten Gründen nicht.

Sofern die Wettbewerbshüter ihr Okay geben, sollte es noch im Lauf des Jahres 2024 soweit sein: Liberty Media übernimmt 84 Prozent der Dorna und kontrolliert dann neben der populärsten Rennserie auf vier Rädern auch ihr einspuriges Pendant. Was das für die MotoGP bedeutet? Eine Einordnung.

Was kommen wird

Push auf Social Media

Lewis Hamilton ist der populärste F1-Fahrer mit 36,7 Millionen Followern auf Instagram, Marc Márquez hat 7,1 Millionen. Dem offiziellen F1-Insta-Account folgen 27,7 Millionen, jenem von MotoGP 15,6 Millionen. Noch brutaler: Mit Valentino Rossi hat ein nicht mehr aktiver Fahrer (16,1 Millionen) fast 8 mal so viele Follower wir der zweitbeliebteste aktive Fahrer (Fabio Quartararo, 2,1 Millionen). Das bedeutet nichts anderes als: Liberty Media muss in der jungen Zielgruppe neue Helden aufbauen, so wie sie es in der F1 gemacht haben. Dazu ist der zweite Punkt ein gutes Mittel:

Fokus auf Dokus

«Drive to Survive» auf Netflix ist, bei aller berechtigten Kritik, ein gigantisches Zugpferd für die Formel 1. «MotoGP Unlimited» oder «There Can Be Only One»? Maximal kleine, sehr kleine Brüder, mitnichten echte einspurige Pendants. So hautnah dran wie «Drive to Survive» war höchstens noch die Doku «Marc Márquez – All In», aber damit erreicht man halt nur Marc-Fans oder alle, die es noch werden wollen. Dabei liegt das Gold in der MotoGP sprichwörtlich auf der Straße: Die Charaktere sind noch echte Typen, großteils unverdorben durch hyper-korrekte Presse-Fuzzis. Was in der F1 sehr gut funktioniert hat, kann in der MotoGP grandios werden. Aber man muss es halt auch machen.

Wiederentdeckung Amerikas

US-Piloten haben die Motorrad-WM jahre-, beinahe jahrzehntelang dominiert, während US-Rennfahrer in der F1 stets die Ausnahme blieben. Formel-1-Rennen auf amerikanischem Boden waren die längste Zeit irgendwas zwischen exotisch (Long Beach) und peinlich (Indy, Dallas), während Motorradrennen in schöner Regelmäßigkeit Klassiker produzierten: Wer könnte die Corkscrew-Moves von Valentino Rossi oder Marc Márquez in Laguna Seca jemals vergessen? 2013 fanden bereits drei MotoGP-Rennen in Amerika statt – etwas, das die F1 erst 10 Jahre später zustande brachte, nämlich erst, nachdem Liberty übernommen hatte. Kein Zweifel: Sie wissen, wie der US-Markt funktioniert. Dass es mit Trackhouse ein US-Team gibt, spielt den neuen Hausherren zusätzlich in die Karten.

Was nicht kommen wird

Stadtkurse

Während in der F1 immer häufiger der Berg zum Propheten kommt (mit Las Vegas als prominentestem Beispiel) wird in der MotoGP auch weiterhin ausschließlich auf permanenten Rennstrecken gefahren werden. Das haben sowohl Dorna-Chef Ezpeleta als auch Liberty-Vertreter in einem Investoren-Call zu Wochenmitte bestätigt. Der nahe liegende Grund: die Sicherheit der Fahrer. Generell habe man nicht vor, groß an DNA der MotoGP zu schrauben, ist Liberty-Boss Greg Maffei um Beruhigung bemüht: «MotoGP ist ein unglaublich aufregendes Produkt, und wir haben nicht vor, den Sport zu ändern.» Man möge den Mann an seinen Taten messen.

Gemeinsame TV-Rechte

Das war den Verantwortlichen gleich zu Beginn wichtig zu betonen, und zwar aus gutem Grund: Würde man die TV-Rechte von Formel 1 und MotoGP aneinanderkoppeln, dann könnte man gegenüber den Wettbewerbs-Behörden der EU in Brüssel gleich die weiße Fahne hissen. Natürlich muss es TV-Anstalten möglich sein, nur die Rechte für die eine oder die andere Serie zu erwerben. Diesbezüglich liegen die größten Baustellen ohnehin anderswo: MotoGP ist vor allem in Spanien und Italien stark, während das Interesse an der F1 geografisch weitaus gleichmäßiger verbreitet ist. Die Motorrad-Begeisterung in Großbritannien wiederzubeleben wäre ein guter Start.

Mehr Rennen

Sowohl in der Formel 1 als auch der MotoGP stöhnen die Beteiligten schon jetzt unter den übervollen Kalendern. Im Fall der MotoGP kommt der samstägliche Sprint an jedem Wochenende dazu – etwas, das sich die F1 nur punktuell gönnt. Selbst wenn die eine oder andere Location in den kommenden Jahren ausgetauscht werden sollte, wird man sich hie wie da wohl auf plusminus 20 Rennen pro Saison einstellen können. Was unter einem gemeinsamen Dach ganz sicher passieren wird, ist eine bessere Koordination zwischen den beiden Rennserien, um Termin-Überschneidungen auszuschließen und die Zuschauer am Wochenende elegant vom einen zum nächsten Liberty-Premium-Produkt zu geleiten.

Und die ewige Idee eines gemeinsamen Mega-Rennwochenendes von F1 und MotoGP auf derselben Strecke? Ezpeleta: «Nur weil wir zur selben Gruppe gehören, verschwinden die grundsätzlichen Schwierigkeiten nicht. Aber die Idee gibt es, und wir könnten gemeinsam daran arbeiten.»

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